IWF senkt BIP-Prognosen und sieht Abwärtsrisiken

22.04.25 14:59 Uhr

Von Hans Bentzien

DOW JONES--Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognosen für das weltweite Wirtschaftswachstum im laufenden und kommenden Jahr wegen den von den USA verhängten beziehungsweise angedrohten Einfuhrzöllen gesenkt, zugleich aber auf die Unsicherheit dieser Prognosen verwiesen. Die am 2. April eingeführten, nahezu flächendeckenden US-Zölle und die von anderen Ländern ergriffenen Gegenmaßnahmen hätten zu effektiven Zollsätzen geführt, die seit einem Jahrhundert nicht mehr erreicht worden seien, schreibt der IWF in seinem aktuellen Weltwirtschaftsausblick.

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"Dies allein stellt einen erheblichen negativen Schock für das Wachstum dar. Die Unberechenbarkeit, mit der diese Maßnahmen ablaufen, hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit und die Aussichten." Gleichzeitig mache es die Unsicherheit schwerer denn je, Annahmen zu treffen, die die Grundlage für ein konsistentes und zeitnahes Prognose-Set bilden würden. "Angesichts der Komplexität und Dynamik der aktuellen Situation präsentiert dieser Bericht anstelle der üblichen Basisprognose eine 'Referenzprognose', die auf Informationen basiert, die bis zum 4. April 2025 verfügbar waren (einschließlich der Zölle vom 2. April und der ersten Reaktionen)." erläutert der IWF.

Dies vorausgeschickt, wird folgendes prognostiziert: Die Weltwirtschaft dürfte laut "Referenzprognose" 2025 um 2,8 (Januar-Prognose: 3,3) Prozent wachsen und 2026 um 3,0 (3,3) Prozent. Die deutlichsten Wachstumseinbußen erleidet im aktuellen Handelskrieg ausnahmsweise nicht Deutschland - am stärksten betroffen sind einige Schwellenländer und die USA selbst. So senkte der IWF seine US-Wachstumsprognosen auf 1,4 (1,9) bzw 1,5 (1,8) Prozent.

Chinas Wirtschaft wird demnach nur noch um 4,0 (4,6) bzw 4,0 (4,5) Prozent wachsen, Japans um 0,6 (1,1) bzw 0,6 (0,8) Prozent und Indiens um 6,2 (6,5) bzw 6,3 (6,5) Prozent. Am härtesten trifft es Mexiko mit Wachstumsprognosen von nur noch minus 0,3 (plus 1,4) Prozent für 2025 und plus 1,4 (plus 2,0) Prozent für 2026. Kanada, ein weiteres hart von Zöllen getroffenes Nachbarland der USA, wird demnach noch um 1,4 (2,0) bzw 1,6 (2,0) Prozent wachsen.

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Das Volumen des Welthandels wird laut der IWF-Prognose um 1,7 (3,2) bzw 2,5 (3,3) Prozent zunehmen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die exportorientierten Volkswirtschaften des Euroraums. Für den Euroraum selbst erwartet der IWF Wachstumsraten von 0,8 (1,0) bzw 1,2 (1,4) Prozent. Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird demnach 2025 nur stagnieren (plus 0,3 Prozent) und 2026 um 0,9 (1,1) Prozent steigen.

Für Frankreich und Italien werden BIP-Anstiege von 0,6 (0,8) bzw 1,0 (1,1) sowie 0,4 (0,7) bzw 0,8 (0,9) Prozent prognostiziert. Alleine Spanien entzieht sich dem negativen Trend mit Wachstumsprognosen von 2,5 (2,3) bzw 1,8 (1,8) Prozent.

Der IWF sieht das Risiko, dass sich die Weltwirtschaft noch deutlicher als hier prognostiziert abschwächen wird. "Zunehmende Abwärtsrisiken dominieren die Aussichten", warnt er. Die Eskalation eines Handelskriegs, verbunden mit einer noch größeren Unsicherheit in der Handelspolitik, könnte das kurz- und langfristige Wachstum nach seiner Einschätzung weiter reduzieren. Zugleich hätten die Staaten nicht mehr so viele Ressourcen, um auf neue Schocks zu reagieren.

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"Divergente und sich schnell ändernde politische Positionen oder eine sich verschlechternde Stimmung könnten zusätzliche Neubewertungen von Assets auslösen, die über das hinausgehen, was nach der Ankündigung umfassender US-Zölle am 2. April und den starken Anpassungen der Wechselkurse und Kapitalströme stattgefunden hat, insbesondere für Volkswirtschaften, die bereits unter Schuldennot leiden", gibt der IWF zu bedenken.

In einem Alternativszenario, dass auf den per 14. April geltenden Zöllen beruht (starke Eskalation zwischen USA und China, aber Suspendierung reziproker Zölle für andere Länder für 90 Tage) kommt das vom IWF verwendete Modell zu Wachstumsprognosen von 2,8 bzw 2,9 Prozent. Das Ergebnis unterscheidet sich kaum von dem des Referenzszenarios, führt aber zu einer anderen Lastenverteilung: Die USA und China müssen stärkere Wachstumseinbußen hinnehmen.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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April 22, 2025 09:00 ET (13:00 GMT)