Cashkurs Weekly von Dirk Müller: Das QE-Programm der EZB und seine Folgen
Die Katze ist aus dem Sack. Das QE-Programm soll nun ein monatliches Volumen von 60 Milliarden Euro haben und bis mindestens September 2016 andauern.
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Damit liegt der Umfang etwas höher als erwartet und die Marktteilnehmer konnten positiv gestimmt werden. Neue DAX-Rekordmarken waren die sofortige Folge im Gleichlauf mit einem Absturz des Euro so ziemlich gegen jede Währung zwischen Toronto und den Osterinseln. Man möchte damit der niedrigen Inflation und dem niedrigen Wachstum in der Eurozone entgegenwirken. Wie erfolgreich man damit sein wird, haben wir an dieser Stelle schon oft diskutiert. Was soll das QE-Programm noch bringen? Das Geld ist schon seit zwei Jahren sehr billig und bislang hat uns das nicht weiter gebracht. Warum soll jetzt auf einmal alles anders sein?
Das eigentliche Problem ist, dass es zu wenige gibt, die willens oder in der Lage sind, dieses billige Geld aufzunehmen. Dabei muss man nur nach Südeuropa schauen. Die Unternehmen sind hoffnungslos überschuldet, die Arbeitslosigkeit ist weiter auf Rekordniveau. Weder Unternehmen noch Bürger sind daher in der Lage Kredite aufnehmen zu können. Den Banken sind damit quasi die Hände gebunden, denn Kredite möchte man ja auch zurückgezahlt bekommen. Es fehlt schlichtweg an solventen Abnehmern. Die gutgestellten Unternehmen dieser Region benötigen keine Kredite für neue Maschinen, da sie genug Mühe haben die bisherige Produktion abzusetzen. Wir bräuchten neben dem billigen Geld vor allem Konjunkturprogramme. Und damit meine ich nicht Steuerermäßigungen, sondern Anreize für Infrastrukturinvestitionen, damit die Flut an billigem Geld in die richtigen Bewässerungskanäle fließt und nicht im Sand der Wüste von Andalusien versickert, oder in den schon engen Straßenschluchten der Wallstreet die Aktienkurse auf immer neue Etagen schwemmt.
Denn genau das sehen wir nun wieder. Neue Rekorde an den Aktienmärkten. Die hohen Kurse und der aktuelle Stand im DAX sind nichts anderes als eine völlige Verzerrung der Realität. Die Weltwirtschaft kühlt sich weiter ab, der Fracking-Boom in den USA beginnt zu platzen, Russland und China zeigen sich wirtschaftlich schwach und die Staatsschuldenkrise in Europa ist alles andere als gelöst. Eben erst senkt die Bank of America die Gewinnprognosen für die 500 wichtigsten US-Unternehmen dramatisch. Sonst ein Grund für starke Abverkäufe geht es jetzt wider jedes finanzielle Naturgesetz ab durch die Decke mit den Aktienkursen. Italienische Staatsanleihen werfen eine geringere Rendite ab als amerikanische. Eine verrückte Finanzwelt. Der aktuelle Optimismus am Markt ist also alles andere als begründet und rein geldgetrieben. Die steigenden Aktienkurse, die wir jetzt sehen, dürfen wir nicht als gutes Omen fehlinterpretieren. Die aktuellen Risiken sind überhaupt nicht eingepreist. Man könnte daher auch von einem brodelnden Vulkan sprechen, der irgendwann ausbricht und dann die Kurse wieder schmerzhaft zurechtrückt. Bis dahin geht die Party aber erst mal weiter. Wir werden wohl kurzfristig weiter steigende Kurse sehen. Die Welle schwappt bis zu den Dachantennen der Wallstreet und in dieser Phase ist man in einem großen Boot wie Apple, IBM oder Gilead Sciences gut aufgehoben. The sky is the limit! Oder doch nicht?!
Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Die Linken sind laut Umfragen weiter auf dem Vormarsch. Der ein oder andere mag doch mit einem bangen Auge nach Athen blicken. Die Linken haben angekündigt, dass sie das Programm, das EU und Weltbank zusammen zur Sanierung Griechenlands ausgearbeitet haben, aufkündigen werden. Das wäre gleichbedeutend damit, dass Griechenland keine Kredite mehr bekommt und seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, folglich: die Pleite Griechenlands. Ein zusätzlicher Austritt aus dem Euro wäre unumgänglich. Das ist zumindest ein Szenario. Fassen wir noch einmal zusammen, was passieren würde, wenn Griechenland tatsächlich aus dem Euro austreten würde, was im Übrigen nach den Verträgen von Rom und Lissabon gar nicht möglich wäre, aber wo eine Krise ist, findet sich auch ein alternativloser Rettungsplan. Es würde sicherlich trotz der Verträge Wege geben, wenn Griechenland als souveräner Staat entscheiden würde, aus dem Euro auszutreten.
Also:
1) Variante "EU-genehm": Man streckt die griechischen Schulden auf 100 Jahre und reduziert die Zinsen auf Null. Gleichzeitig bleibt Athen beim Euro und in der EU. Man hätte zwar immer noch kein dauerhaft tragfähiges Geschäftsmodell für normale Zeiten, aber solange der Euro unter Druck bleibt und viele Euro-päer sich statt eines Urlaubs in einem Fremdwährungsland doch lieber den griechischen Strand bevorzugen wird man sich weiter durchwurschteln. Wohl ahnend, dass Griechenland in 10 Jahren im gleichen Problem stecken wird wie jetzt. So hätte es die EU vermutlich gerne und das dürfte das wahrscheinlichste Szenario sein. (70%) Die Aktienmärkte werden es danken, möglicherweise sogar Wiedererstarken des Euro.
2) Variante "GR-Krawallo": Es kommt zu keiner Einigung zwischen Brüssel und Athen. Tsipras schaltet auf stur und geht auf Konfrontation. Er beschließt einseitig einen Schuldenschnitt (Moratorium). EZB, IWF und EU-Kommission ziehen sich verschnupft zurück. Wir haben es mit einem offiziellen "default" also Zahlungsausfall zu tun. Griechenland bekommt keine Euro-Kredite mehr. Weder von der Troika noch vom freien Markt. Tsipras ist somit gezwungen zur Drachme zurückzukehren ums ich über die Notenpresse zu finanzieren. Brüssel würde auf den EU-Austritt bestehen. Abgeschottet vom europäischen Binnenmarkt und den internationalen Finanzmärkten würde Griechenland einer dunklen Zukunft zutreiben, zumal EU, IWF und Co alles daran setzen würden einen Aufschwung Griechenlands zu verhindern um keine Nachahmer auf den Plan zu rufen. Wahrscheinlichkeit: 20%. Üble Folgen für den Aktienmarkt und den Euro.
3) Variante "Sonne über Griechenland": Die griechischen Euro-Schulden werden wie in Szenario 1 auf 100 Jahre gestreckt und die Zinsen auf Null gesetzt. Man kann dem deutschen Steuerzahler das Märchen erzählen, die Schulden wären noch da. Griechenland einigt sich mit der EU über eine Rückkehr zur Drachme mit weiterhin bestehender Mitgliedschaft im Europäischen Binnenmarkt. Das ganze wohlwollend unterstützt von der EZB. Griechenland wäre in einer Liga mit Polen und Tschechien. Die Folge wäre eine Abwertung der Drachme bis zur Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft unter Nutzung der Vorteile des Binnenmarktes. Griechenland würde sich stabilisieren und mit wirtschaftlichen Erfolgen glänzen. Eigentlich das sinnvollste Szenario, wenn man die Rechnung ohne den Wirt niederscheibt. Die Folge eines solchen Erfolgsmodells wäre eine sofortige Nachahmung durch Italien, Spanien, Portugal….. und somit das Ende der Währungsunion. Dieses Risiko kann das politische Brüssel und das zurzeit ideologische Berlin in keinem Fall eingehen. Daher Wahrscheinlichkeit: 10%
Doch bei aller Wahrscheinlichkeitsrechnung: Erst mal muss gewählt werden und selbst wenn die Linke an die Macht kommt, müssen die erst mal das umsetzen, was sie derzeit in der Opposition proklamieren. Warten wir‘s ab. Spätestens am Montag sind wir schlauer.
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Bildquellen: Dirk Müller