Fußballer Rolfes: "Buffett hat mich inspiriert"
Simon Rolfes, der Kapitän des Erstligisten Bayer 04 Leverkusen, über die Weltmeisterschaft in Brasilien, die Vermarktung der Bundesliga - und warum er sich als Value-Investor sieht.
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von Florian Westermann, Euro am Sonntag
Die vergangene Saison lief gut für Simon Rolfes: In der Bundesliga eroberte Bayer Leverkusen Platz 4, im August spielt die Werkself in den Play-offs um den Einzug in die Champions League. Der Vize-Europameister von 2008 ist auch an der Börse trittsicher. €uro am Sonntag traf Rolfes in der Leverkusener BayArena und sprach mit ihm über seine Investments - und die Chancen der Nationalmannschaft.
€uro am Sonntag: Herr Rolfes, die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien steht vor der Tür. Wie schätzen Sie Jogis Truppe ein?
Simon Rolfes: Wir haben eine unglaublich starke Mannschaft, aber auch das Problem, dass viele Spieler verletzt sind. Es wird sich zeigen, ob die Formkurve nach fünf, sechs Partien nach oben geht oder ob die Mannschaft wegen der vielen Blessuren in ein Formtief rutscht.
Fünf, sechs Partien - Sie gehen also davon aus, dass es die Deutschen weit bringen. Wird es nach 24 Jahren endlich wieder was mit dem Weltmeistertitel?
Das Halbfinale ist auf jeden Fall drin. Ab hier trifft man aber auf die Topmannschaften und vieles ist von der Tagesform abhängig. Um es bis ins Finale zu schaffen, müssen die Jungs als Mannschaft funktionieren. Das deutsche Team ist unglaublich offensivstark. Um gegen die Besten der Welt zu bestehen, muss die Mannschaft aber alle Tugenden in die Waagschale werfen: Teamgeist, Kampfstärke und Disziplin.
Die Buchmacher handeln Brasilien als klaren Favoriten. Holt das Team um Trainer Luiz Felipe Scolari den Pott im eigenen Land?
Ich schätze die Brasilianer mit Ausnahmespielern wie Dani Alves oder Neymar hoch ein. Zuhause ist es aber oft schwer, dem hohen Druck standzuhalten. Die Argentinier haben es da einfacher. Die Mannschaft um Kapitän Lionel Messi ist mit dem Klima und der Kultur bestens vertraut. Für mich haben die Albiceleste, die Weiß-Himmelblauen, die besten Karten für den Pokal.
Welcher Spieler kann auf dem Platz derzeit am meisten verzaubern?
An der Weltspitze ist es natürlich sehr knapp. Ich sehe Cristiano Ronaldo vorne. Kaum ein Spieler ist in der Lage, solche Tore zu erzielen. Ronaldo ist unglaublich dribbelstark, schnell und bei jedem Freistoß brandgefährlich. Dahinter steckt viel harte Arbeit und Training, Training, Training.
Werfen wir noch einen Blick auf die Bundesliga. Nach dem Debakel der DFB-Auswahl bei der EM 2000 in Belgien und in den Niederlanden wurde die Nachwuchsförderung umgekrempelt. Die Vereine betreiben heute Leistungszentren für junge Spieler, ohne die es die deutsche Nationalmannschaft in ihrer heutigen Form wohl nicht gäbe. Was ist die nächste große Herausforderung?
Die Bundesliga ist in den vergangenen Jahren nach dem Vorbild der großen Sportligen in den USA professionalisiert worden und ein fantastisches Produkt geworden. Bei der Internationalisierung hapert es aber. Wenn Sie nach Asien schauen, haben die Engländer einen enormen Vorsprung. Fußballfans in Asien eifern vorwiegend britischen Traditionsvereinen wie Manchester United oder dem FC Chelsea nach. Der deutsche Fußball muss aufpassen, hier nicht auf Dauer in Rückstand zu geraten. Wenn der Vater erst einmal seinen Lieblingsverein hat, dann wird es sehr, sehr schwierig, den Sohnemann von einem anderen Verein zu überzeugen.
Wurde das Problem inzwischen erkannt?
Die DFL hat im Juni 2012 eine Repräsentanz in Singapur eröffnet, um die Vermarktung der Bundesligen in der Asien-Pazifik-Region voranzutreiben. In der Bundesliga haben zum Beispiel nur Bayern und Schalke eine Website auf chinesisch. In England haben alle Topteams nicht nur eine chinesische Website, sondern Fans aus China können auch in ihrer Sprache Trikots und sonstige Fanartikel bestellen. Die Engländer sind den deutschen Vereinen in der Verwertungskette also weit voraus. Man ist sich des Problems inzwischen zwar durchaus bewusst, aber es muss noch viel mehr getan werden.
Wie geht es mit der Nationalmannschaft weiter, wenn die Generation um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger in den Ruhestand geht: Gibt es genügend Nachwuchstalente hierzulande, die diese Lücke füllen können?
Die Nachwuchsförderung ist eine dauerhafte Arbeit, die permanent auf höchstem Niveau ausgeführt werden muss. Schwächen werden zwar nicht sofort, dann aber nachhaltig sichtbar. Wir befinden uns immer noch in dem 2000 begonnenen Zyklus der Professionalisierung des Nachwuchsfußballs. Deswegen habe ich aktuell keine Sorge um einen Mangel an Talenten.
Sie sind nicht nur seit über einem Jahrzehnt Profifußballer, sondern auch ein erfolgreicher Investor. Wie kamen Sie zur Börse?
Wenn ich mein Taschengeld als Kind nicht in Panini-Sammelbilder gesteckt habe, dann in die silbernen Gedenkmünzen, die es damals für zehn Mark zu kaufen gab. Später wurde es eine Goldmünze. Als ich die Münze in den Händen hielt, war die Ernüchterung groß. Ich hatte nicht erwartet, dass eine zehntel Unze so mickrig daherkommt (lacht). Aber das gute Stück besitze ich noch heute. Als die Börsen zur Jahrtausendwende zum Höhenflug ansetzten, stiegen mein Bruder und ich in Aktienfonds ein. Den Absturz haben wir voll mitgemacht.
Das hat Sie aber nicht daran gehindert, es noch einmal zu versuchen?
Nein, ganz im Gegenteil. Kurz nach dem Crash wurden erst einmal Wunden geleckt. Mit dem Beginn meiner Profikarriere 2001 habe ich aber angefangen, mich noch intensiver mit dem Thema Aktien und Börse zu beschäftigen. Mir fielen unter anderem die Biografie von Warren Buffett und "The Intelligent Investor" von Benjamin Graham in die Hände (Anmerkung der Redaktion: Das Buch gilt als das Standardwerk zum Thema Value Investing). Überhaupt hat mich Buffett sehr inspiriert. Mich beeindruckt auch sein Charakter. Trotz seines märchenhaften Erfolges ist er auf dem Boden geblieben, er muss sich nicht mit Statussymbolen schmücken. Für mich ist das ein Zeichen der Stärke.
Mit dem Beginn Ihrer Profikarriere ging es also richtig los - hatten Sie ab da höheren Anlagedruck?
Ganz und gar nicht. Durch das Aneignen von Know-how war ich auf der Suche nach einem Mentor in Sachen Finanzen, den ich auch fand. Mit ihm setze ich erfolgreich langfristige Strategien um. In welchem Tempo, hängt dann auch von der Situation an der Börse ab. Manchmal muss man auch einfach geduldig abwarten.
Sehen Sie sich wie Buffett als klassischen Value-Investor?
Definitiv. Mir geht es nicht darum, kurzfristige Gewinne zu erzielen. Ich setze auf Firmen, bei denen ich ruhig schlafe. Man muss an der Börse Geduld aufbringen und genau wissen, wo man investiert. Stellen Sie sich bloß einmal vor, der Preis für Ihre Immobilie würde tagtäglich ermittelt werden - da würden Sie ja verrückt werden.
Gewähren Sie uns doch einen Einblick in Ihr Aktiendepot ...
Ich halte große Stücke auf Walt Disney. Der Konzern besitzt ein unglaubliches Repertoire an Filmwerten und eine einmalige Verwertungskette. Ich erinnere nur an Pixar, die Superheldenschmiede Marvel oder Lucasfilm mit der "Star-Wars"-Reihe. Disney profitiert ja nicht nur vom Kinoerfolg, sondern später auch vom Merchandising in den eigenen Freizeitparks.
Setzen Sie auch auf deutsche Aktien? Welche gefallen Ihnen?
Aber natürlich, etwa Beiersdorf. Überlegen Sie einmal, welchen Aufwand Sie betreiben und welche finanzielle Mittel Sie in die Hand nehmen müssten, um eine Marke wie Nivea aufzubauen. Die Aktie stagnierte bis Anfang 2012, aber seitdem geht es kräftig aufwärts. Selbst bei einem deutlichen Kursrutsch würde ich kein Stück hergeben.
Wo sehen Sie den DAX am Jahresende?
Ich will mir nicht anmaßen, die Kursentwicklung kurzfristig vorherzusagen. Es spielt auch keine Rolle, ob der DAX dann bei 9.000, 10.000 oder 11.000 Punkten steht. Auf lange Sicht bin ich optimistisch.
Ihr Vertrag bei Bayer läuft im Sommer 2015 aus. Was kommt danach? Hängen Sie noch ein paar Jahre an Ihre Profilaufbahn dran?
Wie es sportlich weitergeht, entscheide ich, wenn es so weit ist. Ich bleibe dem Fußball aber auf alle Fälle verbunden. Zurzeit absolviere ich einen Studiengang zum MBA-Sportmanagement. In drei Semestern steht der Abschluss an.
Würden Sie die Kickerkarriere noch einmal wählen?
Definitiv. Probleme und Schattenseiten gibt es auch im Profifußball, aber die schönen Momente überwiegen eindeutig.
Kapitän der
Bayer-Werkself
Simon Rolfes wurde am 21. Januar 1982 in Ibbenbüren/Nordrhein-Westfalen als jüngster von vier Söhnen eines Lehrerehepaares geboren. Seine Karriere begann Rolfes 1986 beim westfälischen Heimatverein TuS Recke. Über die Vereine Werder Bremen, SSV Reutlingen und Alemannia Aachen kam der 1,91 Meter große Mittelfeldspieler zur Saison 2005/06 zu Bayer 04 Leverkusen. Hier erkämpfte er sich die Kapitänsbinde, die
er seit der Saison 2008/09 trägt. Bei Bayer läuft er mit der Rückennummer 6 auf.
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