Nestlé-Präsident: "Natürlich lässt mich dies nicht kalt"
Peter Brabeck-Letmathe, der Präsident des Schweizer Nahrungsmittelgiganten Nestlé, äußert sich im Interview über die Milliardenpläne des Konzerns im Gesundheitswesen, die Probleme in Asien und seine persönliche Zukunft.
Werte in diesem Artikel
von Stefan Barmettler
Nestlé ist eines der Vorzeigeunternehmen der Schweiz. Seit Jahrzehnten liefert der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern stabile Resultate - bei Umsatz, Rendite, Dividende und Aktienkurs. Entscheidend mitgewirkt am Aufstieg des Konzerns hat der heutige Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck-Letmathe. Der 70-Jährige erklärt, wie Nestlés Erfolg langfristig ausgebaut werden soll.
Sie sind seit fast 50 Jahren bei Nestlé, davon 20 Jahre an vorderster Front. Im Rückblick: Was war die wichtigste Entscheidung?
Peter Brabeck-Letmathe: Die Entscheidung von Nestlé, mich zu behalten (lacht).
So bescheiden?
Und meine Entscheidung, bei der Firma zu bleiben. Die Firmentreue bei uns ist sehr hoch, sie liegt bei über 20 Jahren. Im Topmanagement gibt’s einige Leute, die seit 30, 40 Jahren dabei sind.
Ihr Vorgänger als CEO und Verwaltungsratspräsident, Helmut Maucher, steht für die Internationalisierung. Wofür steht Peter Brabeck-Letmathe?
Mir sind drei Dinge wichtig: Intern war es die Einführung des GLOBE System, das für Global Business Excellence steht. Damit lässt sich eine komplexe Firma sehr effizient führen. Strategisch sind es zwei Entscheidungen: Die Umwandlung eines Lebensmittelbetriebs in eine Nutrition, Health und Wellness Company. Und die Kreierung einer neuen Industrie, die sich zwischen Food und Pharma ansiedelt. Da rede ich von Nestlé Health Science und Nestlé Skin Health.
Wie sind Sie auf Gesundheit und Wissenschaft gekommen? Weil Sie lange beim Pharmakonzern Roche im Verwaltungsrat saßen?
Diese Arbeit hat mir die Welt der Pharma eröffnet, aber auf die Idee kam ich von der Lebensmittelseite her. Bis in die 90er stieg die Lebenserwartung mit wachsendem Kalorienkonsum. Dann gab es eine Trendwende: Mehr Kalorien führten eher zum Sinken der Lebenserwartung. Das brachte uns zum Nachdenken.
Also gesünder essen?
Es ging darum, weniger Kalorien einzunehmen - und besser, gesünder zu essen. Damit war die Strategie Nutrition, Health und Wellness als grobe Richtung gegeben. Diese Neuorientierung führte uns näher an die Pharmabranche, wo die Regeln komplett anders sind als in der Nahrungsmittelindustrie.
Beide verkaufen an eine Zielgruppe.
Es gibt einen gravierenden Unterschied: In der Nahrungsmittelindustrie ist der individuelle Konsument entscheidend. Er kauft eine Schokolade oder er kauft sie nicht. In der Pharmaindustrie spielt der Konsument keine Rolle. Da ist - zugespitzt - das Molekül entscheidend. Wirkt ein Medikament oder wirkt es nicht? Dahinter stehen zwei unterschiedliche Ansätze. Ich denke, dass uns die Kombination von beiden besser gelingt als einer Pharmafirma, weil wir schon immer auf den Konsumenten fokussiert waren.
Sie haben das Geschäftsmodell kreiert, wonach Nestlé jedes Jahr um fünf bis sechs Prozent wachsen soll. Ist es nicht an der Zeit, dieses Wachstumsmodell zu revidieren?
Wir haben nichts zu revidieren. Ich stellte dieses Modell 1996 auf und habe es für drei Jahre proklamiert. Nun halten wir seit bald 20 Jahren daran fest. Es ist auch in Zukunft Teil unseres Geschäftsmodells.
In den letzten beiden Jahren wurde die Fünf-Prozent-Marke verfehlt.
Die fünf bis sechs Prozent sind ein Durchschnittswert und diesen haben wir weit übertroffen. Wir liegen im Schnitt bei über sechs Prozent pro Jahr. Klar gibt es Jahre, da liegt man vielleicht bei 4,5 oder 4,6 Prozent, dann gibt es Jahre mit sieben oder acht Prozent.
Ist Wachstum nicht eindimensional?
Wir haben uns gleichzeitig vorgenommen, die Rentabilität permanent zu steigern. In der Tat haben wir die operative Marge in den letzten zehn Jahren von um die zehn Prozent auf heute um die 16 Prozent erhöht. Ich betone: Wir haben uns jedes Jahr um mindestens zehn oder 20 oder 30 Basispunkte verbessert. Das ist der Grund, weshalb wir die Firma von rund 80 Milliarden Franken Marktkapitalisierung vor zehn Jahren auf heute 220 Milliarden brachten.
Schaffen Sie mit Ihrem Unternehmen in diesem Jahr die Fünf-Prozent-Vorgabe?
Das ist nicht meine Herausforderung, sondern jene des Managements. Nach dem ersten Quartal
hat der CEO den Ausblick auf das Gesamtjahr bestätigt, darunter ein organisches Wachstum von rund fünf Prozent. Für mich ist etwas anderes ebenso wichtig: Unsere Branche wächst weltweit mit 2,4 Prozent, da müssen wir weit darüberliegen.
Und was hat der Aktionär davon?
Unser Total Shareholder Return liegt über die letzten 20 Jahre bei 12,6 Prozent - pro Jahr, in Schweizer Franken. Damals lag der Euro übrigens noch bei 1,86 Franken, mittlerweile ist er fast auf Parität.
Sie setzen künftig auf Health Science und Skin Health. Was sind Ihre Ambitionen dabei?
Skin Health haben wir letztes Jahr kreiert, nachdem wir die übrigen 50 Prozent der Dermatologiefirma Galderma von L’Oréal kaufen konnten. Das war ein wichtiger Befreiungsschlag für uns. Die Haut ist das größte Organ des Menschen, ihr Zustand oder Aussehen hängt sehr stark vom Essen ab. Das heißt, Dermatologie und Nutrition stehen sich sehr nahe. Mit Galderma haben wir die Basis von Nestlé Skin Health gelegt. Nun bauen wir den neuen Konzernzweig aus, mit eigenem Management und eigenem Verwaltungsrat.
Weshalb entwickeln Sie
diese Projekte außerhalb des
Konzerns?
Wenn man etwas Neues dynamisch entwickeln will, darf es nicht unter die große Walze kommen. Deshalb hab ich Nespresso von Anfang an aus dem angestammten Geschäft rausgenommen und nicht in Vevey, sondern in Lausanne angesiedelt. Ich hab’s gleichsam versteckt vor jenen Leuten, die ihre Nase rümpften und lästerten, das werde nie ein Geschäft und mache bloß unseren Nescafé kaputt (lacht). So ähnlich ist es mit diesen zwei Firmen Nestlé Health Science und Nestlé Skin Health. Sie sollen als eigenständige Institutionen abheben.
Sie haben den China-Markt entwickelt, nun schwächelt Nestlé in Asien. Wie gravierend sind
die Probleme?
Von gravierend rede ich nicht. Wir haben Geschäfte, die zweistellig wachsen. Es ist hingegen schade, dass wir in gewissen Bereichen geschlafen haben. Wir haben nicht gesehen, dass bei den Konsumenten ein Generationenwechsel stattfand. Die erste Generation strebte dem westlichen Modell nach, die heutige Jugend aber will nicht das Wochenende in einer Mall verbringen. Die nächste Generation kauft im Internet ein. Der E-Commerce wächst in China rasant. Wenn man nicht dabei ist, verliert man Geschäft.
Sind Sie dabei?
Jetzt sind wir dabei, allerdings erst seit Kurzem. Da haben wir nicht schnell genug reagiert. Dies gilt aber nicht nur für uns, sondern für alle Konsumgüterfirmen.
Hotspot Indien: Da steht Nestlé am Pranger, weil man kontaminierte Nudeln verkauft haben soll. Gefunden wurde nichts.
Dieser Fall ist nicht harmlos und nicht zu unterschätzen. Ich will darüber nicht viel sagen, weil wir in einem Rechtsfall stehen. Die Entscheidung des Gerichts ist ausstehend. Wir warten seit Wochen darauf, doch wir werden immer wieder vertröstet.
Erste Meldungen über angeblich schlechte Nudeln tauchten vor Monaten auf. Hätte Nestlé nicht schneller reagieren sollen?
Wenn man als guter Schweizer überzeugt ist, dass seine Produkte einwandfrei sind, kein Konsument gefährdet ist und die Anfeindungen nicht den Tatsachen entsprechen, hat man die Tendenz zu sagen: Die Behörden werden es auch so sehen wie wir - und das Problem ist vom Tisch.
Abwarten, bis ein Shitstorm losgeht?
Wir haben nicht nichts getan. Wir haben die Produkte in den Labors untersuchen lassen. Unser Vertrauen war: Wenn wir unsere Resultate offenlegen und kommunizieren, ist das Thema schnell erledigt. Leider war die Realität eine andere.
Indien schießt regelmäßig auf Westfirmen, auch Roche, Coca-Cola und andere wurden von der Politik genötigt.
Der Fall barg am Anfang ein beträchtliches Risiko für uns. Wenn die Produkte, wie behauptet, gefährlich für die Konsumenten gewesen wären, hätte das uns nicht nur in Indien, sondern auf der ganzen Welt einen riesigen Schaden zugefügt. Für eine Konsumgüterfirma gibt es nichts Wichtigeres als das Vertrauen der Konsumenten in die Qualität und die Sicherheit der Produkte.
Diese Gefahr besteht noch?
Nein, diese Gefahr steht nicht mehr im Vordergrund. In Labors in den USA, in Großbritannien, in Australien und in Singapur wurde nichts Schädliches in den Nudeln gefunden. Mit anderen Worten, unsere Produkte sind sicher für die Konsumenten. Dieses Resultat war für mich als Nahrungsmittelhersteller das wichtigste.
Und der materielle Schaden?
Wir wurden von den indischen Behörden gezwungen, unsere Produkte zu verbrennen. Wir reden hier von 29.000 Tonnen, jedes Produkt wiegt 50 Gramm. Da reden wir von riesigen Mengen. Ein unglaublicher Vorgang: Da wandern fast 30.000 Tonnen von qualitativ einwandfreien Nahrungsmitteln in die Zementöfen - und daneben gibt’s Leute, die kaum etwas zu essen haben und sogar an Hunger sterben. Natürlich lässt mich dies nicht kalt.
Sie treten auf der Generalversammlung 2017 offiziell aus dem Verwaltungsrat von Nestlé aus. Kein Rückkommensantrag?
Nein. Wir haben bei Nestlé die Regel aufgestellt, spätestens mit 72 Jahren habe ein Verwaltungsrat in Pension zu gehen. Daran halte ich mich. Bei mir läuft die Zeit bei Nestlé 2017 definitiv ab. Ich werde auch bei den Tochterfirmen, bei Nestlé Skin Health und Nestlé Health Sciences, zurücktreten, auch meine Mandate bei L’Oréal und Exxon gebe ich auf.
Anschließend wollen Sie sich
der Fliegerei und der Kaviarzucht widmen?
Richtig, ich hab ja einen PC-24 bestellt, der wird im Jahr 2017 ausgeliefert. Mit der Kaviarzucht geht’s schon viel früher los. Bei der Firma Kasperskian in Leuk, wo ich einer der wichtigsten Aktionäre bin, gibt’s bereits diesen Herbst den ersten Kaviar.
Das Interview wurde von der "Handelszeitung" (Schweiz) geführt.
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Nestlé, Taina Sohlman / Shutterstock.com
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20.11.2024 | Nestlé Neutral | UBS AG | |
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