Euro am Sonntag-Interview

Patrizia-Chef: "War froh, das Gymnasium endlich zu verlassen"

08.06.15 03:00 Uhr

Patrizia-Chef: "War froh, das Gymnasium endlich zu verlassen" | finanzen.net

Wolfgang Egger, der Gründer von Patrizia Immobilien, über seinen kometenhaften Aufstieg vom Gelegenheitsbauarbeiter zum Chef eines der größten Immobilienverwalter Europas.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Madame Tussauds gehört künftig zu Patrizia. Der Augsburger Immobilienverwalter hat soeben das Gebäude des traditionsreichen Wachsfigurenkabinetts in London im Auftrag des taiwanischen Versicherungsriesen Fubon Life gekauft. Patrizia wird es für die Asiaten verwalten. Wenige Wochen vor dem Geschäft im Volumen von knapp einer halben Milliarde Euro hatte Gründer Wolfgang Egger einen großen schwedischen Immobilienfonds übernommen. Patrizia sicherte sich damit 13.500 Wohnungen in Deutschland.

Es waren zwei Geschäfte ganz nach dem Geschmack des 49-jährigen Firmengründers und Mehrheitsaktionärs. Patrizia betreibt inzwischen Niederlassungen in Großbritannien, Spanien, im Benelux-Raum und in Skandinavien. Das Unternehmen ist schon lange keine klassische Immobilienfirma mehr, die Immobilien handelt oder Mieten kassiert. Patrizia verwaltet Gebäude im Auftrag großer, zahlungskräftiger Kunden - dazu gehören etwa Pensionsfonds, Versicherungen und Versorgungswerke. "Wir sind der erste Vermögensverwalter der Branche in Europa", sagt Egger. Mit den jüngsten Zukäufen verwaltet Patrizia Immobilienvermögen im Wert von über 16 Milliarden Euro. Um die Expansion ins europäische Ausland zu finanzieren, verkaufte der Schwabe die Immobilien in Firmenbesitz weitgehend. Stattdessen entwirft und entwickelt der Selfmade-Milliardär Portfolios im Auftrag von rund 200 Kunden. Daran ist Patrizia dann jeweils mit bis zu zehn Prozent beteiligt.

In der Branche wurde Eggers Gespür für Trends schon oft unterschätzt. Das war bereits 1984 so, als der 19-Jährige Patrizia gründete. Wolfgang Egger darüber, wie alles begann und wie es mit dem SDAX-Wert weitergeht.

€uro am Sonntag: Herr Egger, die Geschichte Ihrer Firma hatte einen ungewöhnlichen Start. Was hat Sie als Jugendlicher an Baustellen fasziniert?
Wolfgang Egger:
Ich fand die Nähe zum Handwerk sehr früh anziehend. Wohl auch, weil Probleme auf den Baustellen nicht mit Debatten, sondern mit Geschicklichkeit, Können, Erfahrung und vor allem gesundem Menschenverstand gelöst werden. Als Zwölfjähriger wollte ich am Bau jedoch zunächst nur Geld für meine erste Kamera, eine Nikon EM, verdienen. Auf dem Land fragte damals keiner, ob man schon alt genug ist, um am Bau zu arbeiten. In der sechsten Klasse am Gymnasium hatte ich dann meine erste Kamera.

Die Lehre als Maurer hat Ihnen Ihre Mutter verboten. Sie machten dann eine Ausbildung zum Zahntechniker und schmissen die Schule. Warum?
Ich war froh, das Gymnasium endlich verlassen zu können. Und meine Lehrer wahrscheinlich auch.

Bereits als 18-Jähriger bauten Sie Ihr erstes Haus. Wie kam es dazu?
Als Sohn vom Land bekam ich sehr früh ein elterliches Grundstück geschenkt. Zusammen mit Freunden und Handwerkern, die ich durch meinen Ferienjob kannte, habe ich noch während meiner Ausbildung damit begonnen, das Haus zu bauen. Als es fertig war, hatte ich Schulden im sechsstelligen Bereich und das Gefühl, dass es das doch nicht gewesen sein kann. Also habe ich das Haus verkauft. Meine Eltern waren davon nicht begeistert und stimmten nur zu, weil ich den Gewinn aus dem Verkauf in Immobilien investieren wollte.

Was war das Startkapital für Patrizia?
Eigentlich der Ertrag aus dem Verkauf meines Hauses. Den Gewinn habe ich als Eigenkapital für die Finanzierung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen eingesetzt. Ich hatte zuvor ausgerechnet, wie viel Miete ein Mieter in 30 Jahren für seine Wohnung zahlt. Damals waren es 500 Mark pro Monat, in 30 Jahren also 180.000 Mark. Die Option, die Wohnung für 200.000 Mark zu kaufen, um sie während der nächsten 30 Jahre abzuzahlen, war hierzulande Mitte der Achtziger völlig neu. Von den Mietern, die bereits in dem Haus lebten, haben einige ihre Wohnung gekauft. Das war die Geburtsstunde von Patrizia. Drei Jahre später haben wir rund hundert Wohnungen pro Jahr privatisiert und vor allem an die Mieter verkauft.

Heute baut Patrizia ausschließlich Portfolios für Dritte auf, um sie im Auftrag dieser Investoren zu verwalten. Warum funktionierte das Modell nicht schon beim Börsengang 2006?
Es hat immer funktioniert, nur hat anfänglich keiner davon Notiz genommen. So konnten wir schon vor zehn Jahren ausländische Pensionskassen aus Dänemark und den Niederlanden erstmals für ein Co-Investment gewinnen. Kurz danach zog aber die Finanzkrise auf. Infolge der Krise haben sich institutionelle Anleger mit Neuinvestments sehr zurückgehalten. Erst als die Auswirkungen der Krise behoben waren, haben sich institutionelle Anleger mit neuen Investments auseinandersetzen können. Seither gewinnt unser Geschäftsmodell der Co-Investments an Beachtung. Das beruht vor allem darauf, dass institutionelle Anleger sehen konnten, wie sich die von uns verwalteten Immobilien in der Krise entwickelt haben.

Warum stürzte der Wert der Patrizia- Aktien während der Finanzkrise vor­übergehend unter einen Euro?
Beim Börsengang hatten wir nahezu ausschließlich Fonds aus den USA als Großaktionäre. Als sich dann im Frühjahr 2007 auf dem US-Wohnimmobilienmarkt die Subprime-Krise ankündigte, haben die Aktienfondsverwalter auch alle Aktien von europäischen Wohn­immobilienverwaltern verkauft. Schon vor der Pleite der US-Bank Lehman hatte sich unser Aktienkurs halbiert und beschleunigte dann seine Talfahrt.

Weshalb?
Zu dem Zeitpunkt standen gut 500 Millionen Euro zur Refinanzierung an. Das Problem war nicht, dass unsere Immobilien im Wert verloren haben, sondern dass Banken ihre Kredite drastisch zurückfuhren. Damals unkten die Medien, dass wir es nicht schaffen würden, eine Refinanzierung in dieser Größenordnung zu bekommen. In dieser Wahrnehmung am Markt signalisierte der Kurs­absturz Alarmstufe Rot. Intern hatten wir aber Zeit, mit der Umstellung zu beginnen. Die Finanzindustrie griff uns damals nicht an.

Warum hätte sie das tun sollen?
Das Immobiliengeschäft ist mit der Finanzindustrie eng verbunden. Große Spieler entstehen deshalb in der Bankenwelt. Unser Geschäftsmodell kommt aus der Immobilie. Dieser Ansatz ist in Europa deshalb einzigartig. Obwohl wir uns als Investmentmanager verstehen, bleiben wir nahe am Kern der Branche. Unsere Experten sind keine Excel-Listen-Apostel, sie fahren regelmäßig auf Baustellen. Deshalb steht bei uns am Empfang eine Schuhputzmaschine. Wir haben uns an diese Position in kleinen Schritten herangearbeitet und Investmentplattformen aufgebaut - auch für Märkte, auf denen sich bisher überwiegend Private-Equity-Firmen befinden.

Die Finanzbranche hat sich inzwischen erholt. Muss Patrizia Angriffe fürchten?
Damit hätten wir kein Problem. Wir sind mit rund 200 institutionellen Kunden und 15,5 Milliarden Euro Immobilienvermögen eine Größe, die nicht wegdiskutiert werden kann. In Europa kommt keiner an Patrizia vorbei.

Ist der Komplettverkauf eigener Port­folios eine Folge der Erfahrungen mit Banken während der Finanzkrise?
Nein. Wir haben das Geld aus dem Verkauf der Liegenschaften in den Aufbau einer europäischen Plattform für Immobiliendienstleistungen investiert. Durch diese Aufstellung können wir das Anlagerisiko über die verschiedenen Nutzungsarten und unterschiedlichen Immobilienmärkte diversifizieren. Aufgrund der versetzten Zyklen in den verschiedenen Märkten sind wir überzeugt, dass wir die Schwankungen in einzelnen Wertentwicklungen besser ausgleichen und höhere Renditen bei gleichbleibendem Risikoprofil erwirtschaften. Damit sind wir eine Pensionskasse im Immobilienmarkt.

Trotz der europäischen Plattform kommen 95 Prozent der Co-Investoren in Ihren Portfolios noch aus Deutschland.
Wir sind damit erst am Anfang. Pensionskassen aus Dänemark und Holland sind seit 2006 an Bord. Dazu kommen inzwischen berufsständische Versorgungswerke aus der Schweiz oder Österreich und Staatsfonds aus Schweden.

Privat haben Sie einen erheblichen Betrag in ein Shoppingcenter in Shanghai investiert. Warum?
Gemeinsam mit anderen Familien und den richtigen Leuten vor Ort engagiere ich mich seit Längerem auf dem Immobilienmarkt in Asien. Ich denke auch hier sehr langfristig und meine, dass ab einer bestimmten Größenordnung auch bei Immobilienvermögen eine Diversifizierung nach Währungsräumen und Kulturen notwendig ist.

Wieder bestens in Schuss
Die Aktie nähert sich einem neuen Höchstkurs bei 20 Euro. Wesentlicher Treiber: Patrizias Erfolg als Vermögensverwalter für institutionelle Investoren in Europas Immobilienbranche. Wenige Monate nach dem Börsendebüt 2006 lösten die US-Subprime-Krise bei Immobilien sowie die Finanzkrise eine Talfahrt aus, die 2008 erst bei einem Kurs von 87 Cent und 50 Millionen Euro Börsenwert endete. Aktuell ist Patrizia 1,4 Milliarden Euro wert.

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Bildquellen: Patrizia Immobilien

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