Nach der Verurteilung von Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi wegen Steuerbetrugs versucht seine Partei mit allen Mitteln eine Begnadigung für ihre Leitfigur zu erreichen.
Die Abgeordneten und Minister seiner Partei Volk der Freiheit (PdL) drohten mit Rücktritt, sollte es für den 76-Jährigen nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu vier Jahren Haft keine Amnestie geben. Sie wollen Staatspräsident Giorgio Napolitano sobald wie möglich ihr Anliegen überreichen.
Am Sonntag versammelten sich Tausende Unterstützer Berlusconis zu einer Demonstration vor seinem Haus in Rom. Die Anhänger feierten ihn als "Märtyrer der Freiheit" und verlangten: "Schluss mit der politischen Justiz". Als Berlusconi sich zeigte, wurde er von der Menge mit Ovationen empfangen. Ihre Nähe und Unterstützung entschädigten ihn für den Schmerz und das große Leid der vergangenen Tage, rief der Cavaliere seinen Anhängern zu. Er bezeichnete sich erneut als unschuldig und damit als Opfer der Justiz, bekräftigte zugleich aber auch, die Regierung müsse ihr Reformwerk fortsetzen. Zudem sagte Berlusconi kämpferisch: "Hier bin ich und hier bleibe ich."
Mit ihren Forderungen nach einer Amnestie und der Androhung von Konsequenzen befeuerten PdL-Politiker Ängste vor einer erneuten Regierungskrise. "Entweder schafft es die Politik, Lösungen zu finden (...), oder Italien riskiert wirklich eine Form des Bürgerkriegs mit ungewissen Folgen für alle", sagte PdL-Senator Sandro Bondi, der viel Kritik für seine Aussage bekam.
Nach einer Krisensitzung der PdL hatten die Abgeordneten und Minister ein Ultimatum gestellt: Wenn Napolitano keine Amnestie für Berlusconi erlässt, wollen sie ihre Ämter aufgeben. "Wenn es darum geht, unsere Ideale zu verteidigen (...), sind wir zum Rücktritt bereit", sagte Parteichef Angelino Alfano. Das Kabinett von Regierungschef Enrico Letta wird von einer Koalition aus Berlusconis konservativer PdL und der linken Demokratischen Partei (PD) getragen. Sollten die PdL-Politiker ihre Drohung wahr machen, wäre die Regierung in dem Krisenland am Ende.
Zu der Demonstration für Berlusconi am Sonntag waren 500 Busse aus ganz Italien erwartet worden. Anders als zunächst angekündigt nahmen zwar einige Abgeordnete, aber keine Minister daran teil, um "Instrumentalisierungen zu vermeiden", wie Verkehrsminister Maurizio Lupi sagte. Napolitano kehrte am Samstag aus seinem Urlaub in Südtirol zurück. Er äußerte sich zunächst nicht, ein Sprecher verurteilte die Bürgerkriegs-Äußerungen Bondis jedoch als "unverantwortlich". Der Staatspräsident telefonierte sowohl mit Letta als auch mit den Parteichefs Alfano und Guglielmo Epifani von der PD. Die PdL-Fraktionsvorsitzenden Renato Brunetta und Renato Schifani wollen Napolitano ihre Forderungen übergeben. Einen Termin gab es zunächst nicht. "Wir gehen mit großer Bestimmtheit und großem Verantwortungssinn vor und werden die dramatische Situation beschreiben, in die die Demokratie unseres Landes gestürzt ist", sagte Brunetta. Regierungschef Letta hatte die Parteien zur Vernunft aufgerufen und an ihre Verantwortung appelliert. Seine Partei kritisierte die Berlusconi-Vertrauten für ihre Drohungen. "Von der PdL kommen beängstigende Vorschläge: Den Staatspräsidenten um eine Sache wie Begnadigung zu bitten, heißt, ihn unter unrechtmäßigen Druck zu setzen", kritisierte Parteichef Epifani. Berlusconis Partei stellt fünf Minister, der 76-Jährige selbst ist nicht Kabinettsmitglied. Er war am Donnerstag in letzter Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt werden. Am Samstag wurde wie erwartet Berlusconis Pass von der Polizei eingezogen. Über ein Ämterverbot für den dreimaligen Regierungschef muss noch neu verhandelt werden./mms/ka/DP/jhaROM (dpa-AFX)