ifo-Chef Clemens Fuest: Wohlstand ist in Gefahr
Merkel-Beben » CDU-Kandidat Friedrich Merz will Haushalte stärker am Kapitalmarkt beteiligen. ifo-Chef Fuest: Wer Angela Merkel als Kanzlerin beerben will, muss die Wettbewerbsfähigkeit von BMW, Daimler & Co sichern.
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von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag
Nach der Rücktrittsankündigung von Kanzlerin Angela Merkel als CDU-Vorsitzende haben zwei Anwärter auf den Vorsitz, Friedrich Merz und Jens Spahn, bereits erste Positionen ihrer künftigen Politik skizziert. Merz, der sich selbst als "wirtschaftsliberal, wertkonservativ und sozialpolitisch engagiert" bezeichnet, fordert unter anderem eine stärkere Beteiligung privater Haushalte an den Kapitalmärkten. "Deutschland hat eine viel zu kleine Zahl von Aktionären", sagte Merz in Berlin. Andere Länder seien hier viel weiter. "Ich möchte dazu beitragen, dass auch wir da weiterkommen."
Der 62-Jährige warnte außerdem, dass die Folgen der Finanzkrise noch längst nicht ausgestanden seien. "Die Finanzkrise wird die offenkundige Spaltung unserer Gesellschaft in einigen Jahren noch weiter vertieft haben." Dies sei auch ein Ergebnis der Nullzinspolitik der Zentralbanken. "Die Folgen können wir derzeit nur erahnen, verstehen werden wir sie erst in einigen Jahren."
Merz ist Deutschland-Aufsichtsratschef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, der auch wesentliche Beteiligungen an zahlreichen DAX-Konzernen hält. Merz kündigte an, er werde sich in Kürze inhaltlich noch ausführlicher positionieren.
Neben Merz hat auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seine Kandidatur erklärt. In einem Gastbeitrag für die "FAZ" rückte er vor allem das Migrationsthema in den Mittelpunkt. Von der CDU forderte er einen "Neustart". Die gleichfalls als Kandidatin angetretene CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer will sich in den nächsten Tagen äußern.
Gewählt wird die CDU-Spitze auf einem Bundesparteitag Anfang Dezember. Merkel hatte am Montag angekündigt, sie werde nach 18 Jahren an der Parteispitze nicht mehr antreten.
Fuest: Wohlstand in Gefahr
Der Chef des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, sieht neben der Digitalisierung der Wirtschaft und dem demografischen Wandel auch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie als dringende wirtschaftspolitische Aufgabe für denjenigen, der Angela Merkel im Amt des Bundeskanzlers beerben wolle. "Der Wohlstand in Deutschland wird nicht zu halten sein, wenn unser Land seine Position als weltweit führender Standort der Autoindustrie verliert", sagte Fuest gegenüber €uro am Sonntag.
Ein potenzieller Nachfolger der Kanzlerin müsse gleichzeitig dafür sorgen, dass der Umweltschutz und die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie in Einklang gebracht würden, so der ifo-Präsident. "Natürlich muss die Autoindustrie auch selbst dazu beitragen und Fehler der Vergangenheit abstellen."
Achim Wambach, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Vorsitzender der Monopolkommission, mahnte mit Blick auf den Führungswechsel neue Impulse in der Energiepolitik und bei der Unternehmensbesteuerung an. Die im Koalitionsvertrag genannte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung müsse gerade mit Blick auf die Innovationsschwäche im Mittelstand rasch umgesetzt werden, sagte Wambach gegenüber €uro am Sonntag.
Die Rückzugsankündigung der CDU-Chefin vom Montag hatte auch zu besorgten Reaktionen von Ökonomen geführt. So wertete der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, den Schritt Merkels als Warnsignal. "Die Entscheidung ist ein Schock für Deutschland und Europa, der Unsicherheit schafft."
Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, hält dagegen eine politische Aufbruchstimmung in Berlin für möglich, die auch dem Aktienmarkt positive Impulse geben könne. "Ein stärkerer Fokus der Politik auf die wirtschaftspolitisch drängenden Themen könnte der nachlassenden Zuversicht bei den Geschäftsaussichten der Unternehmen entgegenwirken", sagt Mumm.
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