Jährliches Treffen

Staats- und Regierungschefs kommen zum G7-Gipfel nach Hiroshima - USA legen neues Sanktionspaket vor - Biden beschwört Kooperation mit Japan

18.05.23 22:15 Uhr

Staats- und Regierungschefs kommen zum G7-Gipfel nach Hiroshima - USA legen neues Sanktionspaket vor - Biden beschwört Kooperation mit Japan | finanzen.net

Vor dem jährlichen G7-Gipfel der führenden westlichen Industriestaaten treffen bereits am Donnerstag mehrere Staats- und Regierungschefs im japanischen Hiroshima ein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird dort dann von Freitag an mit seinen Kollegen aus den USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien und Italien über die Weltlage beraten.

Wichtigste Themen während der drei Gipfeltage sind der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Umgang mit der wirtschaftlichen und militärischen Großmacht China.

Dass die japanischen Gastgeber Hiroshima als Veranstaltungsort gewählt haben, ist ein starkes Symbol für einen Gipfel in Kriegszeiten. Am 6. August 1945 hatte eine Atombombe der USA die Großstadt zu 80 Prozent zerstört. Mehr als 70 000 Menschen starben sofort, bis Ende 1945 belief sich die Zahl der Todesopfer bereits auf 140 000. Zehntausende weitere starben an den Spätfolgen der radioaktiven Verstrahlung. Geplant ist vor diesem Hintergrund eine Gipfelerklärung zur nuklearen Abrüstung.

USA legen bei G7-Gipfel neues Sanktionspaket zu Russland vor

Die USA haben als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein neues Paket an Sanktionen angekündigt. Geplant sei unter anderem, etwa 70 Unternehmen und Organisationen aus Russland und anderen Ländern von US-Exporten abzuschneiden, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter kurz vor dem offiziellen Start des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima. Außerdem sollen mehr als 300 Einzelpersonen, Unternehmen und Organisationen, Schiffe und Flugzeuge mit anderen Strafmaßnahmen belegt werden.

Russlands Krieg gegen die Ukraine gehört zu den Hauptthemen des Treffens der sieben führenden demokratischen Industrienationen, das an diesem Freitag offiziell beginnt. Der Westen hatte als Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine in den vergangenen Monaten bereits beispiellose Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt, unter anderem weitreichende Handelsbeschränkungen. Die G7-Staaten wollen in Hiroshima unter anderem darüber beraten, wie sie die Durchsetzung bestehender Sanktionen verbessern und deren Umgehung verhindern können.

Der US-Regierungsvertreter sagte, alle G7-Staaten bereiteten zugleich neue Sanktionen und Ausfuhrkontrollen vor. Zu den Plänen der Partner wolle er sich nicht im Detail äußern. "Aber die Vereinigten Staaten werden ein umfangreiches eigenes Maßnahmenpaket auf den Weg bringen." Ziel sei es, den wirtschaftlichen Druck auf Russland zu erhöhen und es noch schwerer zu machen, seine Kriegsmaschinerie zu unterhalten.

Geplant sei, den Zugang zu Gütern weiter zu erschweren, die auf dem Schlachtfeld wichtig seien, sagte der ranghohe US-Regierungsmitarbeiter. Etwa 70 Unternehmen und Organisationen aus Russland und Drittländern sollten auf eine Schwarze Liste gesetzt werden, um sie von US-Exporten abzuschneiden. Darüber hinaus seien mehr als 300 neue Sanktionen gegen Unternehmen und Organisationen, Einzelpersonen, Schiffe und Flugzeuge vorgesehen, um die Umgehung von Strafmaßnahmen zu unterbinden. Es gehe etwa um finanzielle und anderweitige Unterstützer Russlands. Die Sanktionen träfen Ziele in Europa, dem Nahen Osten und Asien.

Außerdem sollten Sanktionsbefugnisse auf den digitalen Sektor der russischen Wirtschaft ausgeweitet werden. Konkrete Einzelheiten zu dem neuen US-Sanktionspaket und den Betroffenen sollten folgen.

Zur Ukraine soll es bei dem Gipfel in Hiroshima eine separate Erklärung geben. Darin seien neue Verpflichtungen vorgesehen, um Sanktions-Schlupflöcher zu schließen und die Abhängigkeit von russischer Energie weiter zu verringern, sagte der US-Regierungsmitarbeiter weiter. Außerdem sollten die Bemühungen fortgesetzt werden, Russlands Zugang zum internationalen Finanzsystem zu beschneiden.

Zuvor war bereits bekanntgeworden, dass die G7-Gruppe den milliardenschweren Export von Rohdiamanten aus Russland einschränken will. Eine entsprechende Erklärung soll in Hiroshima beschlossen werden, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag sagten. Der Diamantenhandel ist für Russland eine nennenswerte Einkommensquelle. Der staatliche Diamantenförderer Alrosa erzielte 2021 - im letzten Jahr, in dem er seine Zahlen offenlegte - 332 Milliarden Rubel (rund 4 Milliarden Euro) Einnahmen. Russland gilt als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten.

Bislang hat die EU den Diamantenhandel nicht eingeschränkt. Als ein Grund galt bisher unter anderem der Widerstand aus Belgien. Die flämische Hafenstadt Antwerpen gilt seit dem 16. Jahrhundert als Diamantenzentrum der Welt.

Die USA, Kanada und Großbritannien dagegen hatten bereits Sanktionen gegen Alrosa verhängt. Nach Angaben des scheidenden Alrosa-Generaldirektors Sergej Iwanow hat das dem Konzern allerdings kaum geschadet. Iwanow zeigte sich jüngst optimistisch, dass auch neue Sanktionen nicht greifen würden.

Den G7 gehören neben den USA noch Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada an sowie zusätzlich Vertreter der Europäischen Union. Die Beratungen der G7-Gruppe sind von Freitag bis Sonntag angesetzt.

G7-Staaten wollen wohl Export russischer Diamanten einschränken

Die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen will den milliardenschweren Export von Rohdiamanten aus Russland einschränken. Eine entsprechende Erklärung soll beim G7-Gipfel im japanischen Hiroshima beschlossen werden, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag sagten. Russlands Krieg gegen die Ukraine gehört zu den Hauptthemen des dreitägigen Treffens, das am Freitag beginnt.

Die G7-Staaten beraten auch, wie die Umgehung bestehender Sanktionen verhindert werden kann. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist zuversichtlich, dass die G7-Staaten eine gemeinsame Linie finden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird nach Angaben der japanischen Regierung online an dem Gipfel teilnehmen, wie die Nachrichtenagentur Kyodo am Donnerstag meldete. Zuvor hatten Äußerungen aus Selenskyjs Umfeld die Möglichkeit in den Raum gestellt, der Präsident könnte persönlich nach Japan reisen.

Der G7 gehören neben Japan und Deutschland die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada sowie die Europäische Union an.

Russland gilt als weltgrößter Produzent von Rohdiamanten

Bei den neuen Plänen geht es nach Angaben aus G7-Kreisen darum, die Einnahmen Russlands aus dem Verkauf von Rohdiamanten abgestimmt zu reduzieren. Dazu soll sichergestellt werden, dass über Länder wie Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehandelte Edelsteine auch nach ihrem Weiterverkauf noch als russische Diamanten erkennbar sind. In der EU sei der Handel mit russischen Diamanten schon jetzt durch freiwillige Selbstverpflichtungen um etwa 80 Prozent zurückgegangen, hieß es.

Der Diamantenhandel ist für Russland eine nennenswerte Einkommensquelle. 2021, im letzten Jahr, in dem der staatliche Diamantenförderer Alrosa seine Zahlen offenlegte, erzielte das Unternehmen 332 Milliarden Rubel (rund 4 Milliarden Euro) Einnahmen. Russland gilt als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten.

Bislang hat die EU den Handel allerdings nicht eingeschränkt. Als ein Grund galt bisher unter anderem der Widerstand aus Belgien. Die flämische Hafenstadt Antwerpen gilt seit dem 16. Jahrhundert als Diamantenzentrum der Welt.

Die USA, Kanada und Großbritannien hatten Sanktionen gegen Alrosa verhängt. Nach Angaben des scheidenden Alrosa-Generaldirektors Sergej Iwanow hat das dem Konzern kaum geschadet. Iwanow zeigte sich jüngst optimistisch, dass neue Sanktionen nicht greifen.

Schlupflöcher bei Handelssanktionen schließen

In der geplanten gemeinsamen G7-Erklärung soll es um die Umgehung bereits bestehender Handelsbeschränkungen gehen, die seit dem Angriff auf die Ukraine gegen Russland verhängt wurden.

Ziel ist es nach Angaben von Bundeskanzler Scholz, das Sanktionsregime so weiterzuentwickeln, dass eine Umgehung nicht möglich sei. "Ich gehe davon aus, dass wir uns in all den Fragen sehr gut zusammenfinden können", sagte er am Donnerstag nach seiner Ankunft in Hiroshima.

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sprach davon, Umgehungsnetzwerke auszuschalten und Schlupflöcher zu schließen. Er stellte im Zusammenhang mit der geplanten G7-Erklärung ein neues Sanktionspaket der USA in Aussicht.

Unter anderem wird chinesischen Unternehmen vorgeworfen, Güter aus der EU weiter nach Russland zu liefern, die zur Kriegsführung genutzt werden könnten. Die EU-Kommission hatte jüngst vorgeschlagen, die rechtliche Möglichkeit zu schaffen, ausgewählte Exporte von militärisch nutzbaren Gütern in bestimmte Drittstaaten einzuschränken.

Nach Angaben von Diplomaten wird der Vorstoß allerdings bei weitem nicht von allen EU-Staaten uneingeschränkt positiv bewertet. Als Gefahr gilt demnach, dass Mitgliedstaaten wegen möglicher Vergeltungsmaßnahmen am Ende nicht den Mut oder den Willen haben könnten, Länder wie China auf eine solche Liste zu setzen. Für Deutschland war China in den vergangenen sieben Jahren der wichtigste Handelspartner.

Komplettes Exportverbot nach Russland wird nicht erwartet

Als derzeit nicht konsensfähig gilt der Vorschlag, Ausfuhren nach Russland grundsätzlich zu untersagen und Ausnahmen nur für sorgfältig ausgewählte Produkte möglich zu machen. Sullivan sagte, er rechne nicht mit einem solchen Exportverbot.

Bislang wurden in Reaktion auf Russlands Angriffskrieg nur für ausgewählte Produkte Ausfuhrverbote erlassen. Dazu gehören in der EU beispielsweise Flugzeuge, Luxusgüter und bestimmte Computerchips.

G7 sprechen auch über China, Klima und Atomwaffen

Auf der Tagesordnung des Gipfels stehen auch die Weltwirtschaft, der Klimaschutz und der Umgang mit dem Machtstreben Chinas. Um die Zusammenarbeit mit dem globalen Süden zu stärken, hat Gastgeber Japan Partner wie Indien, Brasilien und Indonesien eingeladen.

Kanzler Scholz erwartet zudem ein klares Signal gegen den Einsatz von Atomwaffen. "Die nukleare Katastrophe, die hier erlebt worden ist, ist eine Mahnung an uns alle, dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass es niemals zum Einsatz von Atomwaffen kommt", sagte er. Hiroshima war 1945 beim ersten Atombombenabwurf der Geschichte weitgehend zerstört worden.

US-Präsident Joe Biden hat vor dem Start des G7-Gipfels in Hiroshima die Partnerschaft mit dem diesjährigen Gastgeber Japan beschworen. "Wenn unsere Länder zusammenstehen, sind wir stärker. Und ich glaube, dass die ganze Welt sicherer ist, wenn wir das tun", sagte Biden am Donnerstag bei einem bilateralen Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida in Hiroshima.

Die USA und Japan stünden für gemeinsame Werte ein, dazu gehöre die Unterstützung der Ukraine bei der Verteidigung ihres Landes gegen den Angreifer Russland. Die USA und Japan setzten sich ein für die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen und für einen freien und offenen Indopazifik. Außerdem hätten beide Seiten ihre Kooperation bei neuen Technologien vertieft.

In Hiroshima halten die sieben führenden demokratischen Industriestaaten von Freitag bis Sonntag ihren diesjährigen Gipfel ab. Zur G7-Gruppe gehören neben den USA und Japan auch Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada sowie zusätzlich Vertreter der Europäischen Union.

Neben dem Ukraine-Krieg und Problemen der Weltwirtschaft geht es bei dem Gipfel auch um das Verhältnis des Westens zu China./jac/DP/jha

Selenskyj-Teilnahme möglich

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj könnte einem Medienbericht zufolge zum G7-Gipfeltreffen in Hiroshima nach Japan reisen. Ein Treffen vor Ort mit den Staats- und Regierungschefs der sieben demokratischen Wirtschaftsmächte hänge von der militärischen Lage ab, zitierte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Donnerstag Ihor Schowkwa, der für Außenpolitik zuständige Vizechef im Präsidentenbüro.

Selenskyj werde "die Situation auf dem Schlachtfeld sorgfältig beobachten und dann eine endgültige Entscheidung treffen", sagte Schowkwa Kyodo am Vortag in Kiew.

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida hatte bei einem Besuch in der Ukraine Selenskyj eingeladen, online an dem am Freitag beginnenden G7-Gipfel teilzunehmen. Japan hat derzeit den G7-Vorsitz. Der ukrainische Präsident messe dem Treffen große Bedeutung bei, berichtete Kyodo.

Ein Sprecher des japanischen Außenministerium in Hiroshima konnte einen möglichen persönlichen Besuch Selenskyjs nicht bestätigen.

Appelle an G7: Mehr Anstrengungen im Kampf gegen Armut und Hunger

Entwicklungsorganisationen haben von der Gruppe führender demokratischer Industrieländer (G7) mehr Anstrengungen im Kampf gegen Armut und Hunger gefordert. "Corona-Pandemie, Hungersnöte, die Folgen der Klimakrise - immer, wenn es darauf ankam, war die Unterstützung der G7 für ärmere Länder bestenfalls halbherzig", sagte Stephan Exo-Kreischer von der Organisation One am Donnerstag vor dem G7-Gipfel. Das dreitägige Spitzentreffen im japanischen Hiroshima beginnt am Freitag.

"Auch heute wird insbesondere Afrika in den multiplen globalen Krisen wieder im Stich gelassen", beklagte Exo-Kreischer. "Kein Wunder, dass sich immer mehr afrikanische Länder vom Westen abwenden." Die G7 müssten verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Er rief konkret zu Schuldenerleichterungen auf. Aktuell stünden mehr als 20 afrikanische Länder kurz vor der Staatspleite.

Auch sollten die G7-Staaten ihr Gewicht für eine Reform der Weltbank einsetzen, damit diese ihrem Kernmandat, der Bekämpfung von Armut, wieder gerecht werden könne. Es lägen gute Vorschläge auf dem Tisch. Würden diese alle umgesetzt, hätte die Weltbank deutlich mehr Mittel zur Verfügung, die sie in Klimaschutz, Armutsbekämpfung, Gesundheit, Bildung und die Schaffung von Arbeitsplätzen investieren könne.

Die Debatte über Ernährungssicherheit auf dem G7-Gipfel könne nicht von der Reform des globalen Finanzsystems getrennt werden, sagte Friederike Röder von Global Citizen. Angespannte finanzielle Spielräume in den ärmeren Staaten verhinderten angemessene Antworten auf die Ernährungskrise. Dutzende Länder drohten ihre Fähigkeit zu verlieren, mit den aufkeimenden Krisen umzugehen, da sie auf absehbare Zeit mit höheren Kosten für Importe und Schuldenrückzahlungen zugleich konfrontiert seien.

HIROSHIMA (dpa-AFX)

Bildquellen: Thomas Trutschel/Photothek via Getty Images