IKB Kolumne Dr. Klaus Bauknecht

Was bremst das US Wachstum?

04.10.16 10:31 Uhr

Was bremst das US Wachstum? | finanzen.net

Der US-Wirtschaft fehlt es an Wachstumsdynamik.

Selbst sieben Jahre nach der letzten Krise gibt es keine Anzeichen für eine konjunkturelle Überhitzung, die der Fed Raum für deutliche Zinsanhebungen geben könnte. Drei mögliche Ursachen dieser Entwicklung werden aktuell diskutiert: Die hohe Schuldenquote von Privatwirtschaft und Staat, die alternde Bevölkerung sowie ein im Vergleich zu den Vorkrisenjahren niedriges und jüngst sogar negatives Produktivitätswachstum. Doch wie sind diese Themen zu werten?

Produktivität ist ein bestimmender Faktor für das potenzielle Wachstum und somit für die Angebotsseite der Wirtschaft. Sinkt die Produktivität, so entsteht bei gleichbleibender Nachfrage ein Ungleichgewicht, das sich in Inflation oder einem sich ausweitenden Außenhandelsdefizit offenbart. Eine solche Entwicklung ist jedoch aktuell in den USA nicht zu erkennen. Ähnlich verhält es sich bei der zweiten möglichen Ursache: der alternden Bevölkerung. Da ältere Menschen immer noch konsumieren, auch wenn sie weniger zum BIP beitragen, bedeutet eine alternde Bevölkerung primär, dass die Angebotsseite belastet wird. Wie bei einer sinkenden Produktivität, erhöht eine alternde Bevölkerung den Inflationsdruck oder führt zu einem sich ausweitenden Handelsdefizit, ein Zustand der die US-Wachstumsdynamik ebenfalls nicht erklärt. Führt die Überalterung der Bevölkerung jedoch dazu, dass die Unsicherheit über den zukünftigen Wohlstand zunimmt, steigt die Sparquote. Der Gedanke, dass die konjunkturelle Entwicklung der letzten Jahre die Konsumlaune der USA belastet, ist ebenfalls berechtigt. Beides führt zu einer nicht ausreichenden Nachfrage, was sich in Preisdruck und Überkapazitäten offenbart, wie aktuell in der US-Wirtschaft zu erkennen ist.

Weltweit werden hohe Schuldenquoten als Ursache einer schwachen Nachfrage gesehen. Das Argument ist bekannt: Unternehmen und Konsumenten müssen sich entschulden, die Sparquote steigt, was zu einer reduzierten Nachfrage führt. Andererseits wird mit jedem Anstieg der Schulden auch ein Anstieg des Vermögens sichergestellt. Schließlich entspricht einem Anstieg in der Kreditvergabe ein gleich starker Anstieg bei den Einlagen. Das Problem ist eher, dass der vermögende Teil der Gesellschaft nicht zu einem ausreichend hohen Konsum bzw. zu Investitionen animiert werden kann, um die reduzierte Nachfrage des verschuldeten Teils der Gesellschaft zu kompensieren. Dies ist eine zentrale Herausforderung der Geldpolitik. Die Fed ist trotz ihrer Niedrigzinspolitik nicht in der Lage, Vermögende zu animieren, ihr Gespartes in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückführen, sei es durch höheren Konsum oder durch Investitionen. Die Überschuldeten erhöhen ihre Sparquote, die Vermögenden reduzieren sie nicht ausreichend.

Sinkende Zinsen sind als Lösung sicherlich nicht ausreichend, da Investitionen gemäß Keynes vor allem von "animal spirits" beeinflusst werden, die bei Unsicherheit eine größere Rolle spielen als marginale Zinssenkungen. So sind die zurückhaltende Nachfrage und das resultierende schwache Wachstum sehr wohl auf die Ineffektivität der Geldpolitik zurückzuführen. Dementsprechend geht es primär nicht um eine weitere Zunahme im Kreditvolumen, eine Entwicklung, die oft als kritisch und nicht nachhaltig angesehen wird. Es geht eher darum, das Geldvermögen zurück in den realwirtschaftlichen Kreislauf zu pumpen. Dies erweist sich allerdings als relativ schwierig, vor allem, wenn der Staat zu keiner expansiven Fiskal- und Umverteilungspolitik bereit ist und der direkte Einfluss der Geldpolitik auf Spar- und Investitionsverhalten fraglich ist. Bleiben erfolgreiche wirtschaftspolitische Maßnahmen aus, so verharren die Zinsen noch lange auf einem niedrigen Niveau, da die Fed bei ineffektiver Nachfrage keinen Handlungsspielraum für nachhaltige Zinsanhebungen hat.

Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.

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