In Kriegsbereitschaft

Hamas mit massiven Angriffen auf Israel - Netanjahu: 'Wir sind im Krieg'

09.10.23 05:52 Uhr

Hamas mit massiven Angriffen auf Israel - Netanjahu: 'Wir sind im Krieg' | finanzen.net

Die islamistische Hamas hat vom Gazastreifen aus Israel massiv aus der Luft, am Boden und von See aus angegriffen.

Die islamistische Hamas hat vom Gazastreifen aus Israel massiv aus der Luft, am Boden und von See aus angegriffen. "Bürger Israels, wir sind im Krieg", teilte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag aus dem Militärhauptquartier mit. Offiziell wurde das Land in Kriegsbereitschaft versetzt. Als eine Reaktion auf den Angriff mit 2220 Raketen bombardierten israelische Kampfflugzeuge den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen am Mittelmeer, wie ein Armeesprecher bestätigte.

In Israel wurden Berichten zufolge mindestens 22 Menschen getötet und mindestens 70 schwer verletzt. Medien beriefen sich dabei auf den Rettungsdienst Magen David Adom. In weiteren Berichten hieß es unter Berufung auf mehrere Krankenhäuser, dass rund 200 Menschen verletzt worden seien.

Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas sprach von einer "Militäroperation" gegen Israel. Militärchef Mohammed Deif sagte in einer Botschaft, man habe beschlossen, israelischen Verbrechen - wie er es nannte - ein Ende zu setzen.

"Die Hamas hat heute Morgen einen schweren Fehler begangen und einen Krieg gegen den Staat Israel begonnen", entgegnete der israelische Verteidigungsminister Joav Galant. Israelische Soldaten kämpften "an allen Stellen, an denen eingedrungen wurde".

Er rief die Bürger dazu auf, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten und sagte: "Israel wird diesen Krieg gewinnen." Die israelische Armee nannte ihre Verteidigungsaktion "Iron Swords" (Eiserne Schwerter). Die Kriegsbereitschaft ermöglicht es der Armee beispielsweise Reservisten zu mobilisieren.

Wegen der Raketenangriffe heulten in verschiedenen Städten Israels die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte. Auch in Tel Aviv und Jerusalem war Raketenalarm zu hören. Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, in geschützten Bereichen zu bleiben. Israel feiert gerade das jüdische Fest Simchat Tora (Freude der Tora). Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte im Verlauf des Tages Sicherheitsberatungen mit Vertretern des Verteidigungsministeriums und der Armee abhalten.

Die militanten Palästinenser seien über Land, See und Luft nach Israel eingedrungen, sagte der Armeesprecher Richard Hecht. Es gebe momentan Kämpfe mit israelischen Soldaten an verschiedenen Orten im Umkreis des Gazastreifens. Dazu zählten zwei Militärbasen, der Eres-Übergang zum Gazastreifen sowie mehrere Ortschaften. Es gebe Opfer auf israelischer Seite, man könne aber noch keine Zahlen nennen. Israelische Medien berichteten von Geiselnahmen, dafür gab es zunächst keine offizielle Bestätigung.

Wie genau die militanten Palästinenser trotz strenger Grenzkontrollen nach Israel vordringen konnten, war zunächst unklar. Hecht sagte, es seien unter anderem Gleitflieger eingesetzt worden. Die Zahl der Angreifer konnte er nicht benennen. "Es waren nicht ein oder zwei."

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilten den Angriff.

Die augenscheinlich länger vorbereiteten Attacken aus dem Gazastreifen kamen für Israel unerwartet. Im besetzten Westjordanland hatte sich die Lage allerdings zuletzt wieder zugespitzt. Seit Donnerstag waren dort vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der Armee getötet worden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

An der Gaza-Grenze war es im vergangenen Monat mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Posten der im Gazastreifen herrschenden militanten Palästinenserorganisation Hamas an.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UN-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

700 Tote in Israel nach Großangriffen aus Gaza

Nach dem Großangriff der islamistischen Hamas aus dem Gazastreifen ist die Zahl der Toten in Israel auf mindestens 700 gestiegen. Dies berichteten mehrere israelische Medien am Sonntag unter Berufung auf medizinische Kreise. Nach jüngsten Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 2243 Menschen verletzt.

Netanjahu: Werden Rache nehmen - Hamas: Der Iran hilft uns

Als Antwort auf den blutigen Überfall der Hamas mit Hunderten Toten hat Israel den Kriegszustand erklärt. "Der Krieg, der Israel durch eine mörderische Terrorattacke aus dem Gazastreifen aufgezwungen wurde, hat am 7. Oktober 2023 um 06.00 Uhr begonnen", teilte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag mit. Der Kriegszustand erlaube "weitreichende militärische Schritte".

Die islamistische Hamas hatte am Vortag von Gaza aus den Großangriff begonnen. Nach übereinstimmenden israelischen Medienberichten vom Sonntagabend starben dabei auf israelischer Seite mindestens 700 Menschen.

Der Angriff traf Israel am jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) vollkommen überraschend. Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Palästinenserorganisation feuerte mehr als 3000 Raketen ab. Bewaffnete drangen über Land, See und Luft nach Israel vor.

Israel von Angriff vollkommen überrascht

Unklar war, warum Israel so überrascht wurde. Zahlreiche Einwohner der attackierten Ortschaften berichteten, sie hätten stundenlang vergeblich auf Hilfe von Sicherheitskräften gewartet. Am Sonntag gelang es der israelischen Armee nach Medienberichten, viele Orte wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei wurden immer wieder weitere Leichen getöteter Bewohner gefunden.

Nach Angaben des israelischen Militärs vom Sonntagabend waren noch immer palästinensische Angreifer im Land. Ein Teil der Eindringlinge sei getötet worden, ein Teil sei jedoch noch vor Ort, sagte ein Sprecher.

Über 100 Menschen von der Hamas verschleppt

Bei ihrem Großangriff tötete die Hamas nicht nur Hunderte Israelis, sondern verschleppte nach offiziellen israelischen Angaben auch mehr als 100 Menschen in den Gazastreifen. In Medienberichten war sogar von bis zu 170 Entführten die Rede. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich darunter auch deutsche Staatsangehörige befinden. Das Auswärtige Amt in Berlin geht davon aus, dass es sich um Menschen handelt, die alle neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit haben.

Hunderte Tote bei Gegenangriff im Gazastreifen

Israel führte als Reaktion auf den Angriff auch am Sonntag weiter Angriffe auf Ziele der Hamas im Gazastreifen durch. Durch die Luftangriffe seien im Gazastreifen insgesamt 370 Menschen getötet und 2200 verletzt worden, teilte das dortige Gesundheitsministerium am Sonntagnachmittag mit. Die Hamas nutzt nach Angaben des israelischen Militärs häufig zivile Gebäude für ihre Stellungen. Israel tötete bei seinen Angriffen im Gazastreifen ein ranghohes Hamas-Mitglied. Der Zivilschutz im Gazastreifen bestätigte, die Leiche von Aiman Junis sei am Sonntag aus den Trümmern eines Gebäudes im Flüchtlingslager Nuseirat geborgen worden.

Scholz sagt Israel unverbrüchliche Solidarität zu

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Israel als Reaktion auf den großangelegten Angriff der islamistischen Hamas die volle Solidarität Deutschlands zugesagt. Er habe Regierungschef Netanjahu in einem Telefongespräch versichert, "dass Deutschland angesichts dieses furchtbaren Angriffs fest und unverbrüchlich an der Seite Israels steht", sagte Scholz. Das Entwicklungsministerium kündigte an, es werde sein gesamtes Engagement für die Palästinensischen Gebiete auf den Prüfstand stellen.

Der Überraschungsangriff der Hamas startete fast genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Der damalige Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag gilt als bislang schwerstes nationales Trauma.

Hamas: Der Iran unterstützt uns bei dem Angriff

Der Sprecher der Hamas, Ghazi Hamad, sagte dem Sender BBC, die Gruppe habe direkte Unterstützung vom Iran erhalten. Der Iran habe sich verpflichtet, "den palästinensischen Kämpfern bis zur Befreiung Palästinas und Jerusalems beizustehen".

Die eng mit dem Iran verbündete Schiitenorganisation Hisbollah bekundete Solidarität mit der Hamas. Die Hisbollah übernahm am Sonntag auch die Verantwortung für Raketenbeschuss aus dem Südosten Libanons auf von Israel besetzte Gebiete. Israelische Artillerie erwiderte nach Angaben eines Sprechers das Feuer.

Netanjahu: Nehmen Rache

"Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln", sagte Netanjahu in einer Ansprache. Bewohner des Gazastreifens forderte er auf: "Flieht jetzt von dort, denn wir werden überall und mit all unserer Kraft handeln". Israel werde Rache nehmen. Israel rief die Verteidigungsaktion "Iron Swords" (Eiserne Schwerter) aus und berief Reservisten ein. Ziel sei, die militärischen und politischen Kapazitäten der Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, "dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen", hieß es nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts.

Parteiübergreifende Gespräche in Israel

Netanjahu habe den beiden Oppositionsführern Jair Lapid und Benny Gantz den Eintritt in eine Notstandsregierung angeboten, teilte ein Sprecher von Netanjahus Likud-Partei mit. Lapid hatte schon Bereitschaft dazu signalisiert.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wies auf die Bedrohung jüdischen Lebens auch anderswo hin: "Die Gefährdung für jüdische Einrichtungen auch hier in Deutschland zeigt, dass es den Terroristen nicht allein um Israel geht, sondern dass jüdisches Leben überall von ihnen infrage gestellt wird." Im ägyptischen Alexandria starben am Sonntag zwei israelischen Touristen bei einem mutmaßlichen Anschlag als ein Angreifer das Feuer auf eine Reisegruppe eröffnete. /le/DP/zb

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX)

Bildquellen: Dan Josephson / Shutterstock.com, Konstantnin / Shutterstock.com