Geldanlage-Report Armin Brack

Petrotec: Kursexplosion gerechtfertigt?

24.05.10 11:16 Uhr

Petrotec: Kursexplosion gerechtfertigt? | finanzen.net

Die Aktie des Biodiesel-Produzenten Petrotec hat in den letzten drei Monaten um unglaubliche 917 Prozent zugelegt.

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Seit der Besprechung in der letzten Monatsausgabe des Geldanlage-Reports vor einer Woche hat sich der Kurs abermals verdoppelt.

Nochmals kurz die Fakten: Petrotec sammelt bei über 12.000 Restaurants in Deutschland Altspeisefett ein und verarbeitet dieses zu Biodiesel weiter.

Damit sollte das Unternehmen eigentlich eine große politische Lobby haben, denn ohne Zweifel ist diese Herstellungsart umweltfreundlicher als die herkömmliche Biodieselherstellung aus Mais oder Raps.

Statt Nutzpflanzen, die für die Lebensmittelversorgung eingesetzt werden könnten, ist der Rohstoff bei Petrotec Abfall. Eine bessere Ökobilanz geht kaum.

Doch in der Vergangenheit war in Punkto staatlicher Unterstützung Fehlanzeige. Trotzdem müssen Petrotec und seine kleineren Mitstreiter in Deutschland 18 Cent Steuern pro verkauftem Liter Biodiesel abdrücken. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz.

*Am Rande der Insolvenz

Unter anderem deshalb produzierte Petrotec neben Biodiesel in den letzten beiden Jahren vor allem Eines: Exorbitante Verluste (41,8 Millionen Euro in 2008, 13 Millionen Euro in 2009), die dem Unternehmen fast die Existenz gekostet hätten. Bereits im September 2009 war der Bargeldbestand auf unter eine Million Euro gesunken. Gleichzeitig standen kurzfristige Verbindlichkeiten in zweistelliger Millionenhöhe vor der Fälligkeit.

Das Schicksal von Petrotec lag fortan in den Händen der ebenfalls angeschlagenen deutschen Industrie- und Kreditbank IKB sowie des israelischen Großaktionärs IC Green Energy. Diese einigten sich tatsächlich auf einen Deal, in dessen Rahmen die IKB gegen eine Ausgleichszahlung von 2,2 Millionen Euro auf eine Rückzahlung von 18,5 Millionen Euro verzichtet hat!

Damit war das Überleben zunächst gesichert. Mehr noch: Der daraus resultierende außerordentliche Ertrag von 16,3 Millionen Euro hievte Petrotec im ersten Quartal weit in die Pluszone. Ausgewiesen wurde am Mittwoch ein Nettogewinn von 13,7 Millionen Euro oder 1,18 Euro je Aktie.

Daraufhin stürzten sich kurzfristig orientierte Trader auf die Aktie und trieben das Papier auf neue Hochs.

Stutzig macht dabei vor allem die Tatsache, dass die Aktie erst in den letzten Tagen und Wochen so richtig abhob. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Forderungsverzichts am 23. Februar war der Kurs nur bis 0,45 Euro gestiegen und dümpelte dann bis zum 12. März zwischen 0,30 und 0,45 Euro. Zu diesem Zeitpunkt war der entscheidende Faktor für den jetzigen Kursanstieg bereits bekannt!

Den nächsten Kursschub gab es dann Mitte April als der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Günther Rau im Rahmen des Unternehmensbesuchs von Cem Özdemir (Bundesvorsitzender der Grünen) für 2010 eine schwarze Null ankündigte. Die jüngste Verdopplung ist nun wohl der Veröffentlichung der Zahlen fürs erste Quartal 2010 zuzuschreiben. Doch sind diese wirklich so gut, dass sie eine Marktkapitalisierung von 43 Millionen Euro rechtfertigen?

*Zahlen nur auf den ersten Blick gut

Ich habe hier große Zweifel, denn operativ schrieb Petrotec auch in den ersten drei Monaten des neuen Jahres rote Zahlen. Der Umsatzanstieg auf 13,6 Millionen Euro bedeutet zwar eine enorme Steigerung gegenüber dem Vorjahreswert von 5,7 Millionen Euro, allerdings nur von einer tiefen Basis aus.

Das Betriebsergebnis liegt bei minus 847.000 Euro. Noch deutlicher wird die Verlustträchtigkeit des Geschäfts bei Cash-Flow. Aus dem operativen Geschäft war ein Netto-Mittelabfluss von 3,2 Millionen Euro zu beklagen.

Petrotec hängt also weiter am Tropf des Großaktionärs. Daraus wird im Quartalsbericht kein Hehl gemacht: "Zur Verbesserung der Finanzlage hatte die IC Green Energy Ltd. zu Beginn des Geschäftsjahres 2010 zusätzliche Darlehen über eine Gesamtsumme von 4 Millionen Euro an Petrotec gewährt, von denen 2 Millionen Euro bereits ausgezahlt worden sind. Dennoch ist die Lage der Petrotec weiter als angespannt zu bewerten."

In einschlägigen Börsenforen herumgereichte Behauptungen, wonach Petrotec nun "komplett schuldenfrei" sei, sind leider falsch. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten haben sich durch den Deal zwar auf eine Millionen Euro verringert. Im Gegenzug sind aber die langfristigen Verbindlichkeiten auf Grund der neuerlichen Darlehen um knapp die Hälfte auf 15,6 Millionen Euro gestiegen.

Damit liegen alleine die langfristigen Verbindlichkeiten höher als das gesamte Eigenkapital von 11,4 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei akzeptablen aber immer noch niedrigen 31 Prozent.

Mit liquiden Mitteln von 1,3 Millionen Euro und einer offenen Kreditlinie in Höhe von zwei Millionen Euro ist Petrotec nur scheinbar sorgenfrei. Schließlich entspricht dieser Betrag gerade mal dem Mittelabfluss aus dem ersten Quartal.

Mit anderen Worten: Auch ein zusätzlicher weiterer Finanzbedarf ist nicht auszuschließen. Der ließe sich dann aber wohl nur über eine Kapitalerhöhung decken. Deren Bedingungen wiederum dürfte IC Green Energy diktieren. Die Israelis wären dann natürlich an einen möglichst tiefen Kurs interessiert.

*Hoffnung auf Besserung

Allerdings gibt es erste Anzeichen für eine Verbesserung im operativen Geschäft - und zwar in Form einer Richtlinie mit dem Kennzeichen 2009/28/EG. Diese sieht Doppelvergütungen für Biodiesel auf Basis von Abfallstoffen vor, sofern dieser als Beimischung zu fossilen Brennstoffen verwendet wird.

Neu ist das allerdings auch nicht. Der EU-Beschluss stammt aus dem April 2009. Immerhin, die Niederlande und Frankreich seien so zu einem "attraktiven wie potenziellen Markt" für Petrotec geworden, heißt es im Quartalsbericht weiter.

Ob das aber angesichts des unverändert hohen Preisdrucks in der Branche bereits für einen Sprung in die Gewinnzone reicht, scheint fraglich. Eine konkrete Prognose für das Erreichen der Gewinnzone sucht man im Quartalsbericht entsprechend vergebens.

MEIN FAZIT:

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint unter Berücksichtigung der verbesserten Perspektiven mit etwas Wohlwollen eine Bewertung mit dem zweifachen Buchwert angemessen. Das entspräche einer Marktkapitalisierung von ca. 23 Millionen Euro und damit einem Kurs von ca. 1,90 Euro.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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