Die Fed im Spannungsverhältnis von nationalen und internationalen Anforderungen
Aufgrund der aktuell robusten Konjunkturverfassung der USA wird der Fed zwar eine nachhaltig restriktive Geldpolitik abverlangt.
Angesichts des US-Dollars als Weltleitwährung beeinflusst ihre Geldpolitik jedoch auch die Entwicklung von Wechselkursen, Finanzmärkten und Realwirtschaften in den Schwellenländern. Tatsächlich, trotz eines zeitlich gestreckten Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank und vergleichsweise schwacher Liquiditätsrückführung lassen sich Kollateralschäden in den Schwellenländern nicht mehr leugnen. Ein starker Dollar begünstigt den Kapitalabzug aus asiatischen und lateinamerikanischen Ländern, was über deren Währungsverfall die Bedienung ihrer in Dollar aufgenommenen Staats- und Unternehmensverschuldung, die Refinanzierung ihrer Leistungsbilanzdefizite und zukünftige Investitionen auch zulasten der Weltkonjunktur behindert.
US-Konjunkturausblick wirklich so freundlich?
Das Protokoll der letzten Sitzung der US-Notenbank - die sogenannten Fed Minutes - wirken insgesamt weniger falkenhaft. Zwar ist eine weitere Zinserhöhung im Juni ausgemachte Sache. Doch spricht die Fed nicht mehr von "gestärktem Konjunkturausblick". Tatsächlich verdeutlicht der seit Jahresbeginn im Trend rückläufige Economic Surprise Index der Citigroup für die USA - er misst positive bzw. negative Abweichungen tatsächlicher Konjunkturdaten von den Vorabschätzungen der Analysten - das nachlassende positive Überraschungsmoment der US-Wirtschaft. Insofern bilden sich die zuletzt überzogenen Zinserhöhungsängste zurück.
Die Bedeutung der US-Zinsstrukturkurve
Bei der US-Zinspolitik geht es nicht nur um den Notenbankzins allein, sondern auch um das von ihm beeinflusste Verhältnis von kurz- zu längerfristigen Renditen am US-Anleihemarkt. Eine sich über restriktive Leitzinserhöhungen verflachende und im Extremfall sogar inverse Zinsstrukturkurve bewirkt, dass Anleger zukünftig eine Wachstumsabschwächung erwarten und sich mit Investitionen vorsorglich zurückhalten. Im Extremfall droht ein sich selbst verstärkender Wirtschaftsabschwung. Tatsächlich hat sich seit Ende 2013 die Differenz aus der Rendite von 10- abzüglich 2-jähriger Staatsanleihen deutlich von 2,65 auf zuletzt 0,5 Prozentpunkte reduziert. Eine sinkende Zinsmarge macht die Fristentransformation für Kreditbanken, die Geld zu günstigen Zinskonditionen bei der Fed aufnehmen und zu möglichst hohen Kreditzinsen ausleihen wollen, weniger attraktiv. Und tatsächlich kommt es vor allem seit Anfang 2017 zu einem deutlich nachgebenden Kreditwachstum. Entsprechend streng wird die Zinsstrukturkurve von der Fed beobachtet. Der Präsident der Federal Reserve Bank of Minneapolis, Neel Kashkari, spricht bereits davon, dass die Fed es mit ihren Zinserhöhungen "nicht übertreiben sollte".
Zur Sicherung wertvoller Wachstumspotenziale wird die Fed weiterhin nur graduelle Zinserhöhungen vornehmen. Die explizite Betonung ihres "symmetrischen Inflationsziels", d.h., Preissteigerungen, die in der Vergangenheit unter dem Zielwert von zwei Prozent lagen, umgekehrt auch vorübergehend ohne entsprechende zinspolitische Reaktion gewähren zu lassen, öffnet der Fed die Türen für anhaltende Freizügigkeit.
Bei Leitzinszurückhaltung könnten sich die längerfristigen Anleiherenditen aufgrund steigender Inflationsprämien abheben. Eine dann wieder steilere Zinsstrukturkurve wirkte sich konjunkturstabilisierend aus und käme insofern auch dem Aktienmarkt über die Perspektive verbesserter Unternehmensgewinne zugute.
Ist der Keim einer neuen Währungskrise in den Emerging Markets gesät? Brasilien leidet unter einer nachhaltigen Regierungskrise. Krisen-Klassiker Argentinien hat angesichts seiner Schuldenprobleme zuletzt sogar wieder den Internationalen Währungsfonds um Hilfe gebeten. Die Türkei ist besonders hart betroffen. Ihr massives Leistungsbilanzdefizit, Bonitätsrisiken durch hohe Auslandsverschuldung, auf Dollar-Basis einzukaufende, ohnehin gestiegene Energiepreise und nicht zuletzt die politische Behinderung der türkischen Notenbank bei der Stützung des türkischen Wechselkurses haben zu einer Währungskrise geführt. Zahlreiche türkische Unternehmen mussten ihre auf Fremdwährung lautenden Schulden bereits umstrukturieren. Und die laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bereits mit annähernd 500 Milliarden US-Dollar Kreditengagements überfrachteten türkischen Banken halten sich aus Risikoüberlegungen mit neuen Krediten zurück und sorgen für eine zunehmende Kreditklemme. Über die importierte Inflation aufgefressene Realzinsen veranlassen mittlerweile auch einheimische Anleger, die Landes- in Fremdwährung zu tauschen.
Verstärkt wird die türkische Währungskrise durch die ansteigenden US-Anleiherenditen, die den US-Dollar aufwerten. Zwar erzielen Anleger aus den USA und dem Euroraum mit Zinsanlagen in den Emerging Markets immer noch deutlich höhere Renditen als in ihren Heimatländern. Doch werden diese durch Währungsverluste überkompensiert. Trotz gestiegener Bonitätsrisiken durch die geplante stabilitätsfeindliche Finanzpolitik der neuen römischen Regierung greifen Anleger viel lieber zu italienischen Staatspapieren. Denn erstens müssen Euro-Anleger kein Währungsrisiko befürchten. Und zweitens werden EU und EZB jedes Schuldenrisiko zur Bewahrung der Stabilität der Eurozone verhindern.
Können einzelne Schwellenländer die Emerging Markets insgesamt mit einem Krisenvirus anstecken?
Grundsätzlich hat sich in den Emerging Markets die Spreu vom Weizen getrennt. Länder wie Südkorea, Südafrika, China oder Indien haben aus der Asien-Krise 1997/98 gelernt und ihre volkswirtschaftlichen Hausaufgaben längst gemacht. Diese Länder haben mittlerweile Leistungs- und/oder Handelsbilanzüberschüsse und sind daher vor markanten Währungsverlusten gewappnet, die einen volkswirtschaftlichen K.O.-Effekt verhindern.
Das Restrisiko einer allgemeinen Währungskrise der Emerging Markets wird die Fed verhindern. Eine restriktive Leitzinspolitik der Fed führte bereits 1997 und 2013 zu einem massiven Kapitalabzug mit Kollateralschäden. Doch hat die Fed die internationale Konjunktur- sowie Finanz- und Bankenwelt nicht über 10 Jahre mit ihrer ultralockeren Geldpolitik stabilisiert, um sie nun ohne Not über unvorsichtige Zinsrestriktionen und einen Kollaps der Schwellenländer in die nächste Krise zu stürzen, die auch vor den USA nicht Halt macht. Auch vor diesem Hintergrund wird sich die Fed in zinspolitischer Zurückhaltung und weiter ausreichender Liquiditätsversorgung üben.
Marktstimmung - Warum Aktien-Krise?
Die Gipfelabsage mit Nordkorea durch US-Präsident Trump ist zwar ein geopolitischer Rückschlag. Dennoch ist eine Rückkehr zur früheren Eskalationsstufe nicht zu erwarten. Kim Jong-un scheint weiter Interesse an einem Dialog zu haben.
Im Handelsstreit zwischen China und Amerika kommt es zumindest vorübergehend zur Entspannung. Leider verschärft Trump den Handelsdisput mit der EU, indem er Importzölle u.a. auf europäische Autos ins Spiel bringt. Darunter leidet die Euro-Wirtschaft, die laut Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe eine fortgesetzte Stimmungseintrübung zeigt. Eine fundamental getriebene, massive Aktienkonsolidierung steht dennoch nicht bevor.
Zum einen passen sich die Exportunternehmen der handelspolitischen Gemengelage an und investieren dort, wo sie operativ ungehindert auftreten können, so auch in den USA. Sie können den nationalen Niederungen und ihren Handicaps entfliehen. Und solange sie einen deutschen Verwaltungssitz haben, profitieren DAX, MDAX, SDAX und TecDax davon.
Zum anderen wird die EZB die anhaltende Konjunkturverschlechterung nicht weiter ignorieren. Auf ihrer nächsten Sitzung am 14. Juni wird sie vermutlich ihre Wachstums- und Inflationsprojektionen senken und vorerst weiter von einem Ende der Liquiditätsoffensive absehen. Zinserhöhungen sind ohnehin kein Thema. Diese Passivität ist auch dem neuen italienischen Verschuldungsdrang geschuldet, dem sie wohl oder übel geldpolitischen Feuerschutz gewähren muss. Zinsangst ist damit in der Eurozone nicht zu Hause.
Damit kehrt sich das zinsseitige Aufwertungsargumente des Euros um. Die sich insofern gegenüber US-Dollar weiter abschwächende Gemeinschaftswährung stimuliert insbesondere den exportlastigen deutschen Aktienmarkt.
Im Gegensatz zu institutionellen DAX-Anlegern, die zur Sicherung ihrer Gewinne derzeit überwiegend Absicherungspositionen eingehen, fahren die Finanzprofis in den USA ihre Absicherungsgeschäfte zunehmend zurück, stocken ihre Investitionsquote langsam auf und signalisieren Zuversicht. Kommt es zu einer Erholungsrallye in den USA, wären viele heimische Anleger falsch positioniert, müssten den dann auch steigenden deutschen Kursen hinterherlaufen und würden durch späte Käufe die Rallye weiter anheizen.
Charttechnik DAX - Trotz Konsolidierung weiter Zug nach oben
Charttechnisch liegt der erste Widerstand beim DAX bei 13.033 Punkten. Überschreitet der Index diesen nachhaltig, folgen die nächsten Kursziele bei 13.133, 13.301 und 13.443. Darüber nimmt der Index die wichtige Marke bei 13.500 in Visier, bevor das Allzeithoch bei 13.526 Punkten in den Fokus tritt. Kommt es zu Gewinnmitnahmen, wird die Marke bei 12.951 getestet. Werden schließlich die Unterstützungen bei 12.828 und 12.722 unterschritten, ist mit weiteren Kursverlusten bis zu der Marke bei 12.651 Punkten zu rechnen.
Der Wochenausblick für die KW 22 - Inflationsschwund in der Eurozone In China zeichnen die offiziellen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe und das vom Finanznachrichtendienst Caixin ermittelte Pendant für die Industrie ein stabiles Konjunkturbild.
In den USA zeigt sich die Konjunkturstimmung im Verarbeitenden Gewerbe gemäß ISM Index stabil. Ein beständiges Bild dürfte auch der Konjunkturbericht der Fed (Beige Book) zeichnen. Freundlich fallen zwar die quantitativen Arbeitsmarktdaten aus, die aber mit Blick auf die mangelnde Qualität der Beschäftigungsverhältnisse lohnseitigen Inflationsdruck deutlich begrenzen.
In der Eurozone fehlt laut Erstschätzungen der Inflation für Mai weiterhin klare Anzeichen für eine Verbraucherpreisbeschleunigung. Immerhin unterstreichen solide Einzelhandelsumsätze in Deutschland die robuste Verfassung der Binnenkonjunktur.
Disclaimer
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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.
2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.
Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.