Euro am Sonntag

Nebenwerte: Kleine Superhelden

12.09.18 01:00 Uhr

Nebenwerte: Kleine Superhelden | finanzen.net

Nebenwerte: Auf dem Equity Forum präsentieren sich die Chefs kleiner Firmen. Wie Anleger Schaumschläger von Perlen unterscheiden.

von Birgit Haas, Euro am Sonntag

Thomas Stümmler, Vorstandschef des Kassenherstellers Vectron, ist nach Frankfurt gekommen, um vor Investoren den neuesten Clou zu präsentieren: Dank ­einer Kooperation mit Deutschlandcard sollen Restaurantbesucher künftig Rabattpunkte sammeln können. Der Start ist für die kommenden Monate geplant. Dank der Vectron-Cloud, über die Kassen und Kunden miteinander vernetzt sind, wollen die Münsteraner Daten sammeln, die für Getränke- und Lebensmittellieferanten von großem Interesse sind.



Hört sich toll an. Vergangenes Jahr war allerdings noch der US-Brausehersteller Coca-Cola Kooperationspartner, und aus der damals hochtrabend angekündigten App "Get happy" ist bislang nichts geworden. Aber es ist Equity Forum - die Veranstaltung, bei der kleine Unternehmen die Fantasie der Investoren wecken und ihren Marktwert testen wollen. Teils mit Zukunftsmusik, teils mit bestehendem Geschäft. Sie stellen ihr Gold ins Schaufenster der Präsentationssäle, aber auf den Fluren tauschen sich Analysten und Anleger über die dahinter liegenden Probleme aus.

"Datendienste aus der Cloud ist im Prinzip unser neues Geschäftsmodell", sagte Stümmler. Allerdings sind bislang nur 9.000 Kassen angeschlossen. Der Vectron-Chef schränkt daher ein, dass die Datenlage umso besser werde, je mehr Kassen dem System angeschlossen sind. Man werde für Wirte und Einzelhändler entsprechende Anreize zur Beteiligung schaffen, kündigte er an. Doch welche das sein sollen, bleibt im Ungefähren. Und auf den Fluren heißt es: "Vectron muss jetzt erst mal liefern."

Informationen minimieren Risiken

Hinter einem Investment in einen Nebenwert, wie die Aktien der kleinen Unternehmen genannt werden, steht immer die Spekulation auf das Gelingen einer Idee, einer Übernahme oder einer sich öffnenden Marktlücke. Die für Fieberthermometer berühmte Firma Gera­therm hofft, dank des ab 2019 geltenden Quecksilberverbots die Nachfrage steigern zu können. Die Tüftler von Mynaric setzen darauf, dass Daten künftig nicht mehr via Kabel übertragen werden, sondern von ihren bald in Serie produzierten Satelliten. Der Frankiermaschinenhersteller Francotyp-Postalia will sein digitales System verkaufen und stark wachsen.

"Als Anleger sollte man immer mehrere Informationsquellen neben dem Unternehmen haben", sagte Georg Oehm, Verwaltungsratschef im Fondshaus Mellinckrodt. Zum Beispiel jemanden, der in der Branche arbeitet und beurteilen kann, wie realistisch ein Geschäftsmodell ist. Als aktuell attraktiv bewertet Oehm bis Jahresende bei den Miniaktien derzeit die Branchen Technologie, Energie und Medizintechnik.



Der Anlagenbauer Singulus ist so gesehen gleich in mehrerer Hinsicht ein spannender Wert. Früher belieferten die Unterfranken CD- und DVD-Produzenten mit Maschinen. Doch der Markt brach 2014 komplett zusammen. Noch hält Singulus am Plan fest, etwa mit anti­bakteriellen Beschichtungsapparaten in die Medizintechnik vorzudringen. Doch die Chinesen haben Singulus in die Energiebranche gedrängt. Über den Staatskonzern China National Building Material (CNBM) haben die Asiaten eine enorme Bestellung abgegeben. Für den Bau vier großer Solarparks liefert Singulus die Anlagen zur Beschichtung spezieller Solarmodule. Da die ersten Parks bereits entstehen, konnte die Firma den Auftragseingang auf 65 Millionen Euro im ersten Halbjahr mehr als verdoppeln. "Aktuell planen wir die dritte Fabrik in Nordchina", sagte Finanzchef Markus Ehret beim Equity Forum.

Anleger setzen mit der Aktie aber nicht nur auf eine Trendbranche. CNBM wartet derzeit auf die Freigabe für den Kauf von 18,2 Prozent der Anteile an ­Singulus. Gut möglich, dass die Chinesen künftig die Firma komplett übernehmen. Ein Wermutstropfen: Die Eigenkapitalquote ist mit knapp 17 Prozent recht niedrig.

Laut Experte Oehm ist aber gerade bei Nebenwerten eine niedrige Verschuldung mit einem hohen Barmittelbestand eine Voraussetzung für die Investition. Nur so sei ein Unternehmen für die nächste Krise gewappnet: "Die Aktienmärkte sind in einer spätzyklischen Phase. Dann sind Aktien beliebt, weil sie schnell liquidierbar sind. Kommt es zu Korrekturen, verkaufen die Investoren aber oft ohne Blick auf das einzelne Unternehmen." Anleger sollten deshalb überlegen, was passiert, wenn der Kapitalmarkt nur beschränkt zugänglich ist.

Ein Grund, wieso man beim Medizintechniker Geratherm alle Entwicklungen aus eigener Tasche finanziert. Die Thüringer legen Wert auf eine hohe Eigenkapitalquote, aktuell liegt diese bei 77 Prozent. Dafür ist der Kurs zuletzt abgerauscht. Eine brasilianische Tochter hatte laut Vorstandschef Gert Frank "Fake-Umsätze" gemeldet. Aus Verrechnungsgründen war der Umsatz im ersten Halbjahr rückläufig. Ohne die Luftnummer wäre das Wachstum laut Frank aber "deutlich zweistellig" gewesen.

Trotz solcher Risiken - die Chancen sind enorm. Nebenwerte beweisen ihre Superhelden-Eigenschaften oft nach Korrekturen. Die Kursentwicklungen hängen die der Schwergewichte im Schnitt locker ab.

Investor-Info

Singulus
Umsatz in Aussicht

In der Bilanz ist der Zusammenbruch des ­Disc-Marktes 2014 noch sichtbar. Im ersten Halbjahr schrieb Singulus rote Zahlen, das operative Ergebnis lag bei minus 300.000 Euro. Dank hoher Auftragslage und Vorauszahlungen ist Singulus aber so liquide, dass die Bestellungen ohne Verzögerung abge­arbeitet werden dürften und der Umsatz in der zweiten Jahreshälfte zulegen dürfte. ­Anleger nutzen den günstigen Kurs zum Einstieg und hoffen auf Übernahmefantasien.

Geratherm Medical
Heiße Wette

60 Prozent beziehungsweise 6,2 Millionen Euro haben Fieberthermometer im ersten Halbjahr zum Umsatz beigetragen. Das ist ­etwas weniger als noch im Vorjahr, aber das dürfte sich ändern, sobald Quecksilber weltweit verboten wird. Geratherm bereitet sich auf Sonderschichten im Gallium-Thermo­meterwerk vor. Das Gute daran: Die Temperaturmesser sind das margenstärkste Produkt des Hauses. Zudem hat Geratherm zahlreiche Produkte kurz vor der Marktreife und überzeugt mit hohen Dividendenausschüttungen.

Gesco
Auf 18 Säulen

Die Industriegruppe Gesco investiert in profitable "Hidden Champions" und hält sie. Nach Beilegung eines Kartellverfahrens, dem ausnahmsweise erfolgten Verkauf der Problemtochter Protomaster und der Akquise des Prozessanlagenherstellers Sommer & Strassburger ist Gesco erfolgreich ins neue Jahr gestartet. Der Auftragseingang war stark wie nie. Nun soll der neue Vorstandschef die Marge verbessern. Unterm Strich wirkt das Umsatzziel von bis zu 560 Millionen Euro konservativ.


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Bildquellen: Julian Mezger für Finanzen Verlag, sergign / Shutterstock.com

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29.04.2010Geratherm Medical Stopp auf 6,90 EUR nachziehenFocus Money
30.03.2010Geratherm Medical haltenPerformaxx-Anlegerbrief
15.10.2009Geratherm Medical Stopp auf 5,60 EUR nachziehenFocus Money
11.08.2009Geratherm Medical abwartenPerformaxx-Anlegerbrief
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