Keine 'Denkverbote': thyssenkrupp prüft mehrere Optionen für das Stahlgeschäft - thyssenkrupp-Aktie klettert
thyssenkrupp verschärft nach dem Verkauf des Aufzuggeschäftes die Gangart beim Umbau und schließt auch für das Stahlgeschäft Optionen außerhalb des Konzerns nicht aus.
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Der kriselnde Industriekonzern thyssenkrupp lotet für sein Stahlgeschäft alle Optionen aus. Es werde keine "Denkverbote" geben, kündigte Konzernchefin Martina Merz am Dienstag in einer Telefonkonferenz zur Neuausrichtung des Unternehmens an. Gespräche mit Wettbewerbern gingen dabei "in alle Richtungen". Demzufolge kann sich die Managerin nicht nur selbst eine Übernahme von Konkurrenten oder eine Fusion vorstellen, sondern auch die Beibehaltung von lediglich einem Minderheitenanteil am Stahlgeschäft. Aber auch die Fortführung ohne Partner bleibt eine Option.
Durch die Corona-Krise nehme die Notwendigkeit zu einer weiteren Konsolidierung der Stahlindustrie weiter zu, bekräftigte Merz. Bestehende Überkapazitäten in Europa würden sich noch ausweiten. Die Corona-Krise begreift die Managerin dabei auch als "Chance", um Gespräche voranzutreiben, die bislang "vielleicht schwierig" waren. Einen Zeitrahmen hat sich thyssenkrupp dabei nicht gegeben, jedoch will Merz das Thema nun "offensiv" vorantreiben. So solle nicht wieder mehrere Jahre ins Land gehen, wie etwa bei den Verhandlungen mit Tata Steel Europe, mit denen der Konzern ursprünglich einmal eine Fusion geplant hatte, dann aber an den Wettbewerbsbehörden scheiterte.
Die IG Metall favorisiert dabei eine Lösung mit den Konkurrenten Salzgitter oder Saarstahl. Merz sieht in einer "deutschen Lösung" eine Option. Es gebe jedoch keine Präferenzen. Mit wem thyssenkrupp derzeit Gespräche führt, wollte die Managerin nicht verraten. Das "Handelsblatt" hatte am Montag berichtet, dass zu den Interessenten an der Stahlsparte die chinesische Baosteel, SSAB aus Schweden sowie erneut Tata Steel Europe gehören sollen.
thyssenkrupp hatte am Montagabend die Grundzüge seiner Neuausrichtung veröffentlicht, die zu einer deutlichen Schrumpfung des Konzerns führen werden, der im vergangenen Geschäftsjahr auf einen Umsatz von rund 42 Milliarden Euro kam. Neben dem bekannten Verkauf des Aufzugsgeschäfts an Finanzinvestoren für 17,2 Milliarden Euro will sich thyssenkrupp von Bereichen mit einem Umsatz von insgesamt 6 Milliarden Euro trennen.
Dazu gehören neben dem Anlagenbau das italienische Edelstahlwerk, das Geschäft mit Antriebslösungen sowie Federn und Stabilisatoren - für diese Bereiche strebt thyssenkrupp Partnerschaften oder einen Verkauf an. Für die Bereiche Infrastructure, Grobblech und Battery Solutions prüft der Konzern einen Verkauf oder die Schließung von Standorten. Die Segmente beschäftigen rund 20.000 Mitarbeiter und würden künftig separat geführt hieß es. Hier sehe thyssenkrupp keine "nachhaltige Perspektive".
Auch für den Marineschiffbau sucht das Unternehmen nach einer Lösung. Aus Sicht von thyssenkrupp kann der Marineschiffbau "in konsolidierter Aufstellung langfristig besser im nationalen wie internationalen Wettbewerb bestehen".
"Um die Arbeitsplätze und Werftstandorte zu sichern, ist die Schaffung eines starken Marinekonzerns sinnvoll", hatte Personalvorstand Olivder Burkhard, der auch für die Sparte verantwortlich ist, am Vorabend erklärt. Es gebe dabei "nationale und europäische Optionen". thyssenkrupp führe auch hier Gespräche mit verschiedenen möglichen Partnern. Dabei sei auch die Politik einbezogen. Zuletzt hatten die Werften Lürssen und German Naval Yards mit dem Zusammenschluss ihrer Marineaktivitäten für Aufsehen gesorgt.
Zum Kern der neuen thyssenkrupp soll nach dem Willen des Konzerns weiterhin der Werkstoffhandel und die Industriekomponenten gehören. Hier sieht der Konzern eigenen Angaben zufolge ein gutes Entwicklungspotenzial, welches aus eigener Kraft gehoben werden soll. Das Automobilzuliefergeschäft soll zumindest teilweise in der Gruppe weitergeführt werden. Hier jedoch hält Merz ebenfalls Allianzen und Entwicklungspartnerschaften für notwendig.
Wie thyssenkrupp die Milliarden aus dem Aufzugverkauf einsetzen will, ließ das Management offen. Über die Verteilung ist laut Merz derzeit noch nicht entschieden. Wegen der Corona-Krise strebe thyssenkrupp jedoch eine "größtmögliche" finanzielle Flexibilität an. So sollen einige fällig werdende Schulden zurück gezahlt werden. Bei möglichen Investitionen werde der Konzern "auf Sicht fahren", kündigte Finanzchef Klaus Keysberg an.
Krupp-Stiftung stellt sich hinter Merz' Strategie
Die neue Strategie bei thyssenkrupp wird auch von der Krupp-Stiftung mitgetragen. "Angesichts der äußerst herausfordernden Lage tragen wir auch schwierige Entscheidungen zum Wohle des Unternehmens mit", heißt es in einer Stellungnahme der Ankeraktionärin. "Die Krupp-Stiftung unterstützt die vorgestellte Strategie und die Portfolio-Maßnahmen für die Weiterentwicklung von thyssenkrupp."
Konzernchefin Martina Merz hatte am Abend ihr Zukunftskonzept vorgestellt. Anders als bisher bekannt, sind für das Stahl- und Marinegeschäft auch Partnerschaften oder Konsolidierungen möglich.
thyssenkrupp erholen sich weiter - Neuausrichtung kommt gut an
Die Aktien von thyssenkrupp haben am Dienstag Kursgewinne verzeichnen können. Zum XETRA-Schluss stiegen die Papiere um 5,09 Prozent auf 5,20 Euro. Bereits am Vortag hatten sie zwölfeinhalb Prozent gewonnen nach Spekulationen über einen weiteren Anlauf für eine mögliche Stahlfusion.
Die geplante Neuausrichtung wird am Markt positiv gesehen. Es habe in den vergangenen zwei Jahren zu viele Kehrtwenden in puncto Strategie und Portfolio-Ausrichtung gegeben, um zu glauben, dass es nun bei dem von thyssenkrupp entworfenen Plan bleibe, zeigten sich die Analysten von Barclays zunächst skeptisch. Die Strategie-Ankündigungen schienen aber den Weg zu ebnen für eine komplette Aufspaltung des Konzerns und seien somit eine klare Botschaft, dass in Anbetracht der Liquiditäts - und Verschuldungssorgen eine radikale Neuausrichtung vonnöten sei.
Auch Analyst Christian Obst von der Baader Bank hält den Schrumpfungsprozess von thyssenkrupp für notwendig. Und ein Händler betonte, der Umbau von einem schwerfälligen in einen wesentlich agileren und flinkeren Konzern könnte gerade noch rechtzeitig passieren, um die Wende zu schaffen. Ungeachtet des weiteren Erholungspotenzials sei nach dem starken Kursanstieg aber einiges nun in den Papieren eingepreist, gab er zu bedenken.
Die thyssenkrupp-Aktien haben seit Anfang 2018, als sie noch um die 26 Euro gekostet hatten, peu a peu nachgegeben und im Zuge der Corona-Krise in diesem März mit 3,28 Euro ein historisches Tief erreicht. In den Wochen danach präsentierten sie sich sehr schwankungsanfällig in einer Spanne zwischen vier und mehr als sechs Euro.
FRANKFURT (Dow Jones / dpa-AFX)
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