Handwerkspräsident kritisiert Fokus der Politik auf Industrie
BERLIN (dpa-AFX) - Handwerkspräsident Jörg Dittrich kritisiert einen Fokus der Politik auf Großstrukturen und Industriepolitik. "Das ist ein großes Ärgernis", sagte Dittrich der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Kanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz habe Betriebsräte von VW (Volkswagen (VW) vz) und anderen Konzernen eingeladen. "Auch im Handwerk sind im vergangenen Jahr rund 80 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Das war aber offensichtlich nicht wichtig genug, um dies im Kanzleramt konkret zu besprechen: Wie wir das verhindern, wie wir diese Kapazitäten erhalten."
Die neue Bundesregierung müsse den Mittelstand stärken, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Er forderte eine verlässliche mittelstandsorientierte Politik, die Ausbildung, Digitalisierung und die Energiewende voranbringe. Es brauche ein wirtschaftsfreundliches Umfeld, das Handwerksbetriebe stärke und ihnen die notwendige Planungssicherheit biete. "Europafeindliche Haltungen, die den Binnenmarkt und den internationalen Austausch gefährden, lehnen wir ab, da sie die Existenzgrundlage vieler Handwerksbetriebe bedrohen."
Zu Vorschlägen der SPD und Grünen über staatliche Investitionszuschüsse sagte Dittrich: "Man kann Wettbewerbsfähigkeit nicht herbeisubventionieren. Wo sind die Vorschläge, um die Kostenschübe in den Sozialsystemen zu vermindern?"
Sorgen im Handwerk
Gesellschaft, Wirtschaft und Handwerk seien aktuell von Unsicherheit geprägt, ausgelöst durch geopolitische Konflikte, den demografischen Wandel, Digitalisierung und weitere technologische und häufig als bedrohend empfundene Entwicklungen wie etwa Künstliche Intelligenz, sagte Dittrich. "Bei vielen Menschen dominieren die Sorgen, dass es nur schlechter werden kann. Gleichzeitig spüren wir in den Betrieben und bei den Beschäftigten eine große Sehnsucht nach positiver Veränderung." Dennoch werde viel zu wenig darauf fokussiert, dass der Wandel aktiv gestalten werden könne. "Wir wissen, wo die Unzulänglichkeiten und Defizite liegen, bei denen Veränderungen nötig sind. Jetzt gilt es, diese auch mutig anzugehen."
Neustart
"Deutschland braucht den Neustart", so Dittrich. "Wir fordern von der Politik entschlossene Signale: Entlastung, Stabilität und Aufbruch. Die neue Regierung muss durch richtige Weichenstellung die wirtschaftspolitische Kehrtwende einleiten." Die Wirtschaft müsse wieder in den Fokus genommen werden, sagte der Handwerkspräsident, der selbst ein Unternehmen führt. "Alles, was vor uns steht, erfordert eine starke Wirtschaft - der Erhalt der Sozialsysteme, die Investitionen, die im Klima notwendig sind, wie auch unser geopolitischer Einfluss, den wir uns wünschen, inklusive der Sicherheit."
Es gelte, die berufliche Bildung zu stärken. Seit Jahrzehnten bestehe eine permanente Benachteiligung der beruflichen Bildung, die sowohl finanziell als auch ideell gegenüber dem akademischen Bereich stiefmütterlich behandelt werde./hoe/DP/mis