EU-Gipfel: Reformwille erlahmt - keine weitreichenden Beschlüsse
In der EU nimmt die Idee einer gemeinsamen Bankenunion Gestalt an, wichtige andere Großreformen der EU-Institutionen aber bleiben vorerst in der Schublade.
Beim EU-Gipfel, der nur Stunden nach einer Marathonsitzung der EU-Finanzminister begann, einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf weitere Elemente, um die Banken des Kontinents stärker zu kontrollieren und künftige Schuldenkrisen zu vermeiden.
Zudem billigten die EU-Spitzen 34 Milliarden Euro an neuen Rettungskrediten für Griechenland, die das ausgezehrte Land dringend braucht. Im ersten Vierteljahr 2013 sollen die Griechen dann zusätzliche Nothilfen in Höhe von 14,8 Milliarden Euro bekommen, beschlossen die EU-Staaten. Ein Austritt des Landes aus der Währungsunion dürfte damit vorerst vom Tisch sein.
Mit allen anderen großen Reformvorschlägen zur stärkeren Koordinierung nationaler Wirtschaftspolitik und zur Einrichtung eines gemeinsamen Haushalts für die Eurozonen-Länder wollen sich die EU-Länder allerdings erst im Juni nächsten Jahres befassen. Man habe "keine Türen geschlossen, aber es ist ehrlich gesagt wahr, dass sich die Mitgliedstaaten lieber auf das konzentrieren, was jetzt unmittelbar passieren kann", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Ende des ersten Gipfeltages, der wie üblich mitten in der Nacht endete.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte, dass die Staats- und Regierungschefs an den Beschluss der Finanzminister zur Gründung einer Bankenaufsicht anknüpfen würden. Sie würden sich jetzt in der ersten Hälfte des nächsten Jahres auf die Eckpunkte verständigen, wie der Europäische Rettungsmechanismus auch direkt Banken Geld leihen könnte. Damit lockerte Rompuy den Zeitrahmen wieder sichtlich; in früheren Entwürfen zu den Gipfelbeschlüssen stand noch, dass sich die Staaten bis März 2013 über die direkten Kapitalspritzen an Banken einigen würden.
Als unmittelbar nächstes Thema nannte Kommissionspräsident Barroso die Koordinierung der nationalen Finanzmarktpolitik. Die EU-Staaten sollen jetzt ihre Richtlinien zur Abwicklung von Banken und zur Einlagensicherung vereinheitlichen.
Im kommenden Jahr wird die EU-Kommission laut Rompuy dann auch irgendwann einen konkreten Vorschlag für eine neue gemeinsame Abwicklungsbehörde machen, die marode europäische Banken dicht machen oder restrukturieren soll, ohne dass der Steuerzahler darunter leidet. Vielmehr soll die Bankenbranche selbst den Großteil dieser neuen Behörde finanzieren und "angemessene und effektive Puffer" bereitstellen, heißt es im schriftlichen Fazit des Treffens.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies am Freitagmorgen zudem Spekulationen zurück, dass die EU-Spitzen versuchten, die Schulden- und Defizitkriterien der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zu verwässern. Der französische Präsident François Hollande hatte die Gerüchte geschürt. Er hatte Journalisten erzählt, die Staats- und Regierungschefs hätten diskutiert, ob sie nicht Ländern, welche die Schuldenkriterien der WWU bereits erfüllen, höhere öffentliche Ausgaben zugestehen sollten, um Wachstumsimpulse zu setzen.
Merkel sagte aber mit Blick auf den französischen Vorschlag, dass alle EU-Spitzen die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes "vollständig akzeptieren". Dieser Pakt verpflichtet Staaten, ihre jährliche Neuverschuldung auf nicht mehr als 3 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu begrenzen und ihre Gesamtverschuldung unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu halten. Niemand wolle den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufweichen, sagte Merkel.
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