Geldanlage-Report Armin Brack

Bitcoin Group vs. GFT Technologies oder: Spekulieren vs. Investieren!

13.11.17 14:41 Uhr

Bitcoin Group vs. GFT Technologies oder: Spekulieren vs. Investieren! | finanzen.net

Anhand eines Vergleichs der Bitcoin Group SE, einer Holding mit dem Schwerpunkt Kryptowährungen und Blockchain, mit der GFT Technologies, einem IT-Dienstleister im Bankensegment, will ich Ihnen heute den Unterschied zwischen Spekulieren und Investieren verdeutlichen - und die Konsequenzen die sich daraus für ihre Anlagestrategie ergeben.

Auf die Idee für dieses Thema brachte mich der Kursabsturz der bisher noch im TecDAX notierten GFT im Jahresverlauf und der zeitgleich erfolgte sensationelle Kursanstieg der Bitcoin Group. Im Ergebnis sieht das nun so aus, dass die Bitcoin Group im Moment eine Marktkapitalisierung von ca. 390 Millionen Euro aufweist und GFT Technologies von rund 290 Millionen Euro. Meiner Ansicht nach ist diese Bewertungsdifferenz aus fundamentaler Sicht vollkommen absurd.

Schnittmenge Blockchain

Wo liegt überhaupt die Schnittmenge der beiden Firmen? Bei der Blockchain-Technologie!

Nochmal ganz kurz erklärt: Unter "Blockchain" versteht man eine große Datenbank, die nicht auf einem einzigen Server liegt, sondern dezentral auf viele Rechner verteilt ist - und jeder Teilnehmer hat im Prinzip die gleichen Zugriffsrechte. Bei der praktischen Anwendung können sich daraus zwei Vorteile ergeben: Käufer und Verkäufer können direkt Werte austauschen, ohne dass dafür eine dritte Partei als Vermittler (z.B. Clearing-Haus) vonnöten wäre. Und durch die Dezentralität besteht eine erhöhte Sicherheit vor Hackerangriffen.

Welche Rolle spielt die Blockchain bei den beiden Firmen? Bei der Bitcoin Group betreibt deren momentan einzige Beteiligung, die Bitcoin Deutschland AG, nach eigenen Angaben Deutschlands einzigen Handelsplatz für den Bitcoin. Anleger können also über diese Plattform Bitcoins und inzwischen auch die Kryptowährung Ethereum kaufen und verkaufen. Die Differenzierung vom Wettbewerb rührt daher, dass die Bitcoin-Bestände der Kunden regelmäßig durch eine öffentlich rechtlich bestellte deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft werden.

GFT Technologies hat drei Teams gegründet, eins in England, eins in Italien und eins als Kooperationsprojekt zwischen Deutschland und Spanien. Diese Teams kennen die Prozesse bei ihren jeweiligen Bankkunden sehr genau und machen dann Vorschläge, wie sich Bankenprozesse mit der Blockchain besser abbilden lassen.

Erfolgreiches Proof of Concept bei GFT

Darüber hinaus haben die Stuttgarter bereits einige so genannte Proof of Concept-Projekte erfolgreich durchgeführt. Beispielsweise ist da das "Emerald"-Projekt zu nennen, in dem GFT mit der Royal Bank of Scotland den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr von verschiedenen Währungen ohne zentrales Clearing testet.

Clearing bedeutet letztlich soviel wie Abrechnung, Abwicklung oder Freigabe. Dabei werden gegenseitige Forderungen, Verbindlichkeiten und Lieferverpflichtungen festgestellt. Beispielsweise ist die Deutsche Börse AG die Clearing-Stelle für viele Wertpapiertransaktionen, die über deutsche Broker und Börsen abgewickelt werden.

Die Anforderung bei Emerald war nun, den Zahlungsverkehr ohne Clearing genauso schnell hinzubekommen wie mit einem zentralen Clearing. Konkret sollten 100 Transaktionen pro Sekunde ins System gebracht werden und zwar in einer Umlaufzeit von 25 Sekunden (was ausreichend für ein Zahlungssystem auf nationaler Ebene ist). Das ist gelungen.

CEO Marika Lulay: "Wir waren also mit der Blockchain-Technologie, die anerkanntermaßen noch nicht voll skaliert und noch nicht die schnellste ist, genauso fix wie die Bestandssysteme. Ohne Clearing dazwischen, sondern direkt! Jetzt stellen Sie sich vor, die Technologie wird schneller..." Und weiter: "Dieses Verfahren ist genauso sicher wie die Bestandssysteme, die von außen abgesichert werden. An sich ist die Blockchain sogar sicherer, weil die Transaktionen über viele Knotenpunkte verteilt laufen. Die müssten alle gleichzeitig gehackt werden, um die Blockchain anzugreifen."

Emerald ist also technisch ein großer Erfolg. Was das Beispiel aber auch zeigt ist, wie tief GFT in die Entwicklung einer solchen konkreten Anwendung für die Blockchain involviert ist und wieviel Know-how dabei vorhanden ist. Man ist darüber hinaus in entsprechenden Gremien aktiv. Es wird ständig ausgetestet, was geht und was eben nicht.

Deshalb nehme ich es auch sehr ernst, wenn Lulay sagt: "Die Blockchain wird nicht von heute auf morgen alles verändern. Aber wenn Banken heute diese Option in ihren Systemen und Prozessen nicht berücksichtigen, werden sie in fünf oder zehn Jahren ein großen Problem haben. Dann werden viele Verfahren auf Blockchain umgestellt sein und Banken senken damit ihr Prozesskosten dramatisch - und können in der Folge günstigere Services anbieten. Banken, die das nicht machen, bekommen Kostenprobleme."

Das verdeutlicht aus meiner Sicht zwei Dinge: Das Potenzial der Blockchain-Technologie ist riesig, aber die Entwicklung wird Zeit brauchen. Auch deshalb, weil die Banken sich zwar offiziell in Bitcoin-Konsortien wie z.B. R7 oder Hyperledger zusammenschließen, aber nicht wirklich zusammenarbeiten, sondern sich eher noch misstrauisch beäugen.

Zudem stehen viele Institute unter einem enormen Kostendruck, was zur Folge hat, dass zwei der wichtigsten Kunden von GFT, die Deutsche Bank und Barclays ihr IT-Budgets kurzfristig offenbar dramatisch zurückgefahren haben. Im zweiten Quartal sind nur wegen dieser beiden Kunden 37 Millionen Euro an Umsätzen für GFT weggebrochen. Obwohl das Geschäft mit so genannten Retail-Banken (also "normalen" Geschäfts- und Privatkundenbanken ohne Handelsabteilungen) speziell in Südeuropa sehr gut läuft, konnten die Schwaben das nicht ausgleichen.

Man musste im Jahresvergleich die Prognosen gleich zweimal senken. Das nahmen die Börsianer dem Unternehmen sehr übel, zumal man noch im August letzten Jahres die Umsatzprognose angehoben hatte. Auch der sehr erfahrene und erfolgreiche Ex-CEO Ulrich Dietz, der seit Gründung 30 Jahre lang kontinuierlich Mitglied der Geschäftsleitung und Ankeraktionär des Unternehmens war, wurde von den Entwicklungen rund um den Brexit und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auf dem falschen Fuß erwischt.

Obwohl GFT schnell gegengesteuert hat als die Probleme deutlich wurden (Forcierung der Expansion im Retail-Segment, u.a. durch eine kleinere Übernahme in Spanien, Umstellung der Vertriebsstruktur in den Problemmärkten Großbritannien und USA; Firmen aus der Industrie, zunächst im Raum Stuttgart als neue Kunden-Zielgruppe usw.), reagierte der Markt unerbittlich. Die Aktie zerbröselte es vom Hoch bei 32,70 Euro Ende 2015 bis auf aktuell nur noch rund 11 Euro.

Und wie so oft, dieser Seitenhieb sei erlaubt, "hauen" die meisten Analysten erst jetzt so richtig "drauf", als die Aktie bereits massiv abgestürzt ist. Kepler Cheuvreux hat nun innerhalb von sechs Wochen das Kursziel gleich dreimal reduziert von 15 über 12,50 bis auf 10 Euro am Freitag.

Natürlich kann man argumentieren, dass die Aktie auf Basis der aktuellen Zahlen bzw. Schätzungen immer noch nicht wirklich günstig aussieht (Marktkapitalisierung 290 Millionen Euro; erwarteter Gewinn vor Steuern in 2017 ca. 18 Millionen Euro). Aber zum einen werden anderen IT-Dienstleistern KGVs von 30 und mehr zugestanden und zum anderen frage ich mich, warum eigentlich keiner von der Blockchain-Fantasie bei GFT Technologies spricht?

Extreme Gewinnsteigerung bei der Bitcoin Group

Umgekehrt wird die Bitcoin Group damit aber geradezu überschüttet. Schauen wir uns mal die Halbjahreszahlen an: Der Umsatz kletterte um 128 Prozent auf 1,8 Millionen Euro und das Ergebnis vor Steuern um sage und schreibe 240 % auf 1,2 Millionen Euro. Aber: "Ursächlich für den Anstieg essenzieller Kennziffern ist der dynamisch gestiegene Bitcoinkurs und der damit verbundene Wert der vom Konzern gehaltenen Bitcoin-Bestände", heißt es wörtlich der Meldung.

Daraus lassen sich kritisch betrachtet zwei Dinge folgern: Erstens ist der Umsatz im ersten Halbjahr trotz des Bitcoin-Booms immer noch sehr überschaubar gewesen. Zweitens kommt der ohne Zweifel imposante Gewinnanstieg nicht durch die Profitabilität des Geschäftsmodells zustande, sondern durch den Anstieg des Bitcoin-Kurses und dem im Vergleich zu den vorigen Quartalen gestiegenen Bestand an Bitcoins.

Ich will gar nicht bestreiten, dass das zweite Halbjahr angesichts der anhaltenden Preissteigerungen beim Bitcoin und der dynamisch steigenden Kundenzahl der Bitcoin Deutschland AG nochmals dramatisch besser werden wird. Selbst wenn sich der Bestand weiter auf 5.000 Bitcoins erhöht haben sollte und man den aktuellen Kurs von ca. 7.000 US-Dollar je Bitcoin heranzieht, kommt man aber nur auf "zur Veräußerung verfügbare Vermögenswerte" von 35 Millionen Euro. Die Marktkapitalisierung liegt aber wie gesagt bei 390 Millionen Euro. Mir ist nicht ganz klar, wie die Bewertung des Geschäftsmodells von rund 350 Millionen Euro zu rechtfertigen sein soll?

Selbst wenn meine Annahmen noch viel zu konservativ und sich der Bestand auf ca. 10.000 Bitcoins erhöht hat (zur Erklärung: Die Bitcoin Deutschland AG berechnet seinen Kunden die Gebühren in Bruchteilen von Bitcoins, die dann in das Eigentum des Unternehmens übergehen. Offenbar hat man diese Bitcoins bisher überwiegend in eigenen Bestand behalten und nicht in Euro oder US-Dollar umgewechselt. Daher steigt der eigene Bestand an Bitcoins umso dynamischer an, je mehr über die Plattform gehandelt wird), so sind das immer noch "nur" 70 Millionen Euro an Vermögenswerten.

Und hier sind wir beim Thema Spekulation: Wer jetzt die Aktien der Bitcoin Group kauft, spekuliert letztlich entweder auf

a) einen weiteren dramatischen Anstieg des Bitcoin-Kurses und damit der Vermögenswerte der Bitcoin Group oder b) darauf, dass die Bitcoin Group in der Lage ist, neue Beteiligungen zu finden, die einen großen Mehrwert bringen (hier könnte sich in Kürze was tun, u.a. weil der Verwaltungsratsvorsitzende der Bitcoin Group, Martin Rubensdörffer, auch bei der BrainCloud AG (zukünftig: Advanced Blockchain AG) neu im Aufsichtsrat ist. Letztere hat wiederum eine Beteiligung an der Berliner nakamoto.to-GmbH aufgebaut, die an der angeblich "nächsten Evolutionsstufe" der Blockchain arbeitet. Denkbar wären hier beispielsweise Querbeteiligungen, weil man die leicht durch einen Aktientausch umsetzen könnte, ohne dass eine Kapitalerhöhung erforderlich würde).

Beides sind Spekulationen ohne Sicherheitsnetz. Vor allem aber fehlt meiner Meinung nach komplett die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Schon jetzt gibt es Dutzende Kryptobörsen weltweit (über die sich noch viel mehr Kryptowährungen handeln lassen) und im Prinzip wäre es auch für Konkurrenten mit relativ wenig Entwicklungsaufwand möglich, eine Konkurrenz-Plattform zu etablieren. Allen voran könnte man hier die Fidor-Bank nennen, über deren Programmierschnittstelle (API) der Expresshandel von bitcoin.de ja läuft.

Das wird früher oder später auch passieren und selbst wenn sich der Bitcoin und andere Kryptowährungen als Anlageklasse etablieren sollten und ein anhaltend reger Handel gegeben sein wird, so dürften die erzielbaren Margen äußerst niedrig sein. Denn: Die Blockchain-Technologie zielt ja gerade darauf ab, den Handel günstiger zu machen und Mittelsmänner auszuschalten. Das heißt mehr noch als bei z.B. Aktienbrokern könnte ein gnadenloser Preiskampf einsetzen. Zudem ist es ja alles andere als eine ausgemachte Sache, dass der Bitcoin tatsächlich auf ewige Zeiten, die dominierende Kryptowährung bleiben wird.

Das alles blendet der Markt im Moment komplett aus. Die Bitcoin Group wird als der deutsche Kryptowährungs-Star gefeiert, während die GFT wahlweise Hohn und Spott oder Beleidigungen enttäuschter Anleger über sich ergehen lassen muss.

Nur zur Klarstellung: Ich habe überhaupt nichts gegen die Bitcoin Group. Oliver Flaskämper, der über seine Priority AG Mehrheitsaktionär bei der Bitcoin Group ist und damit hinter den Kulissen die Fäden zieht, hat hier früh den richtigen Riecher für die fulminante Entwicklung des Kryptowährungsmarkts gehabt und strategisch alles richtig gemacht. Umgekehrt kann man der GFT Technologies vorwerfen, die Marktsituation bei der Banken-IT zuletzt falsch eingeschätzt zu haben und seine Anleger relativ lange über das sich eintrübende Geschäft im Unklaren gelassen zu haben.

Gegenüberstellung der Bewertung

Aber letzten Endes - und das ist mein entscheidender Punkt - ergibt sich der faire Aktienkurs aus den abdiskontierten zukünftigen Cashflows eines Unternehmens. Und hier haben wir auf der einen Seite GFT Technologies, ein seit 30 Jahren am Markt etablierter Player, der seine Umsätze von 2012 bis 2016 von 230 auf 420 Millionen Euro gesteigert hat, den Nettogewinn von acht auf 24 Millionen Euro verdreifacht hat und insgesamt in diesem Zeitraum rund 35 Millionen Euro an Dividenden ausgeschüttet hat. Ein Unternehmen das 4800 Mitarbeiter in zwölf Ländern beschäftigt und das Geschäft neben dem europäischem Raum auch nach Mexiko sowie nach Süd- und Nordamerika expandiert hat. Das technische Know-How im Unternehmen ist immens (wie ich oben ansatzweise beschrieben habe).

Selbst im extrem schwierigen Jahr 2017 dürfte GFT noch 14 bis 15 Millionen Euro netto verdienen. Dabei sind die Geschäftsaussichten für die kommenden Jahre alles andere als schlecht. Die Digitalisierung im Bankenbereich hat noch einen langen Weg vor sich. Die Regulierung der Branche nimmt tendenziell zu. Das sind vom Prinzip gute Rahmenbedingungen. Entsprechend soll der Gewinn ab 2018 wieder deutlich anziehen und das ehrgeizige Ziel eines Umsatz in Höhe von 800 Mio. Euro und einer EBITDA-Marge von rund zwölf Prozent soll nach wie vor erreicht werden, nur eben erst in 2022 statt in 2020.

Die Bitcoin Group dagegen wird im Jahr 2017 erstmals nennenswerte Gewinne erzielen bei einem Umsatz von geschätzt maximal fünf Millionen Euro. Umsätze und Gewinne in den kommenden Jahren sind nicht annähernd prognostizierbar, da sie im Moment quasi ausschließlich an der Entwicklung des Bitcoin-Preises und des Handelsvolumens hängen, das über die eigene Plattform abgewickelt wird. Der Markt geht aber auf Basis der aktuellen Marktkapitalisierung für die kommenden Jahre von weiteren dramatischen Steigerungen aus.

kaufen, investieren. Ich will das nicht werten. Beides hat seine Berechtigung. Aber zwei Punkte sind mir wichtig:

Erstens bin ich der festen Überzeugung, dass auch Kryptowährungs- und Blockchain-Enthusiasten, die mittel- und langfristig von den Chancen der Technologie profitieren möchten, bei GFT Technologies besser aufgehoben sind als bei der Bitcoin Group.

Und zweitens finde ich die Kurzsichtigkeit des Marktes beim Thema Bitcoin/ Blockchain frappierend. Die Marktteilnehmer blicken nur von Quartalsergebnis zu Quartalsergebnis und schießen bei der jeweiligen Interpretation vollkommen übers Ziel hinaus. Kaum jemand macht sich die Mühe zu überprüfen, wo wirklich Know-how vorhanden ist und wer auf mittel- und langfristige Sicht gut positioniert ist.

Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist bei GFT Technologies zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert. Es können also Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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