Siltronic-Chef: "China hinkt technologisch hinterher"
Der Chef von Siltronic, dem Hersteller großer Silizium-Wafer, über die Stabilität des Aufschwungs in der Branche und Pekings Ambitionen in dieser Zulieferindustrie für Halbleiterkonzerne.
Werte in diesem Artikel
von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Es war wie ein Paukenschlag, als Siltronic vergangenen Mittwoch seine Jahresprognose deutlich erhöhte. Der Aktienkurs des Herstellers von Wafern schoss in der Spitze um fast zehn Prozent nach oben. Wegen steigender Verkaufspreise für die Siliziumscheiben stellen die Münchner nun mindestens 1,12 Milliarden Euro Umsatz in Aussicht statt bisher 1,06 Milliarden Euro. Bei der operativen Marge werden 27 Prozent statt bisher 23 angepeilt. Seit dem vierten Quartal des Vorjahres steigen die Preise für Wafer zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder.
Chips und die dafür benötigten Scheiben sind zyklische Massenmärkte. Allein Siltronic-Kunde Samsung, weltweit die Nummer 2 der Chipbranche, verarbeitet monatlich rund eine Million Wafer. Geht die Nachfrage zurück, entwickeln sich gefährliche Abwärtstrends für die Produzenten. So ging 2009 die Infineon-Tochter Qimonda im Strudel der globalen Finanzkrise unter.
Von Plotho diktierte Siltronic daher 2010, in seinem ersten Jahr als Chef, einen harten Sparkurs: Sechs Prozent Produktivitätssteigerung pro Jahr statt der von Mitarbeitern vorgeschlagenen zwei Prozent. Der promovierte Chemiker, der seine Karriere bei der Siltronic-Mutter Wacker Chemie gestartet hat, war mit dem Geschäft vertraut und erntet nun die Erfolge.
€URO AM SONNTAG: Herr von Plotho, was sind die großen Treiber für den aktuellen Aufschwung?
Christoph von Plotho: Flashspeicherchips, inzwischen auch Ersatz für viele Festplatten in Computern, sind seit 2015 ein großer Faktor. Was einige Analysten aber immer noch unterschätzen, ist der Siliziumbedarf in der Automobilindustrie. In einem Mittelklasse-Auto werden 50 Quadratzentimeter Silizium verbaut. In der Oberklasse sind es 250 bis 350 Quadratzentimeter. Zehn Jahre später wird der frühere Standard aus der Oberklasse die Mittelklasse erreichen.
Für Schub sorgt auch die beschleunigte Digitalisierung im Auto.
Ja. Durch hybriden und elektrischen Antrieb, Fahrassistenzsysteme und autonomes Fahren steigt der Anteil an Chips und Sensoren und damit des verbauten Siliziums weiter.
Macht es den Aufschwung stabiler?
Ja, aber das ist nicht der entscheidende Faktor. Auslöser für die sehr großen Ausschläge während der 80er- und 90er-Jahre war der heftig schwankende Chipbedarf in der Computerindustrie. Damals waren 35 bis 40 Prozent der verkauften Siliziumfläche für Rechner bestimmt. Bei der Einführung neuer Betriebssysteme waren neue, leistungsfähigere Computer notwendig.
Heute ist das Geschichte.
Und damit auch die starken Ausschläge, 50 Prozent rauf und anschließend 40 Prozent runter. Heute werden für Computer 16 bis 17 Prozent der verkauften Siliziumfläche genutzt. Es gibt keine Anwendung mehr, die den Bedarf ähnlich stark beeinflusst wie früher Computer.
Inzwischen sind Waferkapazitäten knapp. Die Preise steigen wieder.
Jeder Hersteller hat Reserven für zusätzliche Fertigungslinien großer Wafer, Siltronic sowohl am Standort in Singapur als auch in Freiberg in Sachsen. Noch lohnt es sich aber nicht, die Kapazitäten zu erhöhen.
Weshalb?
Auf dem Preisniveau in der zweiten Hälfte 2016 hätte es zehn Jahre gedauert, bis wir die Investitionen wieder in der Kasse hätten. Für Siltronic lohnen sich diese Ausgaben erst ab einem Preisanstieg von 30 Prozent. Dann verdienen wir das Geld schon in fünf Jahren zurück.
Wie laufen die Preisverhandlungen mit den Kunden?
Gut. Im vierten Quartal 2016 haben wir erstmals die Preise erhöht, zunächst für Scheiben, die über die vertraglich vereinbarten Mengen hinaus geliefert wurden. Im ersten und zweiten Quartal haben wir dann Preise in den Verträgen, wo es möglich war, erhöht. Wir haben nicht aufgehört, daran zu arbeiten.
Wie eng ist der Markt inzwischen?
Die Kunden haben geringe Lagerbestände, die Hersteller nur geringe Reserven von Fertigprodukten.
Wie kam es zur Überschätzung des Waferbedarfs, der die Branche über ein Jahrzehnt stark belastet hat?
Vor zwölf Jahren hatten die meisten Hersteller Pilotlinien für die damals neue Technologie für große Scheiben mit 300 Millimeter Durchmesser, anschließend entschied sich jeder, auch in Fabriken zu investieren. Damit entstanden in den Gebäuden Kapazitäten für eine globale Monatsproduktion von sieben Millionen Scheiben. Verglichen mit der Spitze der Nachfrage, die damals bei 17 Millionen Wafern pro Monat erwartet wurde, schien das nicht zu viel.
Wie ging es weiter?
Es wurden Produktionslinien für nur 5,4 Millionen Scheiben hochgefahren, etwa das heutige Niveau.
Und dann?
Der Auslöser für den letzten tiefen Abschwung war die globale Finanzkrise im Jahr 2009. Auf dem Tiefpunkt der Entwicklung lag die Auslastung der Produktion großer Wafer in der Industrie bei weniger als 50 Prozent. Weil auf 300-Millimeter-Scheiben mehr Chips Platz haben und die Fertigung deshalb effizienter ist, stellten Hersteller von Speicherchips wie Samsung und Intel auf die größeren Scheiben um. Die Nachfrage nahm deshalb kontinuierlich zu. Der Weg in bessere Zeiten war vorgezeichnet. Dennoch war die aktuelle Entwicklung Anfang 2016 noch nicht zu erkennen.
Die fünf größten Hersteller liefern zusammen 90 Prozent der Wafer. Wie stabil ist dieses Oligopol?
Bis zur Übernahme des US-Konkurrenten Sun Edison Semi durch GlobalWafers aus Taiwan im vergangenen Jahr war es instabil. Schon vor unserem Börsendebüt im Jahr 2015 wurden Sun Edison, LG Siltron aus Südkorea und wir als Kandidaten für eine Konsolidierung gehandelt.
Welche Folgen hat dieser jüngste Zusammenschluss für Siltronic?
Keine. Bei 300-Millimeter-Wafern hatte GlobalWafers kaum eigene Kapazitäten. Siltronic bleibt deshalb in diesem Segment mit starkem Wachstum weltweit die Nummer 3.
Wie sieht der Kapazitätsausbau in den nächsten fünf Jahren aus?
Bisher ist zu hören, dass Erhöhungen nur in kleinen Schritten denkbar sind, und auch nur dann, wenn die zusätzlichen Mengen durch Verträge abgesichert sind.
Siltronic liefert mit seinem größten Werk in Singapur derzeit pro Monat 325.000 große Wafer mit 300 Millimetern Durchmesser aus. Was kostet der Bau einer neuen Fabrik?
Die nächsten Kapazitätserweiterungen benötigen keine neuen Fabriken. Alle Hersteller haben noch freie Fläche in existierenden Werken. Ein solcher Ausbau kostet für 1.000 Scheiben pro Monat etwa zwei Millionen Euro. Eine neue Fabrik ist deutlich teurer.
In diesem Jahr gibt es 20 Millionen Dollar Vorschuss von Siltronic-Kunden - bei 100 Millionen Euro Investitionsbudget. Weshalb?
Zwei Kunden haben Interesse an höheren Mengen sehr spezifischer, veredelter Produkte. Im Verhältnis zu dem, was wir selbst dafür investieren, ist diese Vorauszahlung sehr signifikant. Für uns ist es keine Erhöhung der Kapazität, sondern eine Verschiebung im Produktmix. Das wird mit Vorauszahlungen abgesichert.
Peking hat sich beim Aufbau einer Chipindustrie bis 2025 große Ziele gesetzt. Können die Chinesen in die Top 5 der Waferhersteller aufsteigen?
Der Aufbau einer Chipindustrie stand immer schon auf Pekings Agenda. Der globale Jahresumsatz mit Chips liegt bei rund 350 Milliarden Dollar. Davon werden 260 Milliarden in China verbaut. Dort hergestellt werden nur Chips im Wert von zehn Prozent des Markts. China will mehr Chips entwickeln und fertigen. Wir glauben, dass dieser Bereich und nicht die Herstellung von Wafern Vorrang in der Planung hat.
Wo stehen chinesische Waferhersteller aktuell im globalen Markt?
Sie haben mit mäßigem Erfolg Produktionen für 150-Millimeter-Scheiben aufgebaut. Anfang 2018 will Zing Semiconductor eine 300-Millimeter-Fertigung hochfahren. Pro Monat sollen 150.000 Scheiben geliefert werden, aber nicht mit dem neuesten Technologiestandard.
Mit welchen Folgen?
Die zusätzliche Menge entspricht weniger als drei Prozent des Weltmarkts. China ist mit dieser Technologie zwei bis drei Generationen hinterher. Bei kleineren 200-Millimeter-Scheiben liefern Hersteller aus dem Reich der Mitte bisher keine wettbewerbsfähigen Wafer in größeren Mengen. Ich denke deshalb, dass China bei großen Wafern in den nächsten fünf Jahren keine Rolle spielen wird, es sei denn, die Technologie wird im Ausland zugekauft.
Auch Siltronic war bis vor Kurzem im Visier der Chinesen...
Dazu müssen Sie unseren früheren Mutterkonzern Wacker fragen.
Geforscht und entwickelt wird bei Siltronic nur im bayerischen Burghausen. Fabriken werden dagegen weltweit betrieben, beispielsweise in Singapur. Wie funktioniert das?
Singapur hat im Bezug auf Personalkosten in der Produktion deutliche Vorteile gegenüber Deutschland. Für die Entwicklung haben wir in Burghausen ein weitgehend stabiles Potenzial von über 400 Ingenieuren mit durchschnittlich mehr als 15 Jahren Berufserfahrung. Beim Personal in Singapur liegt die jährliche Fluktuation bei 15 bis 18 Prozent. Damit ist es dort wie auch anderswo in Asien unmöglich, ein ähnliches Potenzial an Wissen und Erfahrung aufzubauen.
Wie bestehen Europäer in einem Markt, der in Asien sehr groß ist?
Die Position in Asien hängt nicht davon ab, wo produziert wird. Samsung hat mit uns 2006 das Joint Venture in Singapur gegründet. Der Konzern wollte die Sicherheit, mit ausreichend vielen Wafern beliefert zu werden. Wir suchten jemanden, der sich an den Kosten beteiligt und dafür sorgt, dass die Fertigung von Beginn an ausgelastet ist.
Siltronic hat seinen Anteil am Joint Venture auf 78 Prozent erhöht. Was folgt als Nächstes?
Es gibt keine Pläne für 100 Prozent. Für Samsung dürfte der Anteil von 22 Prozent im engen Markt einen hohen Stellenwert haben.
Einige Analysten rechnen ab 2018 mit regelmäßigen Dividenden?
Langfristig sind Dividenden möglich. Nach dem Börsengang hatten wir 150 Millionen Euro Cashreserven. Diese werden sich jetzt weiter erhöhen. Zu gegebener Zeit werden wir deshalb darüber nachdenken, die Aktionäre daran zu beteiligen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Aussage dazu jedoch verfrüht.
Reformer:
Christoph von Plotho kam 1984 als Laborleiter in das Münchner Familienunternehmen Wacker Chemie. In dem Spezialchemiekonzern verbrachte der promovierte Chemiker den Großteil seiner Karriere, bevor er 2010 die Führung der Tochterfirma Siltronic übernahm. "Es kommt wesentlich darauf an, Vorgänge für Mitarbeiter transparent zu machen", sagt der heute 61-Jährige über schwierige Zeiten bei Siltronic. Er brachte die TecDAX-Firma auf Vordermann und 2015 an die Börse. Im Urlaub genießt der in Bonn geborene Rheinländer und Vater einer Tochter die französische Lebensart. Sein Hobby ist das Fahren von Oldtimern.
Vita:
Zunehmend mehr Schub
Siltronic und auch die anderen Hersteller von Siliziumscheiben für Chips haben die volle Auslastung ihrer Anlagen erreicht. Siltronic kann seine Kapazitäten in bereits vorhandenen Fabriken um gut ein Drittel erhöhen. Das lohnt sich jedoch erst, wenn die Preise für Wafer im Durchschnitt um 30 Prozent gestiegen sind. Diese Marke ist noch ein gutes Stück entfernt. Für 2017 und 2018 wird bei großen Wafern ein jährlicher Anstieg der Nachfrage um fünf Prozent erwartet. Die Aktie bleibt deshalb kaufenswert.
Ausgewählte Hebelprodukte auf Samsung GDRS
Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf Samsung GDRS
Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
---|
Name | Hebel | KO | Emittent |
---|
Weitere Samsung GDRS News
Bildquellen: Stefan Freund/Siltronic AG
Nachrichten zu Siltronic AG
Analysen zu Siltronic AG
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
13.12.2024 | Siltronic Buy | Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG | |
28.11.2024 | Siltronic Buy | Jefferies & Company Inc. | |
28.10.2024 | Siltronic Hold | Deutsche Bank AG | |
24.10.2024 | Siltronic Kaufen | DZ BANK | |
24.10.2024 | Siltronic Neutral | UBS AG |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
13.12.2024 | Siltronic Buy | Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG | |
28.11.2024 | Siltronic Buy | Jefferies & Company Inc. | |
24.10.2024 | Siltronic Kaufen | DZ BANK | |
24.10.2024 | Siltronic Buy | Jefferies & Company Inc. | |
07.10.2024 | Siltronic Buy | Jefferies & Company Inc. |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
28.10.2024 | Siltronic Hold | Deutsche Bank AG | |
24.10.2024 | Siltronic Neutral | UBS AG | |
08.10.2024 | Siltronic Neutral | UBS AG | |
01.08.2024 | Siltronic Neutral | UBS AG | |
26.07.2024 | Siltronic Hold | Deutsche Bank AG |
Datum | Rating | Analyst | |
---|---|---|---|
04.07.2024 | Siltronic Sell | UBS AG | |
07.05.2024 | Siltronic Sell | UBS AG | |
02.05.2024 | Siltronic Sell | UBS AG | |
26.04.2024 | Siltronic Sell | UBS AG | |
11.04.2024 | Siltronic Sell | UBS AG |
Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für Siltronic AG nach folgenden Kriterien zu filtern.
Alle: Alle Empfehlungen