Jörg Krämer: "Am Aktienmarkt herrscht zu viel Optimismus"
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Dr. Jörg Krämer, spricht im Interview mit finanzen.net über das Weltbild von Donald Trump, die Entwicklungen am Aktienmarkt und die ungewissen Aussichten für die Eurozone.
Herr Dr. Krämer, Donald Trump wirft Deutschland und anderen Ländern unfaire Handelspraktiken vor und lässt alle Handelsbeziehungen der USA prüfen. Ist das berechtigt?
Dr. Jörg Krämer: "An diesem Vorwurf ist nichts dran. Selbst bei China sind die Anschuldigungen mit Blick auf deren Währung nicht gerechtfertigt. Schließlich drückt China seine Währung schon lange nicht mehr. Stattdessen verhindern sie sogar durch Interventionen, dass ihre eigene Währung abwertet. Auch mit Blick auf die EU sind die Vorwürfe haltlos. Aber so sieht nun einmal das Weltbild von Donald Trump aus: Für ihn gilt jeder Leistungsbilanzüberschuss eines anderen Landes - eben auch der von Deutschland - als unfair. Daher wird er seine Agenda weiterverfolgen, allerdings vor allem gegenüber kleinen Ländern wie Mexiko. Denn bei größeren Handelsblöcken wie der EU oder China müsste er damit rechnen, dass sie zurückschlagen. Aber Trump weiß das und wird sich daher zurückhalten."
Trump spricht aber immer wieder von Strafzöllen - und zwar längst nicht mehr nur für Waren aus Mexiko…
Dr. Jörg Krämer: "Trump wird das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko neu verhandeln. Das kann er aus einer Position der Stärke heraus tun, denn Mexiko ist wirtschaftlich klein verglichen mit den riesigen USA. Aber bei der EU oder bei China sieht das anders aus. Wenn zum Beispiel die Chinesen als Vergeltung amerikanische Agrarimporte mit Zöllen belegen oder sogar verbieten würden, dann würde das die Farmer im Mittleren Westen schwer treffen. Und das sind Wähler von Donald Trump."
Auch in Europa stehen in diesem Jahr noch einige Wahlen an. Hier sieht es mittlerweile so aus, als ob die rechtspopulistischen Parteien eine Niederlage einstecken müssten. Kommt die Eurozone damit endlich wieder zur Ruhe?
Dr. Jörg Krämer: "Der Euroraum hat sehr viele Konstruktionsfehler. Es fehlen wirksame Regeln zur Haushaltsdisziplin und zur Vermeidung wirtschaftlicher Ungleichgewichte. Und deshalb kommt der Euroraum unabhängig vom Ausgang der bevorstehenden Wahlen wirtschaftlich nicht zur Ruhe. Auch der Vormarsch der Establishment-Gegner, der Gegner der gemeinsamen Währung, wird weitergehen."
Sehen Sie die Gefahr weiterer Austritte aus der EU oder dem Euroraum?
Dr. Jörg Krämer: "Weitere Exits sind nicht auszuschließen. Die EU-Gegner befinden sich trotz der jüngsten Rückschläge strukturell im Aufwind. Es ist aber schwer zu sagen, welches Land der nächste Austrittskandidat sein könnte. Ich denke, die Risiken sind in den nördlichen Ländern etwas höher, deshalb sehe ich mir die Umfragen zur Beliebtheit des Euro in Ländern wie Finnland, Österreich oder den Niederlanden genau an."
Und die südlichen Länder?
Dr. Jörg Krämer: "Griechenland ist 2015 nicht aus der Eurozone ausgetreten, obwohl es möglich gewesen wäre. Generell haben wir im Süden eher Länder mit einer schwachen Währungshistorie. Durch den Euro haben sie Stabilität importiert, die sie bei einem Austritt verlieren würden. Außerdem müssten sie bei einem Austritt Verantwortung für ihre Wirtschafts- und Haushaltspolitik übernehmen müssen. Wenn sie dagegen in der Währungsunion bleiben, können sie das Ausland für die Missstände im eigenen Land verantwortlich machen."
Welche Rolle spielt dabei die Geldpolitik der EZB?
Dr. Jörg Krämer: "Die Währungsunion wird dank der Europäischen Zentralbank überleben. Die EZB hat wirkungsvolle Instrumente, mit denen sie die Währungsunion enorm stabilisieren kann: Sie kann Staatsanleihen kaufen, und sie kann für niedrige Zinsen sorgen, so dass die Finanzminister sich billiger finanzieren können. Aber diese Strategie, die Währungsunion mit der Notenpresse zu retten, hat natürlich eine Schattenseite. Die Währungsunion verändert sich dadurch. Wir entwickeln mit der Zeit mehr Ähnlichkeiten zum Italien der 70er und 80er Jahre. Heute haben wir Vermögenspreisinflation. In ein paar Jahren steigt auch die klassische Verbraucherpreisinflation an, was den Euro schwächen wird. 2012, auf dem Höhepunkt der Krise, habe ich das italienische Währungsunion genannt. Die Eurozone wird überleben, allerdings wird sie deformiert sein."
Hätte die EZB denn in der Vergangenheit anders handeln können, um den Euro zu retten?
Dr. Jörg Krämer: "Im Mai 2010, während der Griechenlandkrise, haben sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy mit dem damaligen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet zusammengesetzt und ihn dazu gedrängt, nur für ein halbes Jahr griechische Staatsanleihen zu kaufen. Danach würde der Rettungsfonds der Finanzminister einspringen. Dass die EZB darauf eingegangen ist, war der Kardinalfehler. Seitdem hat die Politik die EZB am Haken. Die Politiker wissen jetzt, dass sie nichts tun müssen, wenn etwas schiefläuft, sondern dass sie auf die EZB warten können. Und daher ist es für die Zentralbank jetzt schwierig, auszusteigen."
Sie glauben also nicht an eine baldige Straffung der Geldpolitik?
Dr. Jörg Krämer: "Die EZB wird ab Januar 2018 beginnen, ihre Anleihekäufe zurückzufahren. Allerdings nicht, weil alles so gut läuft, sondern weil sie ansonsten mehr als ein Drittel der deutschen oder italienischen Staatsanleihen halten würde, was rechtlich ein Problem wäre. Das erzwungene Ende der Anleihekäufe ist deshalb nicht das Ende der lockeren Geldpolitik. Anleger müssen sich leider darauf einstellen, dass die sehr niedrigen Zinsen für viele Jahre bleiben werden."
Der deutsche Leitindex liegt momentan nahezu auf Rekordniveau. Ist da noch Luft nach oben oder sehen wir demnächst einen Crash?
Dr. Jörg Krämer: "Ich glaube nicht, dass ein Crash auf uns zu kommt. Dafür ist die Konjunktur zu stabil und die deutschen Unternehmen steigern jetzt endlich ihre Gewinne. Aber es ist möglich, dass wir in den kommenden Monaten eine Korrektur sehen werden. Die Aktienmärkte, insbesondere in den USA, sind bereits recht teuer. Beim S&P 500 liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis momentan bei 18, also auf einem 13-Jahreshoch. Da steckt viel Optimismus drin, zu viel Optimismus. Das bietet Korrekturpotenzial, und einer Korrektur aus Amerika könnten wir uns auch in Deutschland nicht entziehen. Aber einen Crash werden wir nicht sehen."
Sollten die Deutschen dann jetzt noch Aktien kaufen?
Dr. Jörg Krämer: "Man kann sein Pulver trocken halten und auf einen besseren Zeitpunkt für den Einstieg hoffen, aber dass die Deutschen am Aktienmarkt einsteigen müssen, steht außer Frage. Die Deutschen haben schon strukturell gesehen zu wenig Aktien, auch von deutschen Qualitätsunternehmen. Die Hauptkäufer am deutschen Aktienmarkt sind Ausländer."
Wo steht der DAX zum Jahresende?
Dr. Jörg Krämer: "Wir haben bei der Commerzbank ein Jahresendziel von 11.700 Punkten für den DAX. Das haben wir bewusst nicht angehoben, weil der Markt für uns etwas zu weit gelaufen ist. Aber auch, wenn wir das Jahr bei 11.700 Punkten beenden würden, hätten wir dann immer noch ein kleines Plus auf der Kurstafel."
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Bildquellen: Alexandra Lechner/Commerzbank AG
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06.11.2024 | Commerzbank Overweight | JP Morgan Chase & Co. |
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