Euro am Sonntag

Strategie: Profitabler März, rätselhafter September

12.09.15 06:00 Uhr

Strategie: Profitabler März, rätselhafter September | finanzen.net

Die Aktienmärkte stehen vor einem heißen Herbst. China, Griechenland und die amerikanische Notenbank verunsichern Investoren - ausgerechnet im statistisch schlimmsten Börsenmonat.

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von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Das nennt man wohl Fehlstart. Gleich zum ersten Handelstag im September stürzte der DAX unter 10.000 Punkte. Auch wenn sich der Index danach erholt hat - der September könnte seinen bei Börsianer finsteren Ruf bestätigen. Seit 1959 verlor der DAX im September durchschnittlich zwei Prozent an Wert. In keinem Monat hat der Index schlechter abgeschnitten. Und in diesem Jahr scheint die Liste der Krisenherde besonders lang zu sein.

Der größte Unsicherheits­faktor bleibt die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Immer mehr Indikatoren sprechen dafür, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt das von der Regierung ausgegebene Wachstumsziel in diesem Jahr verfehlt. Vergangene Woche rutschte der Einkaufsmanagerindex für die chinesische Industrie, der auf einer Umfrage vorwiegend unter kleinen Unternehmen basiert, auf das niedrigste Niveau seit März 2009.

Zweiter Angstfaktor ist die Zinsentscheidung der US-Notenbank. Die Währungshüter werden am 17. September bekannt geben, ob sie erstmals seit dem Jahr 2006 den Leitzins anheben und damit das Ende der Ära des ultrabilligen Geldes einleiten.

Auch Griechenland könnte nach einer Phase der relativen Ruhe für Turbulenzen sorgen. Am 20. September wählen die Hellenen ein neues Parlament. Sollte es keinen klaren Sieger ­geben, würde das Zweifel verstärken, ob das hoch verschuldete Land wirklich die Kraft hat, die dringend erforderlichen Reformen durchzusetzen.

Wird der September also wieder zum Minusmonat? Jede Statistik hat ihre Grenzen. Einen klaren Grund für die Septemberschwäche der Aktienmärkte gibt es nicht. Eine gängige Theo­rie sieht eine Mischung aus Psychologie und Liquidität als treibende Faktoren. Es hat aber auch immer mal wieder September mit deutlichen Kursgewinnen gegeben. Und dann ist da der Faktor Zufall - bei zwölf Monaten muss zwangsläufig einer der schlechteste sein. Anleger sollten also auch im September die Krisenherde kühl analysieren.

Die Welt ist größer als China

China dürfte die größte Bedrohung für die seit mehr als sechs Jahre laufende Rally der Aktienmärkte sein. Vor allem deutsche Unternehmen haben vom rasanten Wirtschaftswachstum des Landes profitiert. Analysten schätzen, dass bis zu 15 Prozent der DAX-Konzern-­Gewinne in China erwirtschaftet werden. Derzeit kürzen Börsianer ihre Gewinnschätzungen für Unternehmen mit einer starken Abhängigkeit von China.

Im DAX sind besonders die Automobilwerte BMW und Volkswagen betroffen, europaweit vor allem Unternehmen aus dem Rohstoffsektor. Sinkende Gewinnschätzungen machen Aktien nach klassischen Be­wertungskennziffern wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) teurer und damit unattraktiver.

Aber selbst in pessimistischen Szenarien dürfte Chinas Wirtschaft weiter wachsen. Nicht wie von Peking geplant mit sieben Prozent im laufenden Jahr, aber immer noch stärker als ­Europa. Zugleich ist das Land nur ein Teil der Weltwirtschaft: "Rund 6,6 Prozent der deutschen Exporte gehen nach China. In den USA und der Euro­zone, also für Deutschland wichtigeren Exportzielen, entwickelt sich die Wirtschaft weiterhin solide. Das schafft ein Gegengewicht, das Schwächen aus dem Handel mit den asiatischen Schwellenländern ausgleichen sollte", kalkuliert Aktienmarktstratege Tammo Greetfeld von der Unicredit.

Die Zinswende in den USA ist vor allem ein psychologisches Thema. Zinsanhebungen von 0,25 Prozentpunkten pro Quartal müssten zu verkraften sein, zumal die Notenbank jederzeit auf die Bremse treten kann. Eine Zinsanhebung schon im September könnte an den Aktienmärkten sogar als positives Si­gnal interpretiert werden, nämlich dass die Notenbank den Aufschwung der US-Wirtschaft auf solidem Fundament sieht.

Während China und Zinswende an den Börsen heiß diskutiert werden, scheint Griechenland komplett aus der Wahrnehmung der Börsianer verschwunden zu sein - und könnte gerade deshalb für Aufregung sorgen.

Entscheidend für langfristig aufgestellte Anleger sollten Fundamentaldaten sein. Die sprechen derzeit zumindest für eine Stabilisierung der Aktienmärk­te. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX ist auf Basis der erwarteten Unternehmensgewinne für die kommenden zwölf Monate von 14 auf zwölf gerutscht. Damit liegt die Kennziffer auf dem Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. Auch die Dividendenrendite ist mit drei Prozent auf einem guten Niveau.

Schwer einzuschätzen ist die Psychologie der Märkte. Die Nervosität ist hoch. Das kann leicht Panikattacken auslösen. Zudem ist nach den deutlichen Kursgewinnen der Vorjahre die Verlockung groß, Gewinne mitzunehmen. Wer auf Nummer sicher gehen will, orientiert sich an charttechnischen Unter­stützungen. Beim DAX ist das Paniktief aus der Vorwoche bei 9.338  Punkten eine Marke, die Anleger im Auge behalten sollten. Auf Seite 72 erklären wir, wie Depots effektiv abgesichert werden können.

Investor-Info

Aktien
Werte für die Wende

Die Redaktion geht weiterhin davon aus, dass die Aktienmärkte spätestens auf dem August-Tief einen Boden finden. Als Dividendenwerte gefallen uns u. a Allianz und Freenet. Daimler bietet ebenfalls eine überdurchschnittliche Dividendenrendite. International bietet der Genussschein des Schweizer Pharmakonzerns Roche Substanz und Wachstum. Riskanter ist der IT-Dienstleister Cancom.

Unter­nehmen ISIN KGV 2016 Div.-Rend. 2016
Allianz DE0008404005 10,0 % 5,1 %
Cancom DE0005419105 13,7 % 2,5 %
Daimler DE0007100000 8,1 % 4,8 %
Freenet DE000A0Z2ZZ5 14,6 % 5,5 %
Roche GS CH0012032048 17,1 % 3,4 %
Quelle: Bloomberg

Zertifikat
Urlaub zur richtigen Zeit

Mit einem Produkt der Royal Bank of Scotland können Anleger den statistisch schwächsten Monaten ausweichen. Das Zertifikat auf den DAXplus Seasonal Strategy Performance-Index (ISIN: NL 000 019 630 1) bildet in den Monaten Oktober bis Juli den DAX ab, setzt in August und September auf Cash. Im laufenden Jahr haben sich Anleger mit dieser Strategie deutliche Kursverluste erspart.

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Bildquellen: MichaelJayBerlin / Shutterstock.com, Nagy-Bagoly Arpad / Shutterstock.com

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