Biotechnologie: Der neue alte Traum vom Heilen
Die Gentherapie erlebt eine beeindruckende Renaissance. Für Anleger mit Mut zum Risiko bieten sich enorme Chancen.
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von Julia Groß, Euro am Sonntag
Bubble Children nennt man sie, Seifenblasenkinder. Weil die von dem seltenen Gendefekt ADA-SCID betroffenen Mädchen und Jungen kein funktionierendes Immunsystem haben, müssen sie vor allen erdenklichen Infektionen geschützt werden und in einer möglichst sterilen Umgebung aufwachsen. Die einzige Chance auf ein normales Leben bot bislang nur eine Knochenmarktransplantation.
Das könnte sich jetzt ändern. Vergangene Woche reichte der britische Pharmariese GlaxoSmithKline bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA einen Zulassungsantrag für eine Gentherapie gegen ADA-SCID ein. Veränderungen am Erbgut der Blutstammzellen sorgen dafür, dass sich das Immunsystem der Patienten normalisiert. Sollte die EMA die Vermarktungserlaubnis erteilen, wäre das erst die zweite Zulassung einer Gentherapie weltweit und die erste überhaupt für einen großen Pharmakonzern - kurz: eine Sensation.
Es ist ein alter Wissenschaftstraum, Krankheiten heilen zu können, indem man Gene in den Körper einschleust, die die beim Patienten defekten ersetzen. Nach einer langen Durststrecke hat das Forschungsgebiet in den vergangenen zwei Jahren eine beeindruckende Renaissance erfahren. Drei Milliarden Dollar flossen nach Angaben des Verbands Alliance for Regenerative Medicine im vorigen Jahr in gen- und zelltherapeutische Firmen, 510 Prozent mehr als 2013. Erfolgreiche Börsengänge von Gentherapie-Unternehmen in den USA und eine Reihe millionenschwerer Kooperationsabschlüsse mit Pharmakonzernen belegen das neu erwachte Interesse an der Technologie.
Anlegern bescherte das Thema bislang ein Wechselbad der Gefühle: Der Kurs von Shootingstar Bluebird Bio hat sich seit dem Börsendebüt 2013 verfünffacht. Die Aktien der niederländischen Uniqure liegen seit dem IPO 2014 rund 70 Prozent im Plus, haben aber seit Anfang April gut ein Viertel ihres Werts verloren. Die der US-Firma Celladon dagegen kollabierten jüngst nach einer fehlgeschlagenen Studie von 14 auf 2,50 Dollar. Nichts für schwache Nerven. Für Anleger mit Mut zum Risiko lohnt es sich jedoch, das Geschäftsfeld genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn die Technologie hat sich in den vergangenen Jahren rasant verbessert. "Wir sehen heute Firmen mit sehr erfahrenem Management, und wir sehen sehr gute Ergebnisse. Die Daten stammen zwar meist nur von wenigen Patienten, aber sie reichen aus, um Hoffnung zu haben -und um im geringen Maßstab zu investieren", sagt Rudi van den Eynde, Manager des Candriam-Biotechnology-Fonds. In vielen Biotechportfolios finden sich deshalb Gentherapie-Aktien unter den kleineren, spekulativen Positionen.
Zur Überzeugung der Branchenexperten tragen Veröffentlichungen wie die von Bluebird Bio aus Boston bei. Die Firma hat vier Kinder mit der seltenen Erberkrankung Adrenoleukodystrophie behandelt. Ihr rapider geistiger und motorischer Verfall wurde durch eine einzige Behandlung gestoppt. Vier Beta-Thalassämie-Patienten, die auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen waren, sind nach einer einzigen Behandlung transfusionsfrei. Spark Therapeutics hat bei sehgeschädigten Kindern ein Gen in der Retina eingeschleust, worauf diese von der Blinden- in eine normale Schule wechseln konnten.
Beginn einer Wachstumsphase
Das Feld ist keineswegs mehr auf extrem seltene Erbkrankheiten beschränkt. Hämophilie, die Bluterkrankheit, soll nach Ansicht vieler Experten binnen der nächsten zehn Jahre per Gentherapie zu behandeln sein. Das gentechnische "Scharfmachen" von Immunzellen auf Krebsgeschwüre, die sogenannte CAR-T-Technologie, sorgt in der Onkologie für Furore. Die kalifornische Firma Sangamo versucht, im Körper das Eingangstor für den Aidserreger HIV zu manipulieren. Und Uniqure entwickelt eine Gentherapie für Patienten mit Herzversagen. In Experimenten an Schweinen, deren Herz von allen Tieren dem menschlichen am ähnlichsten ist, lebten 90 Prozent der damit behandelten Tiere noch ein Jahr nach einem Herzinfarkt. Von den unbehandelten Tieren waren nach einem Jahr 90 Prozent gestorben."Die Branche hat - auch aus den Fehlschlägen - unheimlich viel gelernt. Wir haben für die heutige Technologie, die vor allem auf AAV-Viren beruht, jetzt eine solide Datengrundlage und befinden uns damit am Anfang einer Wachstumsphase", erklärt Uniqure-Chef Jörn Aldag. Dort möchte die Firma, durch eine auf sieben Jahre angelegte, bis zu zwei Milliarden Euro schwere Kooperation mit Bristol-Myers Squibb komfortabel abgesichert, ganz vorn mitmischen. Zehn Projekte bearbeitet Uniqure zusammen mit dem amerikanischen Pharmakonzern. Über 200 Millionen Euro liegen für eigene Vorhaben in der Kasse. Zwei Produktkandidaten gegen seltene Erbkrankheiten will Aldag selbst vorantreiben, für eine potenzielle Gentherapie gegen Parkinson, wovon deutlich mehr Patienten betroffen sind, dagegen eher einen Pharmapartner suchen.
Die andauernden Verzögerungen um die Kommerzialisierung von Uniqures Produkt Glybera - immerhin der ersten zugelassenen Gentherapie überhaupt - erscheinen da eher wie ein Klotz am Bein. Doch der wird die Firma wohl noch weiter belasten, gilt das Produkt doch als Präzedenzfall in Sachen Preisverhandlungen. Gut eine Million Euro soll die Spritze gegen die seltene Stoffwechselerkrankung LPLD kosten. Zuletzt wurde in Deutschland die Entscheidung über die Kostenübernahme durch Krankenkassen ausgesetzt, weil innerhalb der EU-Zulassungsbehörde Zweifel an Glyberas Kosten-Nutzen-Effizienz geäußert wurden. Das verantwortliche EU-Gremium hat sich vergangene Woche hinter Glybera gestellt, die Deutschen entscheiden am 21. Mai.
Die Preisdiskussion wird dennoch weitergehen. Sogar Ratenzahlungen, solange die Gentherapie wirkt, sind denkbar. Bei einem älteren Projekt der Universität von Pennsylvania ließ die Sehkraft der Patienten mit angeborener Netzhautstörung ein bis drei Jahre nach der Gentherapie wieder nach. "Es könnte schwierig für Firmen werden, allein mit der Behandlung der extrem seltenen Krankheiten kommerziellen Erfolg zu haben, da sehr hohe Preise verlangt werden müssten", sagt Samuel Stursberg von der Vermögensverwaltung Bellevue Asset Management. Gleichzeitig wächst die Konkurrenz.
Anleger tun deshalb gut daran, in breiter aufgestellte Unternehmen zu investieren. Die Bewertung spielt hierbei laut Candriam-Fondsmanager Rudi van den Eynde eine zweitrangige Rolle: "Das Pauschalurteil, kleine Biotechunternehmen seien zu teuer, stimmt nicht. Wenn die Therapie einer Firma funktioniert, hält sie eine Plattformtechnologie zur Behandlung vieler Krankheiten in der Hand. Da ist dann durchaus Potenzial für Kurssteigerungen."
Gentherapie
Bei der Gentherapie werden Erbgutmoleküle in Zellen des menschlichen Körpers eingeschleust und bleiben dort im Idealfall für immer. Sie sollen von der Zelle wie das eigene Erbgut benutzt werden und so einen therapeutischen Effekt erzielen. Die Produkte werden in das Gewebe gespritzt, oder Ärzte entnehmen Patienten Stammzellen, verändern diese und setzen sie wieder ein.
Genfähren
Um ein Gen in eine Zelle zu bringen, nutzen Forscher vor allem modifizierte Viren, weil es deren natürliche Funktion ist, DNA in fremde Zellen einzuschleusen. Eine überbordende Immunreaktion der Patienten auf diese Viren war ein Grund für das Scheitern früherer Gentherapien. Der zweite: Viren bauten DNA manchmal so ins Patientenerbgut ein, dass dadurch Signalmoleküle aktiviert wurden, die Krebs verursachten. Neue Genfähren integrieren sich daher gar nicht (AAV-Viren) oder an sicheren Stellen (Lentiviren) in die Patienten-DNA. In Zukunft werden "Genome editing"-Technologien vielleicht gezielt defekte Gene aus der DNA entfernen und neue einfügen.Investor-Info
Branchentrend
Pharma sucht Anschluss
Obwohl sich Gentherapien stark vom Geschäft
mit Pillen gegen Volkskrankheiten unterscheiden, wittern hier auch die großen Pharmakonzerne Chancen. Die Zahl der Forschungsabkommen mit Gentherapiefirmen ist stark gestiegen, dabei fließen
in der Regel dreistellige Millionenbeträge.
Bluebird Bio
Zu Recht ein Star
Die Firma mit Sitz in Boston ist der Überflieger der Branche. Drei Programme gegen Erbkrankheiten, eine Kooperation mit Celgene zu Krebsanwendungen und Forschung zu den neuen Genome-Editing-Technologien. Trotzdem: Die überzeugenden Daten betreffen bisher nur eine Handvoll Patienten. Spekulativ.
Uniqure
Pionier in komfortabler Lage
200 Millionen Euro Cash und die umfassende Pharmakooperation sorgen für eine komfortable Lage. Aber die Verzögerungen bei der Vermarktung von Glybera belasten. Im zweiten Halbjahr könnten Daten zum Hämophilie- und Sanfilippo-Programm neue Impulse liefern. Riskant, aber langfristig interessant.
Weitere Gentherapie-Aktien
Die Konkurrenz wächst
Mit Biogen und Biomarin entwickeln auch zwei etablierte, profitable Biotechunternehmen Gentherapien - beide gegen Hämophilie, die Bluterkrankheit. Die anderen Unternehmen sind Gentherapiespezialisten mit teilweise stark schwankenden Kursen.
Unternehmen ISIN Empfehlung
AGTC US 038 20J 100 7 Halten
Biogen US 090 62X 103 7 Halten
Biomarin US 090 61G 101 3 Kaufen
Celladon US 151 17E 107 3 Verkaufen
Sangamo US 800 677 106 2 Kaufen
Spark Therap. US 846 52J 103 4 Kaufen
Quelle: Bloomberg
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Erwin Wodicka/Fotolia, Olivier Le Queinec/Fotolia
Nachrichten zu Bristol-Myers Squibb Co.
Analysen zu Bristol-Myers Squibb Co.
Datum | Rating | Analyst | |
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03.05.2019 | Bristol-Myers Squibb Overweight | Barclays Capital | |
07.12.2018 | Bristol-Myers Squibb Outperform | BMO Capital Markets | |
27.04.2018 | Bristol-Myers Squibb Market Perform | BMO Capital Markets | |
15.02.2018 | Bristol-Myers Squibb overweight | Morgan Stanley | |
05.05.2017 | Bristol-Myers Squibb Underperform | BMO Capital Markets |
Datum | Rating | Analyst | |
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03.05.2019 | Bristol-Myers Squibb Overweight | Barclays Capital | |
07.12.2018 | Bristol-Myers Squibb Outperform | BMO Capital Markets | |
27.04.2018 | Bristol-Myers Squibb Market Perform | BMO Capital Markets | |
15.02.2018 | Bristol-Myers Squibb overweight | Morgan Stanley | |
29.04.2016 | Bristol-Myers Squibb Buy | UBS AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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28.10.2016 | Bristol-Myers Squibb Hold | Deutsche Bank AG | |
09.09.2016 | Bristol-Myers Squibb Equal Weight | Barclays Capital | |
23.05.2016 | Bristol-Myers Squibb Neutral | J.J.B. Hilliard, W.L. Lyons, Inc. | |
29.04.2016 | Bristol-Myers Squibb Equal Weight | Barclays Capital | |
01.12.2015 | Bristol-Myers Squibb Equal Weight | Barclays Capital |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
05.05.2017 | Bristol-Myers Squibb Underperform | BMO Capital Markets | |
27.10.2014 | Bristol-Myers Squibb Sell | MKM Partners | |
25.01.2008 | Bristol-Myers Squibb Downgrade | Goldman Sachs Group Inc. | |
05.09.2007 | Bristol-Myers Squibb Downgrade | Goldman Sachs Group Inc. | |
28.09.2006 | Bristol-Meyers Squibb verkaufen | Wertpapier |
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