Euro am Sonntag-Interview

Carsten Maschmeyer: "Inflationsschutz werden wir brauchen"

13.05.17 12:00 Uhr

Carsten Maschmeyer: "Inflationsschutz  werden wir brauchen" | finanzen.net
Carsten Maschmeyer

In Reichen-Rankings wird der Ex-Chef des Finanzvertriebs AWD als Milliardär gelistet. Im Interview spricht er darüber, wie Normalverdiener wenigstens Millionäre werden können.

von Mario Müller-Dofel, €uro am Sonntag

Finanzexperten kennen ihn schon lange, einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde der heute 57-Jährige aber durch seine Hochzeit mit der Schauspielerin Veronica Ferres im Jahr 2014 und seine TV-Auftritte als Juror und Investor in der Gründershow "Die Höhle der Löwen" auf VOX. Medien beziffern sein Vermögen auf bis zu 1,2 Milliarden Euro.

€uro am Sonntag: Herr Maschmeyer, wir sprechen mit Ihnen, damit Sie uns sagen, wie man Millionär wird. Schließlich haben Sie "Die Millionärsformel" geschrieben - ein Buch, das vor gut einem Jahr erschien. ­Zunächst: Haben Sie damit schon die Autorenhonorar-Million geknackt?
Carsten Maschmeyer: (lacht) Sachbücher bringen den Autoren nicht sehr viel Geld. Mir ging es um etwas ganz ­anderes: Ich bin davon überzeugt, dass viel mehr Menschen sich finanziell ­verbessern könnten, wenn sie mit Geld anders umgehen würden. Aber leider herrscht ein großes finanzielles Unwissen in Deutschland, obwohl Finanzwissen die Basis für Vermögensbildung ist. Mit dem Buch will ich dazu beitragen, Finanzwissen zu verbreiten.

Und glauben Sie, dass das gelingt?
Bei Amazon stand "Die Millionärs­formel" zumindest kurzzeitig mal auf Platz 1 der Verkaufsrangliste - vor "Harry Potter"! Ich bekomme heute noch im Schnitt zehn Bücher pro Tag von Lesern geschickt, damit ich diese ­signiere.

Eine aktuelle Studie sagt, 60 Prozent der Deutschen finden finanzielle Sicherheit "besonders wichtig". Dennoch interessieren sich nur 30 Prozent "stark" für eine sichere Geldanlage. Ein Paradox?
Warum? Mit finanzieller Sicherheit ist ja nicht unbedingt eine bestimmte Geldanlage oder ein spezielles Finanzprodukt gemeint.

Was dann?
Damit verbinden die Menschen eher, was folgt, wenn sie vielleicht eines Tages krank oder berufsunfähig sind. Oder sie fragen sich, ob sie die Studienkosten ihrer Kinder zahlen können, ob ihr Lebensversicherungsanbieter die Niedrigzinsphase überlebt, ob sie immer die monatlichen Immobilienhypotheken bezahlen können und ob später die Rente reicht. Der individuelle Wunsch nach finanzieller Sicherheit spiegelt subjektives Risikoempfinden.

Viele Finanzprofis fordern Wirtschaft und Geld als ein Schulfach. Sie auch?
Das wäre spätestens ab den oberen Schulklassen eine sehr gute Sache. Dann wüssten zum Beispiel mehr Menschen, dass in den vergangenen 200 Jahren in jeder 15-Jahres-Phase Aktien die Geldanlage mit der höchsten Rendite waren. Stattdessen schmoren heute allein in Deutschland fast zwei Billionen Euro auf Sparbüchern - zu beinahe null Prozent Zinsen bei relativ hoher ­Inflation! Das ist reine Vermögens­vernichtung.

Im ersten Quartal 2017 lag die Inflation im Schnitt bei 1,9 Prozent pro Monat.
Ja, und vor genau dieser Warenkorb-Inflation habe ich in der "Millionärsformel" gewarnt. Ich spreche darin drei weitere Gefahren an, darunter eine ­Asset-Inflation. Möglicherweise sehen wir die schon bei vielen Aktien, ganz bestimmt aber bei deutschen Immobilien. Drittens prognostizierte ich: Die Banksafes werden knapp, weil die Leute mehr Bargeld lagern. Versuchen Sie heute mal, einen zu bekommen! Und viertens habe ich geschrieben, dass die Banken wegen der Zinsen, die sie selbst an die EZB abführen müssen, ihre Kosten indirekt an die Kunden weitergeben werden. Nun erhöhen sogar die Sparkassen ihr Kontoführungssalär und wollen Gebühren an Geldautomaten.

Bleiben wir bei den Immobilien. Sehen Sie eine Preisblase?
Ja, mindestens in den großen Städten. Nehmen wir nur mal die Kennzahl "Mietmultiplikator". Eigentlich gilt eine Immobilie als teuer, die mehr als das 20-Fache der Jahresnettokaltmiete kostet. Heute zahlen die Käufer in den Städten manchmal bereits das 30- bis 40-Fache. Sogar die Bundesbank und große Geschäftsbanken warnen schon.

Andere Fachleute dagegen, etwa vom Immobilienfinanzierer Interhyp oder vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, wollen bisher allerdings keine Blase erkennen.
Über die Motive solcher Beruhigungspillen lasse ich mich jetzt nicht aus. Ich rechne in den nächsten Jahren mit steigenden Zinsen. Und wer dann seine Immobilie, die er mit zwei Prozent Zinsen finanzieren konnte, an jemanden verkaufen will, der vier, fünf Prozent zahlen muss, wird womöglich nicht seinen gezahlten Kaufpreis wiederbekommen.

Aber bis dahin können Immobilien eine rentable Anlage sein?
Auch hier wird es eng. Wer heute eine Immobilie in guter Lage kauft, kann nur noch mit einer geringen Wertsteigerung rechnen. Und die ist nur theoretisch, weil Renovierungskosten, Einnahmeausfälle bei Mieterwechseln und au­ßerordentliche Instandhaltungskosten meist nicht eingerechnet sind.

Was sind gute Assets für Normal­verdiener?
Vor allem krisenfeste Value-Aktienfonds und ETFs. Bei Growth-Fonds sollten Anleger, die die Börsen nicht jeden Tag im Blick haben, vorsichtiger sein. Da sind die Risiken höher.

Sie selbst haben 2010 rund 30 Millionen Euro in einen Fonds der Schweizer Bank Sarasin investiert, um versprochene acht bis zehn Prozent Rendite einzuheimsen. Doch davon sahen Sie nie etwas. Stattdessen ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen die Bank wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und bandenmäßigen Betrug. Wo blieb da Ihr Risikobewusstsein?
Acht bis zehn Prozent Rendite waren in einem Aktien-Dividenden-Fonds während der Börsenhausse der letzten acht Jahre gar kein Problem. Weil die Bank jedoch anscheinend das Geld zweckentfremdet angelegt hat, habe ich Anzeige erstattet. Daraufhin stellte sich heraus: 40 Prozent meiner investierten Summe waren verschwunden und deren Verbleib ist bis heute nicht geklärt. Eric Sarasin, damals Vize-Bankchef, trat im Zuge der Ermittlungen zurück. Andere kamen ins Gefängnis. Nach einem gerichtlichen Mediationsverfahren habe ich den größten Teil meiner Investitionen 2015 zurückerhalten. Seither ist die Sache für mich erledigt.

Zurück zum Durchschnittsverdiener: Denen empfehlen Sie in der "Millionärsformel" auch, besser bar als mit Kreditkarte zu bezahlen - und argumentieren damit gegen den Trend.
Wie meinen Sie das genau?

Die Leute zahlen zunehmend sogar ­Beträge unter 50 Euro mit Kreditkarten.
Ein Grund mehr für meinen Tipp. Es ist erwiesen, dass Barzahler bewusster Geld ausgeben, wenn sie es in den Händen halten und mit eigenen Augen sehen, wie die Scheine über den Ladentisch wandern. Mit Kreditkarten fällt Schuldenmachen viel leichter. Doch die Ausgaben zu senken wäre bei vielen Durchschnittsverdienern ein wichtiger Schritt dahin, ihr persönliches Reichwerdepotenzial zu erhöhen.

Wie viel Bargeld haben Sie gerade in der Tasche?
Es reicht, um die Ausgaben zu bestreiten, die ich habe, wenn ich unterwegs bin. Für größere Summen nutze ich natürlich Kreditkarten, weil ich nicht zu attraktiv für Bargelddiebe sein will.

Sie sind mit Ihrer Beteiligungsfirma an barzahlen.de beteiligt, einem Berliner Fintech-Start-up. Glauben Sie wirklich, die Firma kann erfolgreich werden, ­obwohl Kreditkarten und Onlinebezahlen voll im Trend sind?
Es gibt viele Menschen, die digitalen Bezahlsystemen misstrauen und beim Bargeld bleiben wollen. Barzahlen.de gibt ihnen die Möglichkeit, online zu kaufen und trotzdem bar zu bezahlen. Mittlerweile sind zu den frühen Akzeptanzstellen des Unternehmens - dazu gehört die Drogeriekette dm - Handelsketten wie Real und Rewe sowie Mobilcom-Debitel dazugekommen. Die Nutzerzahlen steigen von Monat zu Monat rasant.

Viele glauben, Banken und Regierungen wollen das Bargeldsystem abschaffen. Wie fänden Sie das?
Schlecht, zumal dieser Schritt vor allem zulasten der sozial Schwächeren ginge, die jeden Euro im Blick behalten müssen. Zudem würde eine Bargeldabschaffung uns alle Freiheit und Anonymität kosten. Das sollten wir nicht zulassen, zumal das Argument, der Staat würde ohne Bargeld die Terror- und die Drogenfinanzierung besser in den Griff bekommen, nicht zieht. Mit drei Zwanzigern in der Tasche bereitet bestimmt keine Terrororganisation größere Attentate vor.

Sie raten Anlegern, sich einen Berater zuzulegen. Finanzberater haben allerdings ein schlechtes Image. Zur Recht?
Der ganz überwiegenden Anzahl der Versicherungs- und Bankberater konnte und kann man trauen. Die sind ja auf ihre Kundenbeziehungen vor Ort und auch in der Filiale angewiesen. Sie arbeiten hochkompetent und verantwortungsbewusst.

Welche Fragen sollten Finanzkunden ihren Beratern unbedingt stellen, bevor sie ein Finanzprodukt kaufen? Sie als Gründer des Finanzvertriebs AWD ­sollten es wissen.
Ich habe AWD vor zehn Jahren verkauft und möchte mich nicht in das Geschäft meiner Nachfolger einmischen. Heute beteiligte ich mich an Unternehmen, die andere gegründet haben, vor allem an Start-ups. Denen rate ich, ihre Investoren Folgendes zu fragen: Wie schnell wollen Sie einen Exit? Was tun Sie für mich, außer Geld zu geben? Denn der Scheck sieht immer gleich aus, der volle Mehrwert kommt mit der Investoren­expertise. Und drittens: Wenn wir als Unternehmen mal eine andere Strategie verfolgen, die Sie als Investor nicht gut finden: Wer hat dann das Sagen - die Gründer oder die Investoren?

Sie waren eine Zeit lang beim börsen­notierten Fahrradhersteller Mifa in­vestiert, der 2014 pleitegegangen war. Dazu wurden Sie wie folgt zitiert: "Kein Aktionär ist davor gefeit, wenn in einer Firma offenbar Bilanzen systematisch gefälscht wurden." Sie sind trotzdem ein Verfechter der Aktienanlage. Sollten Aktionäre Bilanzen lesen können?
Es kann nicht schaden. Allerdings: Was nützt es, wenn man zwar Bilanzen lesen kann, aber die Zahlen gefälscht sind? Im Fall Mifa wurde betrogen, und die Wirtschaftsprüfer haben versagt. Gott sei Dank passiert diese Kombination selten. Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen empfehle ich vor allem Sparpläne mit Value-Aktienfonds. Und Immobilien, vor allem zum Selbstnutzen. Aber bitte mit mindestens 20 Prozent Eigenkapital! Besser mehr.

Und was empfehlen Sie Menschen mit hohen Einkommen?
Wenn sie über ein größeres Vermögen verfügen, können Private-Equity- und Venture-Capital-Investments eine gute Ergänzung sein. Kurzum: Sachwerte und Produktivvermögen sind die beste Geldanlage und der beste Inflationsschutz. Und den werden wir brauchen.

Mit welchem Investments haben Sie in Ihrer Anlegerkarriere den höchsten Gewinn eingefahren?
Die höchste Rendite war eine emotionale: die Zeitinvestments in meine Kinder.

Na kommen Sie, Sie sprechen mit einer auf Finanzprodukte spezialisierten ­Zeitung.
Trotzdem. Man kommt mit nichts auf die Welt und man geht mit nichts. Aber Kinder sind die Verlängerung des eigenen Lebens. Das wirtschaftlich beste ­Investment sind seit jeher meine Mitarbeiter. Human Capital war für mich immer wichtiger als Finance Capital.

Familie und Mitarbeiter brauchen ­letztlich Geld zum Leben. Welche Ihrer Finanzinvestments haben am meisten dazu beigetragen?
Sie sind ganz schön hartnäckig.

Unsere Leser sind neugierig.
Wie gesagt, über Details meines Vermögens spreche ich nicht.

Beschäftigen Sie für Ihre privaten Finanzen Anlageberater oder kümmern Sie sich allein darum?
Wenn wir strukturierte Produkte und Absicherungsinstrumente nutzen, brauchen wir Mathematiker von Investmentbanken. Ebenso greifen wir auf Immobilienprofis zurück.

Kurzvita

Finanzprofi, Investor und Autor
Carsten Maschmeyer, geboren 1959 in Bremen, brach sein Medizinstudium für eine Karriere als Finanzproduktverkäufer bei der OVB Vermögensberatung ab. 1987 verließ er OVB und stieg beim Allgemeinen Wirtschaftsdienst (AWD) als Miteigentümer ein. Er führte das Unternehmen zu Größe und brachte es im Jahr 2000 an die Börse. 2007/ 2008 verkaufte Maschmeyer AWD an die Schweizer Versicherung Swiss Life. Er beteiligt sich seitdem an Unternehmen und Start­ups. Vergangenes Jahr schrieb er zudem das Buch "Die Millionärsformel"

Bildquellen: Andreas Nestl für €URO