Euro am Sonntag

Ölpreis: Die nächste Welle

24.12.16 03:00 Uhr

Ölpreis: Die nächste Welle | finanzen.net

Die großen Ölkonzerne haben ihre Kosten in der Krise radikal gedrückt. Jetzt ziehen die Preise am Rohstoffmarkt an. Die Branche steht vor einem harten Verteilungskampf.

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von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Rund 300 Kilometer südlich von New Orleans ragt eine wuchtige Plattform aus dem Meer. Die Bohrinsel mit dem Namen Mad Dog kann jeden Tag 80.000 Barrel Öl aus dem Boden pumpen. Hauptbetreiber ist der britische Ölriese BP. Seit mehr als zehn Jahren läuft die Produktion. Jetzt wird die Plattform ausgebaut. 20 Milliarden Dollar wollte BP ursprünglich investieren. Nach intensiver Überarbeitung hat Konzernchef Bob Dudley das Budget auf neun Milliarden Dollar gekürzt.



Mad Dog zeigt die verrückten Zyklen der Ölindustrie. In guten Zeiten ver­dienen Ölkonzerne extrem viel Geld. ExxonMobil, der größte börsennotierte Ölkonzern der Welt, erwirtschaftete auf dem Höhepunkt des letzten Zyklus einen bereinigten Nettogewinn von 41 Milliarden Dollar. In diesem Jahr werden laut Analystenschätzungen nur neun Milliarden übrig bleiben.

Die Extreme sind leicht zu erklären. Der Preis des schwarzen Goldes schwankt mit den Launen der Weltwirtschaft. Seit der Jahrtausendwende ist der Ölpreis zwei Mal abgestürzt. Der jüngste Crash wurde beschleunigt, weil das Angebot auf dem Weltmarkt durch erneuerbare Energien und Schiefergas stark gewachsen ist. Auf dem Tiefpunkt im Januar notierte der Preis für ein Fass Öl der Sorte Brent rund 75 Prozent unter dem alten Hoch. Das ist selbst für eine krisenerprobte Branche schwer zu verarbeiten.


Die Ölkonzerne reagieren routiniert - mit dem Rotstift. Die Unternehmensberatung Wood Mackenzie hat errechnet, dass Unternehmen der Ölindustrie ihre Budgets für die Jahre 2015 bis 2020 um 1.000 Milliarden Dollar gesenkt haben. Leidtragende des Krisenmanagements sind die Dienstleister der großen Ölkonzerne. Das sind Unternehmen, die einfaches Gerät vermieten oder eine breite Palette von Leistungen erbringen, sogar das komplette Tagesgeschäft auf Produktionsstätten übernehmen.

Wie angespannt die Lage ist, zeigen die jüngsten Geschäftsergebnisse. Bei Schlumberger, dem weltweit größten Dienstleister, schrumpfte der Gewinn im dritten Quartal zum Vorjahreszeitraum um mehr als 80 Prozent auf 176 Millionen Dollar. Halliburton, die Nummer 1 auf dem amerikanischen Markt, schaffte im selben Zeitraum einen Minigewinn von sechs Millionen Dollar.


Die gute Nachricht: Die schlimmste Phase dürfte überstanden sein. Seit Januar hat sich der Ölpreis fast verdoppelt. Jetzt haben sich die großen Fördernationen der Welt nach langen Verhandlungen darauf verständigt, ihre Produktion um rund zwei Prozent zu drosseln. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass sich die in der OPEC organisierten Staaten mit anderen großen Ölfördernationen wie Russland auf eine Förderkürzung verständigt haben.

Ebenfalls ermutigend ist die Aussage der Internationalen Energieagentur. Sie erwartet, dass die Nachfrage im kommenden Jahr dank größerer Aktivitäten in Russland und China etwas stärker sein wird als bislang angenommen.

Bohrköpfe drehen wieder auf

Die Ölindustrie erwacht zu neuem Leben. Abzulesen ist das an der Zahl der aktiven Bohrtürme in den USA. Bis Mai war deren Zahl von einst mehr als 2000 auf das Rekordtief von 404 gefallen. Seitdem geht es aufwärts. Anfang Dezember wurden 624 gezählt. Je mehr Anlagen in Betrieb genommen werden, desto stärker steigt die Nachfrage nach Personal und Gerät. Der Verteilungskampf zwischen Produzenten und Dienstleistern ist eröffnet. Halliburtons Topmanager Jeffrey Miller verglich die Preisverhandlungen in der Branche unlängst gar mit einer "Kneipenschlägerei".

Die Fronten im Kampf um Profite sind klar: BP-Chef Bob Dudley kalkulierte bei einer Präsentation im Juli, dass 75 Prozent der Kostensenkungen dauerhaft sein sollen. Andere Unternehmen wollen rund die Hälfte fest verankern. Die Dienstleister stellen naturgemäß andere Rechnungen auf. Es gehe darum, die Zugeständnisse, die man in den vergangenen beiden Jahren gemacht habe, zurückzufahren, betont Schlumberger-Chef Paal Kibsgaard.

Aufgewühlt wird der Wettbewerb durch eine spektakuläre Fusion: General Electric bringt sein Ölausrüstungsgeschäft mit Baker Hughes zusammen. Ein Merger von Baker Hughes mit Hal­liburton war zuvor am Widerstand der Wettbewerbshüter gescheitert. Das neue Baker Hughes, an dem General Electric knapp zwei Drittel der Aktien halten wird, könnte eine weitere Innovationswelle anstoßen. Roboter sollen in den kommenden Jahren noch mehr Arbeiten übernehmen, die bislang in der Hand von Menschen liegen. Das würde nicht nur die Betriebskosten senken, sondern auch die Risiken. Schließlich macht eine gut programmierte Maschine weniger Fehler als ein Mensch.

Kampf um die Marge

Mit General Electric dürfte Baker Hughes noch intensiver auf Big Data ­setzen - die systematische Auswertung großer Datenmengen. Dadurch kann beispielsweise schneller erkannt werden, welche Komponenten einer Anlage nicht mehr die optimale Leistung bringen und ausgetauscht werden müssen. Innovationsdruck wiederum begünstigt die Großen der Branche, weil Riesen wie Schlumberger und Halliburton den Kunden ein breiteres Angebot bieten als kleinere Wettbewerber.

Die Investmentbank Morgan Stanley hält es für realistisch, dass die großen Öldienstleister die Spitzenmargen im nächsten Aufschwung dank stärkerer Kostendisziplin und hochwertigerer Angebote früher erreichen als in früheren Zyk­len. Der Weg zurück zum Gipfel dürfte allerdings holprig bleiben. Die großen Ölstaaten haben sich in der Vergangenheit oft nicht an Absprachen über eine Drosselung der Fördermengen gehalten. Darum bleiben Zweifel, dass der Pakt dieses Mal hält.

Aufmerksam verfolgt werden in der Branche auch die Weichenstellungen des kommenden US-Präsidenten. Donald Trump besetzt zwei wichtige Posten in seinem Kabinett mit Personen, die einen engen Draht zur Ölindustrie haben: Exxon-Chef Rex Tillerson wird Außenminister und Rick Perry, der ehemalige Gouverneur von Texas, Energieminister. Diese Personalien unterstreichen nach Einschätzung der Commerzbank "das Ansinnen von Trump, Auflagen für die heimische Ölförderung zu lockern. Eine stärker steigende US-Ölproduktion würde das Überangebot auf dem Ölmarkt manifestieren und die Ölpreise belasten." Nach dem harten Sparkurs der vergangenen Monate aber werden die Konzerne kleinere Rückschläge verkraften können.

Investor-Info

Halliburton
Trump-Fantasie

Das laufende Jahr wird Halliburton nach Einschätzung der Analysten mit einem leichten Verlust abschließen. Damit dürfte der Boden erreicht sein. Für 2017 erwarten Analysten eine kräftige Erholung. Die Aktie hat bereits angezogen, Analysten aber sehen weiteres Kurspotenzial. Im dritten Quartal erzielte Halliburton 43 Prozent des Umsatzes in Nordamerika. Das macht den Konzern zu einem potenziellen Gewinner der industriefreundlichen Politik der Trump-Regierung.

Schlumberger
Rund um den Globus

Der weltgrößte Ausrüster ist geografisch breit aufgestellt. Ein Drittel des Umsatzes erzielte der Konzern im vergangenen Quartal in Asien und dem Nahen Osten, nur etwa ein Viertel in Nordamerika. Die breite Aufstellung ist langfristig ein Vorteil, derzeit aber wohl ein kleiner Nachteil im Vergleich zu Halliburton. Auch die Schlumberger-Aktie ist bereits kräftig gestiegen. Wir bleiben bei unserer Einschätzung als Halteposition.

SPDR S & P US Energy Select
Amerikas Energieriesen

Der Indexfonds des Anbieters State Street bildet die Wertentwicklung der wichtigsten Aktien aus dem amerikanischen Energiesektor ab. Größte Werte im Portfolio sind ExxonMobil, Chevron und Schlumberger. Auch Halliburton ist prominent vertreten. Der Index ist zuletzt bereits deutlich gestiegen, sollte unter der Trump-Regierung aber weiter gute Chancen bieten. Dividenden der Indexmitglieder werden bei diesem ETF wieder investiert.

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Bildquellen: mosista / Shutterstock.com, QiuJu Song / Shutterstock.com

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