Euro am Sonntag-Meinung

Versteckte Risiken: Wie es soziale Medien den Unternehmen schwer machen

01.12.19 16:00 Uhr

Versteckte Risiken: Wie es soziale Medien den Unternehmen schwer machen | finanzen.net
John King

In den sozialen Medien verbreiten sich Informationen über ein mögliches Fehlverhalten oder Missstände in Windeseile. Das kann Unternehmen schwer schaden.

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von Steve Wreford und John King, Gastautoren für €uro am Sonntag

Jedes Unternehmen agiert unter einer "gesellschaftlichen Lizenz". Diese Lizenz wird allerdings häufig erst dann sichtbar, wenn sie gefährdet ist oder einem Unternehmen ganz entzogen wird. Dann kehren Verbraucher einer Marke den Rücken zu, Regierungen erlassen Gesetze, um Konsumenten zu schützen, oder Regulatoren bestrafen den Vertrauensverlust mit Auflagen. Dies wiederum hat weitreichende Folgen für den Aktienkurs des betroffenen Unternehmens - und damit auch für die Rendite der Anleger.

Mit dem Aufkommen der sozialen Medien haben die Beziehungen zwischen Unternehmen und Gesellschaft stark an Bedeutung gewonnen. Denn der kontinuierliche Wertewandel, dem Gesellschaften unterliegen, hat mit den neuen Medien einen Katalysator bekommen. Zudem erwarten die Menschen zunehmend von Unternehmen, dass sie ihre Werte teilen. Unternehmen wie Apple, Google und Microsoft überbieten sich deshalb mittlerweile im Wettbewerb um Nachhaltigkeit - und das aus gutem Grund. Immer kritischer wurden die Nachfragen in den Medien zu ihren Zulieferern und den Bedingungen, unter denen deren Mitarbeiter für die Technologieunternehmen arbeiten.

Doch nicht nur Unternehmen, ganze Branchen müssen auf die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen reagieren. Entwicklungen wie der Klimawandel sensibilisieren Konsumenten und verändern ihr Kaufverhalten. Ein solcher Wertewandel kann langsam vonstattengehen und trotzdem ganz plötzlich zu einer Bedrohung für ganze Wirtschaftszweige werden. Vor allem Branchen, die starke Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit oder schwache Bevölkerungsschichten haben, sind anfällig für den Entzug der gesellschaftlichen Lizenz und das Eingreifen von Politik und Regulatoren.

Für andere Branchen hängt die gesellschaftliche Lizenz dagegen stärker vom Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Gesellschaft ab. So steht zum Beispiel die Rohstoffindustrie, insbesondere die Förderung fossiler Energieträger wie Kohle und Öl, aufgrund der Umweltauswirkungen immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Doch noch wiegen die Steuereinnahmen und die Energieversorgung der Menschen offensichtlich stärker. Die Frage ist allerdings, wie lange das angesichts immer ausgereif­terer tragfähiger Alternativen noch so bleibt.

Für Anleger bedeutet das, dass sie die Beziehungen zwischen der Gesellschaft und einem Unternehmen beziehungsweise dessen Branche genau unter die Lupe nehmen sollten, bevor sie langfristige Investmententscheidungen treffen. Dazu gehört, die zentralen Themen zu identifizieren, die das Unternehmen oder dessen Branche in Zukunft beschäftigen werden. Dann gilt es, diese Themen vor dem Hintergrund sich ­abzeichnender gesellschaftlicher Entwicklungen zu bewerten.

Denn: Die ­Gewinner von heute sind häufig die Verlierer von morgen. Ein Unternehmen, das heute über eine starke Marktposition verfügt und entsprechend hoch ­bepreist ist, kann sich langfristig als schlechte Investition entpuppen, wenn sich beispielsweise die gesellschaftliche Akzeptanz seiner Branche insgesamt verschlechtert. Umgekehrt kann auch ein ­aktuell günstig bewertetes, eher schwaches Unternehmen in einem Aufwärtstrend eine gute Investition sein.

ESG-Risiken müssen bei der Analyse mehr beachtet werden


Die Analyse von Finanzdaten allein reicht heute nicht mehr aus, um die zukünftige Wertentwicklung eines Unternehmens einzuschätzen. Wer lang­fristig investieren möchte, sollte gesellschaftliche Entwicklungen und ihre möglichen Auswirkungen auf Unter­nehmen im Blick haben. Eine Analyse der Beziehungen eines Unternehmens zur Gesellschaft sowie möglicher Konfliktpunkte ist darum ein notwendiger Bestandteil jeder langfristigen Investmentstrategie.

Die beschriebenen ESG-Risiken sind real, sie bewegen sich aber außerhalb des Blickfelds einer traditionellen ­Investmentanalyse. Wir empfehlen ­Investoren deshalb einen integrierten Ansatz, der die vielfältigen Beziehungen eines Unternehmens zur Gesellschaft angemessen berücksichtigt und be­wertet.

Kurzvitae

Steve Wreford, John King
Analysten bei Lazard Asset Management
Steve Wreford und John King arbeiten im Portfoliomanagement von Lazard Asset ­Management. Das ­Unternehmen wurde 1970 in New York ­gegründet. Seit 1999 ist es auch in Deutschland vertreten und bietet ein breites Spektrum an ­Produkten aller Assetklassen, die für verschiedene Kundentypen ­entwickelt wurden.








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Bildquellen: Lazard Asset Management

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