Nach gescheiterter Fusion: Kritik an deutscher Börse wird lauter
Nach der geplatzten Fusion mit der New Yorker Börse wird die Kritik an der Führung der Deutschen Börse um Vorstandschef Reto Francioni immer lauter.
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"Hier sind ganz klar Managementfehler passiert, dafür müssen hoch bezahlte Vorstände die Verantwortung übernehmen", sagte Betriebsrat und Aufsichtsratsmitglied Johannes Witt der Deutschen Presse-Agentur. "Vorstand und Aufsichtsrat dürfen jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Auch die Fondsgesellschaft DWS kritisierte das Management scharf.
Die EU-Kommission hatte den Zusammenschluss von Deutscher Börse und dem amerikanisch-europäischen BörsenkonzernNYSE Group zum weltgrößten Handelsplatz am Mittwoch untersagt. Sie hat Bedenken, dass das neue Unternehmen eine zu große Marktmacht im Bereich des Derivatehandels entfalten würde. Der Aufsichtsratschef des DAX-Konzerns, Manfred Gentz, hatte kurz nach Bekanntwerden der Brüsseler Entscheidung erklärt: "Es besteht zu grundlegenden Änderungen von Strategie, Struktur und Führung kein Anlass, vielmehr sind jetzt Ruhe und Kontinuität geboten."
Witt dagegen betonte: "Ich sehe derzeit keine wirkliche Strategie." Erst habe es geheißen, die Deutsche Börse sei ohne Partner in einem enger werdenden Markt nicht überlebensfähig. Nachdem die Fusion geplatzt ist, propagiere der Vorstand nun wieder Wachstum aus eigener Kraft.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Börse wird sich auf seiner nächsten regulären Sitzung am 13. Februar mit den Konsequenzen aus der gescheiterten Fusion befassen. Laut einem Bericht des "Spiegel" könnte Francioni auch deshalb unter Druck geraten, weil im Mai der ihn bisher stützende Aufsichtsratschef Gentz aus Altersgründen aus dem Gremium ausscheidet.
Auch ein Manager der mächtigen Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, DWS, kritisierte Francioni und die Strategie des Vorstands. Durch die Konzentration auf Übernahmen habe die Deutsche Börse ihr Tagesgeschäft vernachlässigt, sei zu wenig auf Kundenwünsche eingegangen und habe Marktanteile verloren, sagte Henning Gebhardt, Leiter europäische Aktien bei DWS, der "Wirtschaftswoche". "Die Fusionsbemühungen haben über ein Jahr lang die Kräfte des Managements gebunden."
Mit Blick auf den Schweizer Francioni (56), der seit 2005 an der Spitze des Börsenkonzerns steht, meinte Gebhardt: "Hin und wieder muss es einen Neuanfang geben - in welcher Form auch immer." Als Aktionär der Deutschen Börse könne er nicht zufrieden sein. Die Musik spiele inzwischen in Asien, doch dort seien die Frankfurter "nicht immer der gewünschte Partner", vermutete der Fondsmanager.
Betriebsrat Witt betonte: "Eins ist klar: Es darf kein neues Kostensparprogramm geben." Im Zuge der fast ein Jahr dauernden Planungen für die Megafusion seien "100 Millionen Euro für sinnlose Papierberge ausgegeben" worden. Dafür dürfe nun nicht die Belegschaft geradestehen müssen.
Unter den Mitarbeitern sei das Scheitern der Fusion überwiegend mit Erleichterung aufgenommen worden, schilderte Witt. Der Betriebsrat selbst hatte vor Stellenstreichungen vor allem in der IT in Frankfurt und Luxemburg gewarnt. Zudem hielt sich die Sorge, Frankfurt werde letztlich als Juniorpartner der Wall Street enden.
FRANKFURT (dpa-AFX)
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