Euroraum: EU-Kommission erhöht BIP- und Inflationsprognosen
Die EU-Kommission hat nach einem unerwartet dynamisch verlaufenen Winterhalbjahr ihre Wachstumsprognosen für den Euroraum leicht angehoben, rechnet für 2023 und 2024 aber auch mit einer höheren Inflation.
In ihrer Frühjahrsprognose geht sie daher von weiteren Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) aus und fordert die Staaten des Währungsraums angesichts gesunkener Energiepreise auf, ihre Stützungsmaßnahmen zu beenden, vor allem die ungezielten.
Die Kommission rechnet für 2023 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,1 (zuvor: 0,9) Prozent und für 2024 mit einem Wachstum von 1,6 (1,5) Prozent. Angehoben wurden vor allem die Prognosen für Italien und Spanien. Laut EU-Kommission deuten Umfragedaten darauf hin, dass das Euroraum-BIP nach einem Zuwachs im ersten Quartal auch im zweiten zulegen wird.
Die relativ robuste Wirtschaftsentwicklung ist nach Angaben der Kommission Ergebnis vor allem der von der EU und ihren Mitgliedstaaten eingeleiteten Maßnahmen. "Die Diversifizierung der Energiequellen und die Infrastrukturinvestitionen zur Beseitigung von Engpässen bei der Gasversorgung und zur Förderung erneuerbarer Energien, die auch durch die Recovery and Resilience Facility unterstützt werden, haben sich ausgezahlt", befindet sie.
Privatsektor spart viel mehr Gas ein als gefordert
Vor allem die Anpassung des Privatsektors sei beeindruckend gewesen. "Unter dem Druck der hohen Preise haben Haushalte und Unternehmen ihren Gasverbrauch deutlich unter das freiwillige Ziel von 15 Prozent Einsparung gesenkt, das in der Dringlichkeitsverordnung festgelegt worden war." Da die Gasspeicher einen saisonalen Höchststand erreicht hätten, sei das Risiko künftiger Engpässe deutlich gesunken.
Die Kommission prognostiziert für Deutschland BIP-Anstiege für 2023 und 2024 von 0,2 (bislang 0,2) sowie 1,4 (1,3) Prozent und für Frankreich von 0,7 (0,6) und 1,4 (1,5) Prozent. Italien traut die Kommission nun 1,2 (0,8) und 1,1 (1,0) Prozent Wachstum zu und Spanien 1,9 (1,4) und 2,0 (2,0) Prozent. Ihre Inflationsprognosen für den Euroraum hob die Kommission auf 5,8 (5,6) und 2,8 (2,5) Prozent an.
Hohe Kerninflation spricht für straffere Geldpolitik
"Der leichte Rückgang der Kerninflation im April deutet darauf hin, dass auch sie ihren Höhepunkt erreicht hat, aber die Annäherung an die Zielvorgaben wird nun voraussichtlich länger dauern", schreibt Maarten Verwey, Generaldirektor Wirtschaft und Finanzen, in seinem Vorwort.
Eine länger erhöhte Kerninflation würde für ein noch energischeres Handels der Zentralbanken sprechen, und auch der Finanzpolitik komme hier eine wichtige Rolle zu. "Die Regierungen sollten die Gelegenheit sinkender Energiepreise nutzen, um energiepolitische Maßnahmen auslaufen zu lassen, insbesondere um die Tragfähigkeit der Schulden zu gewährleisten, aber auch um die Bemühungen der Zentralbanken zur Inflationsbekämpfung zu unterstützen."
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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