Europäischer Aktienmarkt im Wandel: Diese Branchen könnten sich jetzt lohnen
Zwischen 2011 und 2019 konnte Kontinentaleuropa in Folge der Finanzkrise kaum Gewinnwachstum aufweisen. Die Aktienmärkte werden jedoch von Gewinnwachstum angefeuert, weshalb das Interesse am europäischen Markt stark zurückging. Mittlerweile soll sich der europäische Aktienmarkt jedoch im Wandel befinden.
Werte in diesem Artikel
• EU-Initiativen treiben europäischen Aktienmarkt an
• Digitalisierung und Klimawandel im Fokus
• Europäischer Aktienmarkt ist globaler ausgerichtet
EU-Initiativen
Der europäische Aktienmarkt konnte Investoren bereits seit einiger Zeit nicht mehr wirklich überzeugen. Der Markt sei zu zyklisch, wertorientiert, eine alte Wirtschaft, berichtet Institutional Money. Paul Wild, Senior Fund Manager bei J O Hambro Capital Management, erklärte jedoch, dass es Zeit zum Umdenken sei. Grund dafür seien in Kontinentaleuropa aufkeimende thematische Möglichkeiten, die vor allem durch jüngste EU-Initiativen und die Internationalisierung der Börsen aufkommen würden. Europäische Aktien seien damit wieder ins Blickfeld der Anleger gerückt. "Wenn Analysten und Anleger Europa jahrelang übersehen haben, sollten sie es jetzt wieder ins Auge fassen", so Wild laut Institutional Money.
Nach der Pandemie habe sich das Gewinnwachstum wieder deutlich erholt und bis vor Kurzem sogar das Wachstum in den USA und weltweit in den Schatten stellen können. Das liege vor allem daran, dass die wachstumsstarken Branchen wie Technologie, Gesundheitswesen sowie Luxusgüter mittlerweile einen erheblichen Teil des Index MSCI Europe ex UK ausmachen. Der Vorsprung, den langsamere Sektoren der "alten Wirtschaft" hatten, gehe weiter zurück, so Wild.
Der Anteil des Index in den Bereichen Gesundheits- und Technologiewerte sei seit Juni 2009 um 7,3 respektive 4,7 Prozent gestiegen. Finanz- sowie Telekommunikationswerte seien indes um 7,2 beziehungsweise 4,6 Prozent gefallen. Daher seien von den zehn Werten, die 2009 die höchste Marktkapitalisierung innerhalb des Index aufgewiesen hatten, nun nur noch zwei Titel unter den Top Ten: Nestlé und Roche. Diese Veränderungen im Index würde darauf hinweisen, dass dieser heutzutage generell ein höheres natürliches Wachstum aufweise als zuvor, so der Experte. Dies verbessere wiederum die Aussichten auf ein verstärktes Gewinnwachstum in der Zukunft sowie eine höhere Eigenkapitalrendite. Zudem werde der Index weniger zyklisch sein, da die wachstumsstärkeren Branchen meist eine stärkere strukturelle Untermauerung hätten.
Themenorientiertes Europa
In Kontinentaleuropa sei zudem ein "großer Wandel" im Gange: Europa werde themenorientierter. Erklärt wird dies am Beispiel der Umwelt. Im Jahr 2019 wurde zum Beispiel der Green Deal der EU unterzeichnet, dessen vorrangiges Ziel es ist, Europa bis zum Jahr 20250 zum ersten Netto-Null-Kontinent zu machen. Die Initiative REPowerEU folgte außerdem auf den Russland-Ukraine-Konflikt. Hierbei soll der Energiebedarf der EU selbsttragend werden. Außerdem soll mehr in erneuerbare Energien investiert werden.
Die Natur dieser großen Ziele und Investitionen bedeutet zwangsläufig, dass sie sich auf sämtliche Wirtschaftsbereiche auswirken. Es geht hierbei jedoch nicht ausschließlich um die Reduzierung von CO2-Emissionen. Die Initiativen verändern den grundlegenden Wachstumskurs der EU und positionieren den Handelsblock als weltweit führenden Akteur im Bereich der Umwelttechnologien. Fondsmanager Wild bemerkt dazu: "Aus Anlegersicht ist dies eine multisektorale, thematische Chance mit dem Potenzial für jahrelange hohe Renditen; nicht so, wie viele Analysten die Region im letzten Jahrzehnt beschrieben hätten."
Ein Vorreiter für den europäischen Green Deal sei zum Beispiel das Unternehmen Schneider. So erwarte das Unternehmen, dass der weltweite Stromverbrauch von 2020 bis 2040 um das Vierfache steigen wird. Die Lösungen von Schneider für das Laden von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen würden einen Beitrag dazu leisten, diesen Übergang der Energiewende zu beschleunigen. Ein weiteres gutes Beispiel sei auch RWE. Das Unternehmen setze kontinuierlich seine Transformation zu einem bedeutenden Akteur im Bereich erneuerbarer Energien fort und trage wesentlich dazu bei, Deutschlands Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2030 80 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Zudem distanziere sich das Unternehmen zunehmend von seiner Vergangenheit in der Braunkohleindustrie.
Digitaler Wandel
Neben der Umwelt liegt ein weiterer Schwerpunkt der EU auf dem digitalen Wandel. Zu dem im Jahr 2020 gelaunchten EU-Konjunkturprogramm "NextGenerationEU" gehören zum Beispiel ein EU-weites ultraschnelles Breitband, digitale Identitäten mit besseren Kontrollen über die persönlichen Daten sowie eine stärkere Nutzung von künstlicher Intelligenz im Kampf gegen den Klimawandel sowie für die Verbesserung von Gesundheitswesen, Verkehr und der Bildung. Laut Wild gehören zu den europäischen Vorreitern in diesen Bereichen Unternehmen wie Cap Gemini sowie ASML. So habe Cap Gemini kürzlich eine bahnbrechende Partnerschaft im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz mit Google geschlossen und setze weiterhin Maßstäbe für die digitale Transformation von Unternehmen. ASML behalte seine dominante Stellung in der Spitzenlithografie bei, wobei die weltweiten Trends in der Elektronikindustrie eine anhaltende Nachfrage nach seinen Produkten unterstützten. Die Verlagerung von Halbleiterfabriken an Unternehmensstandorte werde die Nachfrage sowohl in Europa als auch den USA steigern.
Globale Ausrichtung
Ebenfalls stützend wirke sich die globale Ausrichtung der europäischen Unternehmen aus. So erwirtschafteten die zehn führenden Aktien Kontinentaleuropas ganze 74 Prozent ihrer Einnahmen außerhalb von Europa - Tendenz steigend. So sei beispielsweise Novo Nordisk mittlerweile das drittgrößte Pharmaunternehmen der Welt.
"Wir sehen eine wahrscheinliche mittelfristige Neubewertung für Kontinentaleuropa, die weitgehend ignoriert wird - angetrieben durch die wahrscheinlich anhaltende Verbesserung der Renditen. Einfach ausgedrückt: Europa beherbergt eine wachsende Zahl großartiger Unternehmen", betonte Fondsmanager Wild.
Redaktion finanzen.net
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