Längerfristiger Ausblick

Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation & Rezession: Talfahrt im DAX noch lange nicht vorbei

30.09.22 16:41 Uhr

Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation & Rezession: Talfahrt im DAX noch lange nicht vorbei | finanzen.net

Die Misere an den Börsen ist noch lange nicht zu Ende.

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Weiter steigende Inflationsraten zwingen die Notenbanken zu einem immer schärferen geldpolitischen Vorgehen. Eine Rezession scheint unvermeidbar, die steigende Zahl an Gewinnwarnungen durch die Unternehmen wirft hier bereits ihre Schatten voraus. Daneben droht der Ukrainekrieg mit der Annexion ostukrainischer Gebiete durch Russland zu eskalieren - der Einsatz von Atomwaffen kann nicht mehr ausgeschlossen werden.

Die Serie schlechter Nachrichten reißt nicht ab. Die Inflationsraten überraschen weiter auf der Oberseite, in Deutschland sind die Verbraucherpreise erstmals seit mehr als 70 Jahren in den zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Es mehren sich die Hinweise für eine Entankerung der Inflationserwartungen in der Bevölkerung. Damit droht die Inflation zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden. Dem müssen die Zentralbanken entschieden entgegenwirken.

Kein Ende des Zinserhöhungszyklus in Sicht

Die Commerzbank geht nun davon aus, dass die EZB den Einlagesatz bis zum ersten Quartal nächsten Jahres nicht wie bislang erwartet nur auf 1,75 Prozent, sondern gleich auf 3 Prozent anheben wird. Die Analysten begründen dies zum einen mit der Gefahr der Entankerung der Inflationserwartungen. Zum anderen gehen sie davon aus, dass sich die Inflation im kommenden Jahr aufgrund der Energiekrise als hartnäckiger erweisen wird als bislang erwartet und erwarten nun einen Preisanstieg 2023 von 7,0 statt bislang 5,2 Prozent.

Auch in den USA ist ein Ende des Zinserhöhungszyklus nicht in Sicht. Trotz des bereits stark gestiegenen Zinsniveaus dürfte der Arbeitsmarktbericht am kommenden Freitag weiterhin sehr solide ausfallen. Der US-Notenbank bleibt somit kaum etwas anderes übrig als die Zinsen weiter anzuheben, um der grassierenden Inflation beizukommen. Denn da die Zentralbanker kaum Einfluss auf die Angebotsseite haben, ergreifen sie Maßnahmen, um die Nachfrage zu dämpfen.

Bank of England zeigt Dilemma der Geldpolitik auf

In der Zwischenzeit gilt es als ausgemachte Sache, dass die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks in eine Rezession rutschen wird. Diese dürfte um so heftiger ausfallen, je stärker die Zentralbanken die Zinsen anheben. Die Notenbanken scheinen gewillt zu sein, dies in Kauf zu nehmen, um der Inflation Herr zu werden. Die steigende Zahl an Gewinnwarnungen zeigt zugleich, dass das eingetrübte Wirtschaftsumfeld bei den Unternehmen angekommen ist. Die bald beginnende Berichtssaison für das dritte Quartal wird schwierig werden.

Dass die Normalisierung der Geldpolitik alle andere als einfach wird, haben die Ereignisse am britischen Finanzmarkt gezeigt. Aufgrund zunehmender Verwerfungen am dortigen Anleihemarkt sah sich die Bank of England gezwungen, mittels "vorübergehender" Anleihekäufe stabilisierend einzugreifen. Die geplante quantitative Straffung wurde erst einmal verschoben. Auch andere Zentralbanken könnten wegen der seit der Finanzkrise aufgehäuften Schuldenberge sehr schnell vor einem Dilemma stehen, denn Schulden und höhere Zinsen vertragen sich nicht gut.

Der Markt ist nur optisch billig

Das Zeug ganz andere Volatilitäten als die Zentralbanken an den Märkten auszulösen, hat der Ukrainekrieg. Mit der Annexion ostukrainischer Gebiete und deren Einverleibung, droht der Konflikt völlig außer Kontrolle zu geraten. Denn sobald diese Regionen "russisch" werden, können dortige Kampfhandlungen nach Lesart des Kremls zu direkten Angriffen auf das Staatsterritorium erklärt werden. Präsident Putin hat mehrfach erklärt, in einem solchen Fall nicht vor dem Einsatz von Nuklearwaffen zurückzuschrecken - Experten nehmen diese Drohung sehr ernst.

Auch ohne Atomkrieg, dürften die Börsen noch weit von einer Bodenbildung entfernt sein. Mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von aktuell 10 ist der DAX zwar günstig, bei vermutlich bald anstehenden Revisionen der Unternehmensgewinne dürfte es sich hierbei allerdings um kaum mehr als eine optische Täuschung handeln. Eine in Krisenzeiten bewährte Bewertungskennziffer, das Kurs/Buch-Verhältnis, liegt erst bei knapp 9.500 Punkten im DAX bei 1. Mit einem Test muss in diesen Krisenzeiten gerechnet werden, bei einem Atomschlag wird es noch tiefer gehen.

Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)

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