Kopf der Woche

Friedrich von Metzler: "Wir stehen klar für Aktien, Renten, Cash"

29.10.09 17:00 Uhr

Mit einem selektiven und konservativen Geschäftsmodell steuert Privatbankier Friedrich von Metzler sein Institut sicher durch die Krise. Seine Strategie erklärt er im Interview mit Euro am Sonntag.

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von Elmar Peine, €uro am Sonntag

Seit Sal. Oppenheim vor der Insolvenz gerettet werden musste und nun die Unabhängigkeit verliert, steht auch die kleine, exklusive Runde unabhängiger Privatbanken in Deutschland im Verdacht, stärker als bislang bekannt in die Finanzkrise verstrickt zu sein. Wirklich überzeugend kann diesen Verdacht zurzeit vor allem Friedrich von Metzler ausräumen, Chef des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn Co. K.a.A. Mit einer Kernkapitalquote von 15 Prozent lässt das Institut andere Privatbanken wie Warburg (zehn Prozent) oder Berenberg (zwölf Prozent), aber auch Branchenprimus Deutsche Bank (elf Prozent) hinter sich. Zusammen mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gehört Metzler zu den einflussreichsten Bankenratgebern der Kanzlerin.

€uro am Sonntag: Herr von Metzler, mit der neuen Bundesregierung sind Börsenumsatzsteuer, Verbot derivativer Instrumente und ähnliche Pläne vom Tisch. Erleichtert?
Friedrich von Metzler: Ja, denn ich glaube nicht, dass zu viele Regelungen, insbesondere bei einem nationalen Alleingang, sinnvoll sind. Das Geschäft wandert ab und schadet nur dem Finanzstandort Deutschland und auch der deutschen Industrie, die auf professionelle Unterstützung und effizienten Kapitalmarkt angewiesen ist.

Sollte die Regierung bei der Abgeltungsteuer korrigieren?
Auf diesem Feld sehe ich nicht den größten Bedarf; die Abgeltungsteuer ist im internationalen Vergleich ausgewogen; für mich besteht der größte Handlungsbedarf bei der Altersvorsorge. Das ist das Zukunftsthema für fast alle Bundesbürger und hier steht die Ampel noch auf Rot. Durch Garantieprodukte wird ein großer Teil der möglichen positiven Wertentwicklung beschnitten. Die Aktie, die trotz aller Schwankungen die langfristig renditestärkste Anlageform darstellt, spielt keine Rolle. Nur durch die Investition in die reale Wirtschaft und solide Unternehmen werden künftige Generationen in der Lage sein, ihren finanziellen Bedarf im Alter zu decken.

Ist es richtig, die Bankenaufsicht in die Hände der Bundesbank zu legen?
Die Konzentration der Aufsicht ist ein richtiger Schritt. Allerdings darf durch diese neue Behörde die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht gefährdet werden. Das ist die größte Herausforderung. Entscheidend für die Effizienz ist eine gute finanzielle Ausstattung und vernünftige Bezahlung der Mitarbeiter.

Wie sind Sie insgesamt mit dem Krisenmanagement der alten Regierung zufrieden?
Das Krisenmanagement der Regierung war effizient und hat großen Schaden abgewendet. Gleichzeitig ist die Regierung nicht der Versuchung erlegen, durch überdimensionierte Konjunkturprogramme überzureagieren; daher verdienen Kanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Steinbrück Respekt und Zustimmung.

Die Bankenstruktur in Deutschland verändert sich, die Deutsche Bank kauft erheblich zu. Ist es gefährlich, wenn die Großen noch größer werden?
Die Deutsche Bank ist wahrscheinlich die einzige deutsche Bank, die eine relevante Rolle im globalen Bankgeschäft spielt. Deutschland als eine der großen Volkswirtschaften braucht sicher eine international wettbewerbsfähige Bank – besser zwei oder drei.

Brauchen wir nicht auch hier mehr Wettbewerb?
In Deutschland gibt es die Drei-Säulen-Struktur: private Banken, Sparkassensektor (inklusive Landesbanken) und Genossenschaftssektor. Das sorgt in weiten Teilen des Bankgeschäfts für starken Binnenwettbewerb. Was wir nicht brauchen, sind Banken, die über kein tragfähiges Geschäftsmodell verfügen und sich auf Pfaden bewegen, wo sie am Ende des Tages den Steuerzahler nur Geld kosten.

Verlieren Anleger bald den Durchblick bei den Kosten, wenn Anbieter künftig alles aus einer Hand anbieten und dann die Kosten pro Leistung nicht mehr erkennbar und vergleichbar sind?
Wir haben seit Jahren zu derivativen und hochkomplexen Finanzprodukten eine ganz klare Meinung: Der Privatanleger braucht sie nicht – oder aber nur zur punktuellen Beimischung bei ganz bestimmten Fragestellungen. Metzler steht bei der Geldanlage ganz klar für Aktien, Renten und Cash. Kundenportfolios über Ländergrenzen und Branchen geschickt und passgenau zu diversifizieren ist höchst anspruchsvoll – und gleichzeitig vollkommen transparent, was die Performance, Transaktionskosten und Steuer betrifft. Mit dieser Maxime sind unsere Kunden und auch wir sehr gut gefahren. Dabei bleiben wir.

Zuletzt ist eine Privatbank in große Schwierigkeiten geraten. Befürchten Sie weitere Turbulenzen bei Privatbanken?
Man muss immer die Frage stellen, welches Geschäftsmodell für eine Privatbank passt. Entscheidend ist, dass es zur Struktur des jeweiligen Hauses passt; genauso wichtig ist die Disziplin, daran festzuhalten. Wir machen deshalb vieles nicht – aber das, was wir machen, hoffentlich entsprechend gut.

Vor Jahren hieß es: Kreditgeschäft hat für viele Privatbanken das Aus bedeutet. Jetzt heißt es: Investmentbanking ist für Privatbanken zu volatil. Was können Sie in der Zukunft machen, was dürfen Sie nicht tun?
Vermögensverwaltung für Private und Institutionelle sowie Investmentbanking wie Mergers & Acquisitions, Aktien-, Renten- und Währungsberatung passen perfekt zu unserer Struktur. Allerdings verzichten wir auf Eigenhandel, die Herstellung von Produkten und Private Equity, da wir keine Interessenkonflikte in der Kundenberatung haben möchten. Das hat sich bewährt.

Würde den Privatbanken nicht auch mehr Transparenz guttun?
Wir sind gegenüber unseren Aktionären sehr transparent, haben aber den Vorteil, dass es nur wenige sind. Sie erhalten genauen Einblick in Zahlen und Geschäftsentwicklung. In unseren Sitzungen wird vieles genau hinterfragt. Und zwar nicht, ob auch die letzten Renditeprozente herausgekitzelt wurden, sondern ob die Geschäftsentwicklung langfristig tragfähig ist. Das ist mittlerweile genetisch. Seit Jahrhunderten leben die Metzlers mit und vom Bankgeschäft. Langfristige Planungen und pragmatische Geschäftsmoral sind gut für uns.

Wie hat sich die Kundenzahl bei Ihnen in den letzten Wochen entwickelt?
Wir sind zufrieden mit dem Kundenzuspruch. Doch wir drängen nicht auf den Vertragsabschluss und nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, um sicher festzustellen, dass wir und der Kunde auch zusammenpassen.

Wie gesund ist Metzler?
Metzler ist vollkommen gesund. Wir hatten keinerlei Abschreibungsbedarf in strukturierten und toxischen Wertpapieren und wachsen weiter aus eigener Kraft.

Wie lange dauert es, bis das Vertrauen in das Finanzsystem wieder hergestellt ist?
Sehr lange. Vertrauen ist das A und O in Wirtschaftsbeziehungen. Dabei spielt der Faktor Zeit die entscheidende Rolle. Es braucht eine Bewährungszeit. Die Finanzbranche muss über einen langen Zeitraum beweisen, dass sie sich dieses Vertrauen wieder verdient hat. Das muss nachhaltig und lange sein. An eine schnelle Erholung glauben wir deshalb nicht.

Was muss denn geschehen?
Erst einmal eine Entschuldung des gesamten Systems. Das braucht Zeit. Zweitens muss der Finanzsektor rekapitalisiert werden. Das braucht Zeit. Und drittens müssen die Bilanzen sowohl in Unternehmen aber auch im privaten Sektor repariert werden. Das braucht Zeit. Vertrauen, Zeit und Schuldenabbau. Drei Dinge, die unmittelbar zusammenhängen und ohne die der „Patient“ Finanzbranche und mit ihm die Wirtschaft nicht genesen kann.

Ist der Wille zur Veränderung ausreichend da?
Mit einem „Weiter so“ werden sich die Probleme nicht lösen. Für eine Heilung muss die Branche endlich ehrlich zu sich sein und aus schmerzhaften Diagnosen selbstkritische Schlüsse ziehen. Ich glaube aber, dass dies schon geschieht.

Beobachter beklagen, dass es die internationale Staatengemeinschaft verpasst hätte, rechtzeitig Regeln z.B. für mehr Transparenz zu schaffen.
Die aktuellen Vorstöße von Präsident Sarkozy sprechen eine andere Sprache; ich rechne fest mit konkreten Regeln etwa zur Frage der Vergütung und zur Eigenkapitalausstattung. Allerdings wür­­de ich mehr auf die Selbstheilungskräfte der Beteiligten bauen.

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