Rettung der Lufthansa sorgt für Erleichterung - Milliarden aus Rettungspaket sollen schnellstmöglich fließen - Lufthansa-Aktien dennoch unter Druck
Die Insolvenz ist abgewendet: Die Lufthansa ist gerettet und kann dank staatlicher Beteiligung ihren Geschäftsbetrieb fortsetzen.
Die Aktionäre des MDAX-Konzerns stimmten am Donnerstag einer 20-prozentigen Kapitalbeteiligung der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von 98,04 Prozent zu. Das damit verbundene Hilfspaket über neun Milliarden Euro kann nun umgesetzt werden.
Lufthansa-Vorstand Thorsten Dirks scheidet aus
Der Lufthansa-Vorstand Thorsten Dirks tritt zurück. Dirks nehme den erfolgreichen Abschluss der staatlichen Stabilisierungsmaßnahme zum Anlass, sich aus dem Vorstand der Gesellschaft zurückzuziehen, teilte die Deutsche Lufthansa AG mit. Nähere Angaben zu den Gründen wurden nicht gemacht.
Dirks war im Mai 2017 in den Vorstand berufen worden. Ende 2019 hatte er die Verantwortung für die Konzernairline Eurowings abgegeben und das neu gründete Ressort IT, Digital & Innovation übernommen. Nach dem Ausscheiden des ehemaligen Finanzvorstandes Ulrik Svensson in April kamen wesentliche Teile des Finanzressorts hinzu und Dirks Bereich wurde in "Digital und Finanzwesen" umbenannt. Dieses Vorstandsressort werde nun bis auf weiteres interimistisch vom Vorstandsvorsitzenden, Carsten Spohr, übernommen, teilte der Konzern mit.
Konzernspitze hatte vor Scheitern gewarnt
Im Ringen um das staatliche Rettungspaket hatte die Lufthansa-Spitze zuvor den Druck auf die Aktionäre noch einmal erhöht. "Wir haben kein Geld mehr", sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro hätte die Airline Kley zufolge "in den nächsten Tagen" die Insolvenz anmelden müssen. Nach der Annahme des Rettungsplans sagte Kley: "Wir schaffen das!"
Die Bundesregierung zeigte sich erleichtert. Nun habe die Airline eine Perspektive, "die gegenwärtig schwerste Herausforderung ihrer Geschichte zu bestehen zu und zu überstehen", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Beteiligung werde "keinen Tag länger" bestehen als notwendig. Der Bund mische sich nicht ins operative Geschäft ein. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, das sei eine gute Nachricht für das Unternehmen selbst, die Beschäftigten und den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Mit den Finanzhilfen stabilisiert die Bundesregierung ein großes deutsches Unternehmen, das kerngesund war und durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in schwere Turbulenzen geraten ist."
Lufthansa-Chef Carsten Spohr dankte der Bundesregierung und erklärte: "Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu 9 Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen."
Bei der ausschließlich im Internet übertragenen außerordentlichen Hauptversammlung verzichtete Großaktionär Heinz Hermann Thiele darauf, das Rettungspaket zu blockieren. Wegen der schwachen Beteiligung der Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade gehabt. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert. Auch die EU-Kommission hatte dem Rettungsplan zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss.
Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein so genanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht nötig. Den rechnerischen Überhang in der Corona-Krise hatte der Konzern mit weltweit 138.000 Beschäftigten auf 22 000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.
Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft. Neben verkürzten Arbeitszeiten, dem Verzicht auf bereits vereinbarte Lohnsteigerungen und Betriebsrentenzahlungen gibt es eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen, um Lohnkosten zu reduzieren.
Corona-Krise hat empfindlich belastet
Nach den drei bislang erfolgreichsten Geschäftsjahren war Lufthansa im März wegen der Corona-Pandemie geschäftlich abgestürzt. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro, so dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein. Nach eigenen Angaben hat Lufthansa bereits eine Milliarde Euro an Kunden für abgesagte Flüge zurückgezahlt. Eine weitere Milliarde stehe noch aus.
Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Folge ist eine deutliche Schrumpfung der Flotte. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Worten des Personalvorstands Michael Niggemann allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bezeichnete den geplanten Rettungsweg als schwierigen, aber alternativlosen Kompromiss. Das Unternehmen müsse sich nun auf die dringenden operativen Herausforderungen konzentrieren, sagte VC-Präsident Markus Wahl. Die Piloten wollten dazu mit einem weitreichenden Einsparangebot ihren Beitrag leisten. Bei der Gewerkschaft Verdi hieß es, nun müsse der Schutz der Beschäftigten in den Fokus von Politik und Unternehmen rücken. "Mit den Staatshilfen müssen jetzt auch Arbeitsplätze und Einkommen gesichert werden", sagte die stellvertretende Vorsitzende Christine Behle.
Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von 3 Milliarden Euro geplant.
Nach Rettung: Bernstein belässt Lufthansa auf 'Market-Perform'
Das US-Analysehaus Bernstein Research hat die Lufthansa-Aktie nach der Zustimmung der Aktionäre zum staatlichen Rettungspaket auf "Market-Perform" mit einem Kursziel von 10 Euro belassen. Die Nachricht über die Zustimmung sei gut, da sie Unsicherheit herausnehme und einer Erholung den Weg bereite, schrieb Analyst Daniel Roeska in einer ersten Reaktion am Donnerstag. Doch die Fluggesellschaft habe angesichts ihrer Schuldenlast noch einiges vor sich.
Milliarden aus Rettungspaket fließen schnellstmöglich
- "Das Geld aus dem Kfw-Kredit soll schnellstmöglich fließen", sagte ein Konzernsprecher am Freitag. An anderer Stelle hieß es, die technische Umsetzung dürfte noch ein paar Tage dauern. Es handle sich ja auch um ein großes Bankenkonsortium, sagte eine mit der Sache vertraute Person. Der "Spiegel" hatte berichtet, dass die Regierung einen Teil der insgesamt neun Milliarden Euro unmittelbar zur Verfügung stelle. Demnach habe das Bundeswirtschaftsministerium mit der KfW bereits arrangiert, dass die vereinbarten drei Milliarden Euro Kredit ab sofort fließen können. Die staatliche Förderbank kommentierte dies nicht, vom Ministerium war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Lufthansa-Aktie unter Druck
Zum Handelsschluss fiel die Lufthansa-Aktie via XETRA um 6,23 Prozent auf 8,99 Euro.
"Nun rückt bereits die Verwässerung durch den Staatseinstieg in den Fokus", sagte ein Börsianer. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung hatten die Aktionäre des Unternehmens am Donnerstag nach Börsenschluss letztlich mit großer Mehrheit dafür gestimmt, dass der Staat mit einer 20-prozentigen Kapitalbeteiligung für rund 300 Millionen Euro als neuer Anteilseigner einsteigt. Damit verbunden ist das insgesamt neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket, das in den Wochen zuvor mühsam zwischen Frankfurt, Berlin und Brüssel ausgehandelt worden war.
Die Nachricht über die Zustimmung sei gut, da sie Unsicherheit herausnehme und einer Erholung den Weg bereite, kommentierte Analyst Daniel Roeska vom US-Analysehaus Bernstein Research. Doch die Fluggesellschaft habe angesichts ihrer Schuldenlast noch einiges vor sich, gab er zu bedenken.
Ähnlich äußerte sich auch Analyst Dirk Schlamp von der DZ Bank: Mit der Zustimmung der Aktionäre zum Staatseinstieg sei das Insolvenzrisiko zunächst beseitigt, es blieben aber große Herausforderungen. Denn seiner Meinung nach dürfte die Flugbranche erst 2023 oder 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen.
Sein Kollege Sven Diermeier vom Analysehaus Independent Research konstatierte, mit dem Staatshilfepaket hätten sich die Aktionäre für das kleinere Übel im Vergleich zu einem Schutzschirmverfahren entschieden, das wahrscheinlich einen Totalverlust bedeutet hätte.
Die Corona-Pandemie hat die Lufthansa binnen weniger Wochen von einer Vorzeige-Airline im Dax zu einer Pleitekandidatin im MDax gemacht. Weil über Monate hinweg fast alle Flüge ausfielen, der Großteil der Einnahmen ausblieb und sich das Geschäft nur sehr langsam erholen dürfte, drohte dem Konzern das Geld auszugehen.
Nachdem die Corona-Krise die Finanzmärkte im Februar voll erfasst hatte, rutschte der Kurs bis Ende April um mehr als die Hälfte auf nur noch gut 7 Euro ab. Bis Anfang Juni ging es bis auf gut 12,50 Euro wieder nach oben. Zuletzt pendelte die Aktie zwischen neun und zehn Euro. Damit war der Konzern stellenweise an der Börse gerade noch um die 4,5 Milliarden Euro wert - weniger als die Hälfte des geplanten Hilfspakets und weniger als das, was der Staat dem Konzern über neue Aktien und stille Einlagen an Eigenkapital zuschießen will.
dpa / Reuters
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