Mageres Jahr 2019

Gewinneinbruch: Daimler ächzt unter Milliardenkosten - Aktie schließt schwach

11.02.20 19:25 Uhr

Gewinneinbruch: Daimler ächzt unter Milliardenkosten - Aktie schließt schwach | finanzen.net

Ein drastischer Gewinneinbruch verdirbt Ola Källenius den Start an der Daimler-Spitze und setzt den Vorstandschef gleich in seinem ersten Jahr massiv unter Druck.

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Milliardenkosten vor allem für die Dieselaffäre, dazu Anlaufprobleme bei wichtigen neuen Modellen, Verluste in der Van-Sparte und nicht zuletzt immense Investitionen in Zukunftstechnologien: Bei dem Stuttgarter Auto- und Lastwagenbauer knirscht es an allen Ecken und Enden. "Das sind keine Ergebnisse, die wir in der Zukunft sehen wollen", räumte Källenius bei der Vorlage der Bilanz am Dienstag in Stuttgart ein. "Das reicht nicht."

Der Schwede steht seit vergangenem Mai an der Daimler-Spitze und muss nun beweisen, dass sein im November angekündigtes Spar- und Effizienzprogramm, das unter anderem Tausende Arbeitsplätze kosten wird, funktioniert. 2020 sollen erste Effekte sichtbar und die Bilanz wieder besser werden, kündigte Källenius an.

Dafür muss auch die Elektromobilität Fahrt aufnehmen. Kritiker werfen Daimler und vor allem auch Källenius' Vorgänger und möglichem nächsten Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Zetsche vor, den Einstieg verschlafen zu haben. Mercedes hatte 2019 das erste Modell seiner vollelektrischen EQ-Familie, den EQC, auf den Markt gebracht, hatte aber auch dabei mit Anlaufproblemen zu kämpfen. Gelingt der Hochlauf bei Elektroantrieben nicht, drohen hohe Strafzahlungen, wenn der CO2-Grenzwert für die Neuwagenflotte nicht eingehalten wird.

"Ich bin zuversichtlich", sagte Källenius, aber garantieren könne er nicht, dass man die für Daimler voraussichtlich geltenden gut 100 Gramm CO2 pro Kilometer schaffe. Zuletzt lag die Daimler-Flotte bei etwa 137 Gramm. Eine wichtige Voraussetzung sei, dass man es schaffe, nun schnell weitere Linien für die Batteriefertigung hochzufahren.

Immerhin 2,4 Milliarden Euro Gewinn hat Daimler 2019 noch gemacht. Das ist aber nur noch ein Drittel dessen, was im auch schon schwachen Jahr 2018 als auf die Aktionäre entfallender Gewinn unter dem Strich stand - und weit unter den Ansprüchen der Marke mit dem Stern.

Das hat Folgen auch für Mitarbeiter und Aktionäre: Für die rund 130 000 Tarifbeschäftigten gibt es 2020 nur noch 597 Euro Ergebnisbeteiligung und eine einmalige Anerkennungsprämie von bis zu 500 Euro. Im Vorjahr hatte die Prämie noch bei 4965 Euro gelegen.

Außerdem kürzte Daimler seine Dividende drastischer als von Analysten erwartet. Die Aktionäre sollen je Aktie für das abgelaufene Geschäftsjahr nur noch 90 Cent erhalten - nach 3,25 Euro das Jahr zuvor. Das sei zweifellos enttäuschend, sagte Finanzchef Harald Wilhelm. Aber auch deswegen nehme man nun so intensiv die Kostenseite in den Blick.

Eigentlich läuft das Tagesgeschäft gar nicht so schlecht. Bei Mercedes-Benz Cars, Daimlers größter und wichtigster Sparte, bedeuteten rund 2,4 Millionen verkaufte Fahrzeuge einen weiteren Absatzrekord. Die Truck-Sparte brachte vor allem wegen eines schwachen Jahresendes zwar weniger Lastwagen an die Kunden als im Vorjahr, konnte aber trotzdem noch den Umsatz steigern. Auch die Busse, die Vans und die Sparte mit den Finanzdienstleistungen legten beim Umsatz zu.

Das Problem ist, dass am Ende zu wenig vom Geld aus dem operativen Geschäft übrig bleibt. Die Pkw-Sparte halbierte ihr Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Vans, lange Zeit ein verlässlicher Renditebringer, lief gar ein Minus von rund drei Milliarden Euro auf

- "schrecklich" nannte Källenius die Zahl vor Analysten. Der operative Konzerngewinn vor Zinsen und Steuern brach um 61 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro ein. Daimler musste unter anderem Investitionen in den Anlauf der Elektroantriebe schultern. Auch die Rechnung für Altlasten aus der Dieselaffäre ist im vergangenen Jahr immer länger geworden.

Auf mehr als vier Milliarden Euro summieren sich allein die Ausgaben für Rückrufe und Verfahren im Zusammenhang mit der Dieselaffäre. Daimler bestreitet zwar, sogenannte unzulässige Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung seiner Fahrzeuge verwendet zu haben, kooperiert aber mit den Behörden und ruft Hunderttausende Autos und Vans für Software-Updates zurück.

Hunderte Millionen Euro flossen auch in die Neuausrichtung der Mobilitätsdienste, die Daimler zusammen mit BMW betreibt, in Rückrufe für defekte Takata-Airbags und in die Abwicklung der X-Klasse. Das Pick-up-Modell war erst 2017 auf den Markt gekommen, blieb aber weit hinter den Erwartungen zurück und wird nun gleich wieder eingestellt, mit einem harten Schnitt, wie Källenius es formulierte.

Dass Daimler 2020 noch einmal vor derart hohen Kostenbergen steht wie 2019, erwarten Källenius und sein Finanzchef Harald Wilhelm nicht. Die Investitionen werden gedeckelt und stärker dort konzentriert, wo am ehesten rasche Gewinne zu erwarten sind. Zudem will Källenius die Materialkosten senken und die teure Modellplatte ausdünnen. "Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, haben Wirkung gezeigt", sagte er.

1,4 Milliarden Euro jährlich sollen zudem bis Ende 2022 allein beim Personal eingespart werden. "Und dabei bleibt es", sagte Källenius mit Blick auf Spekulationen, das Sparprogramm könne noch deutlich ausgeweitet werden. Eine niedrige fünfstellige Zahl an Stellen, also mindestens 10 000, sollen gestrichen werden - vor allen in Management und Verwaltung, nicht in der Produktion. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei Daimler ausgeschlossen.

Jobabbau kostet insgesamt wohl rund 2 Milliarden Euro

Der Sparkurs und Personalabbau bei Daimler wird den Auto- und Lkw-Bauer unterdessen zunächst Milliarden kosten. Finanzchef Harald Wilhelm bezifferte die Kosten für den Konzernumbau am Dienstag auf insgesamt rund 2 Milliarden Euro. Davon würden rund 1,2 Milliarden Euro in diesem Jahr anfallen, sagte der Manager in Stuttgart während der Bilanzpressekonferenz. Daimler-Chef Ola Källenius will mit Stellenstreichungen die jährlichen Personalkosten bis Ende des Jahres 2022 um 1,4 Milliarden Euro senken. Früheren Angaben zufolge ist damit ein Stellenabbau im kleineren fünfstelligen Bereich verbunden. Laut dem "Handelsblatt" könnte es sich um bis zu 15 000 Jobs handeln. Konkrete Zahlen zum Stellenabbau wollte Källenius nicht nennen.

Der seit Mai als Vorstandschef amtierende Schwede sieht bei Daimler im täglichen Geschäft vor allem hohe Kosten als Problem. Der auf die Aktionäre entfallende Gewinn war wegen zahlreicher Sonderkosten für die Dieselaffäre, Problemen bei Produktionsanläufen und hoher Kosten für neue Technik im vergangenen Jahr um zwei Drittel auf 2,4 Milliarden Euro eingebrochen.

So reagierte die Daimler-Aktie

Eine enttäuschende Dividende hatte die Anleger von Daimler am Dienstag zunächst kalt gelassen. Die Aktien gaben vorbörslich zwar erst wegen einer drastischer als erwartet gekürzten Dividende nach, schafften es dann aber mit positiven Stimmen zur Barmittelentwicklung ins Plus. Seither entwickelt sich der Kurs volatil. Im Xetra-Handel rückten sie dann zunächst um fast 3 Prozent vor, zuletzt notierten sie 0,95 Prozent tiefer bei 42,64 Euro. Dass das Papier trotz der Dividendenenttäuschung nur moderat verlor, machten Händler auch am freien Mittelzufluss fest. Der war im Gesamtjahr zwar um gut die Hälfte auf 1,4 Milliarden Euro abgesackt. Dank einer starken Tendenz im Schlussquartal mache die Entwicklung im abgelaufenen Jahr per Saldo einen guten Eindruck, hieß es. Die Daimler-Aktie hat im laufenden Jahr gut 13 Prozent verloren und über die vergangenen drei Jahre mehr als ein Drittel an Wert eingebüßt.

Laut JPMorgan-Analyst Jose Asumendi hat der Fokus nach den bereits bekannten Eckdaten auf der Bilanzsituation, den Barmitteln und der Dividende gelegen. Erleichternd kam aber laut Händlern hinzu, dass der freie Mittelzufluss einen guten Eindruck mache. Laut Asumendi wagte Daimler einen Spagat zwischen der Ausschüttungsquote und der Nettoliquidität.

Zum zweiten Mal in Folge muss Daimler einen massiven Gewinneinbruch hinnehmen und so wird die Dividende mit jetzt 90 Cent noch drastischer gekürzt als erwartet. Laut Analyst Michael Punzet von der DZ Bank lag der Konsens bei knapp 1,50 Euro.

STUTTGART (dpa-AFX)

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