Hohe Berge, tiefe Preise

Gut zur Erholung: Warum der Schweizer Aktienmarkt ein Fluchtpunkt in Krisenzeiten ist

17.07.22 14:18 Uhr

Gut zur Erholung: Warum der Schweizer Aktienmarkt ein Fluchtpunkt in Krisenzeiten ist | finanzen.net

Die eidgenössische Wirtschaft ist robust und breit aufgestellt. Die Börse eignet sich in der Krise für defensive Anleger.

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Aktien

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Indizes

19.726,4 PKT -243,5 PKT -1,22%

4.820,0 PKT -59,0 PKT -1,21%

11.300,5 PKT -114,3 PKT -1,00%

von Emmeran Eder, Euro am Sonntag

Fast alle Länder ächzen derzeit unter der hohen Inflation. Doch es gibt Ausnahmen. Dazu zählt die Schweiz. Nur 2,9 Prozent betrug dort in den vergangenen zwölf Monaten die Teuerungsrate. Dabei grenzt das Land an Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich, wo die Inflationsraten unisono um die acht Prozent liegen.

Trotzdem hat die Schweizer Notenbank (SNB) vor Kurzem überraschend die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte erhöht, noch vor der EZB. Das ist kein Zufall, die Nationalbank hat schon immer strategisch vorausschauend gehandelt. So zeigt der Vergleich mit Österreich, dass die Inflationsrate zwischen 2006 und 2021 im Jahresschnitt um 0,2 Prozent geklettert ist, in Österreich dagegen um zwei Prozent. "Es wäre fahrlässig, wenn man die inflationäre Entwicklung nicht berücksichtigt", sagt SNB-Chef Thomas Jordan. Er stellte weitere Zinsanhebungen in Aussicht. "Die Preisstabilität ist für uns absolut zentral", sagt er.

Es gibt aber noch andere Ursachen, von denen die Eidgenossen profitieren. Da ist zum einen der starke Franken, der Importe verbilligt. Gerade zum Euro, der Währung des wichtigsten Handelspartners, hat er zuletzt zugelegt. So werden die Preiserhöhungen der Importprodukte abgefedert.

Staat mischt bei Preisen mit

Zum anderen sorgt die Schweiz selbst für Preisstabilität. Das Land hat europaweit den größten Anteil an staatlich festgelegten Preisen - etwa ein Viertel. Der Staat weiß, dass jede Anhebung der Preise andere Wirtschaftsakteure zum Nachmachen ermuntert. Somit versucht er, nicht zu oft an der Preisschraube zu drehen.

Überdies war die eidgenössische Regierung in der Corona-Krise vorsichtiger mit Hilfsgeldern und Konjunkturprogrammen und pumpte weniger Geld in den Markt. Zudem waren die Lockdowns nicht so restriktiv wie in vielen anderen Staaten Europas.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Eidgenossen weniger abhängig von russischem Gas und Öl sind als etwa Deutschland oder Österreich. Elektrizität und Energie stammen zu etwa 75 Prozent aus Wasserkraft, Geothermie und Kernenergie. Dadurch beeinflussen die Schwankungen der Öl- und Gaspreise das Land weniger. Trotz all dieser Vorteile rechnet die Züricher Kantonalbank bis zum Jahresende mit vier Prozent Teuerungsrate. Denn auch die Schweiz liegt nicht auf der Insel der Seligen. Chefökonom David Marmet sagt aber: "Wir können aus heutiger Sicht ausschließen, dass wir Niveaus von acht und mehr Prozent erreichen."

Ein vergleichsweise niedriges Inflationsniveau ist auch gut für die Schweizer Wirtschaft. Trotzdem hat die in der Schweiz bedeutende Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössisch Technischen Hochschule (KOF) zuletzt die Prognosen gesenkt. Statt drei Prozent werden für 2022 nur noch 2,8 Prozent BIP-Zuwachs erwartet, Für das nächste Jahr war die Herabstufung von zwei auf 1,3 Prozent größer. Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland treffen auch die Eidgenossen, da die Schweiz eine wichtige Drehscheibe im internationalen Rohstoffhandel ist. Dessen BIP-Anteil ist mit fünf Prozent nicht marginal. Da Russland einer der Top-Handelspartner für die Schweiz in diesem Segment war, sind das immerhin 0,5 Prozent vom BIP, die durch die Sanktionen gegen Russland wegfallen.

Tourismus zieht wieder an

Der Vorteil der eidgenössischen Wirtschaft ist, dass sie sehr breit aufgestellt ist und dadurch Krisen besser abpuffern kann als viele andere Staaten. Neben Industrie, Dienstleistungen und Tourismus sind die Lebensmittelsparte, Luxus- und Uhrenhersteller, die Banken- und Finanzbranche sowie der Pharma- und Gesundheitssektor wichtige Wirtschaftszweige. Stützen der Wirtschaft sind die stabil wachsende Industrie und die Normalisierung des Dienstleistungssektors nach der Corona-Zeit. Auch der sich erholende Tourismus zählt dazu. Ein Problem könnte die hohe Abhängigkeit von China werden. Mit 33 Milliarden Franken Volumen im Warenhandel war das Land 2021 drittgrößter Handelspartner nach Deutschland und den USA. Vor allem die Exporte des Uhren- und Maschinenbausektors hängen an China.

Die Streuung der Wirtschaft zeigt sich auch im Leitindex SMI 20, der die 20 Top-Firmen der Schweiz umfasst. Gesundheitswesen und Finanzen dominieren mit 54 Prozent Anteil das Barometer vor Industrie, Grundstoffen und der Lebensmittelbranche. Technologie und IT sind kaum vertreten. Obwohl der Index seit dem Top vom Jahresanfang fast 20 Prozent verloren hat, liegt das 2022er-KGV mit 15,4 über dem von DAX und Euro Stoxx 50. Das ist aber traditionell so. Die Schweizer Börse eignet sich für Anleger, die ein defensives Aktieninvestment mit starker Währung, unabhängiger Zentralbank und einer anpassungsfähigen Wirtschaft suchen.

Für Schweizer Aktien gibt es ein Handelsverbot in der EU. Über die Börse Zürich oder den Direkthandel (OTC) ist ein Erwerb aber für deutsche Anleger trotzdem möglich.

INVESTOR-INFO

Aktien-ETF Schweiz

Nicht so zyklisch

Die 30 größten Schweizer Aktien sind im SLI-Index enthalten, auf den sich der ETF von iShares bezieht. Dazu zählen etwa Novartis, Nestlé, Roche, Zurich Insurance, UBS, Richemont und Alcon. Der hohe Anteil von Pharma- und Nahrungsmittelherstellern und das geringe Gewicht von Tech-Titeln machen den Schweizer Aktienmarkt weniger anfällig für zyklische Schwankungen.

Richemont

Profitieren von China

Die Aktie des Schweizer Luxusgüterkonzerns, zu dem Marken wie Cartier oder Montblanc zählen, wurde zuletzt trotz guter Zahlen abgestraft. Grund: Die Erwartungen der Analysten waren noch höher. Die Firma leidet unter den Lockdowns in China, da dort etwa 30 Prozent der Umsätze erzielt werden. Mit der schrittweisen Öffnung Chinas sollten auch die Geschäfte dort wieder besser laufen. Zudem können Luxusgüterkonzerne Preiserhöhungen gut an Kunden weitergeben.










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