Euro am Sonntag-Interview

Aurubis-Chef: "Wollen weiter eigenständig bleiben"

27.03.17 03:00 Uhr

Aurubis-Chef: "Wollen weiter eigenständig bleiben" | finanzen.net

Vorstandschef Jürgen Schachler spricht darüber, was er erreicht hat, wie er das Unternehmen auf Wachstum trimmen will und warum er den Kupferkonzern lieber weiter unabhängig sieht.

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von Oliver Ristau, €uro am Sonntag

Es riecht nach Fluss und nach Metall. Europas größte Kupferhütte liegt direkt an den Elbbrücken, fast mitten in Hamburg. Während nur einen Steinwurf entfernt alte Arbeiterstadtteile und Industriebrachen für das Wachstum der Metropole aufgehübscht werden, glühen auf der Elbinsel Peute wie eh und je die Schmelz­öfen. Kupfer wird auch künftig hier gewonnen, daran lässt der neue Chef der Aurubis, Jürgen Schachler, im Gespräch keinen Zweifel. Doch ansonsten will er den Konzern mit seinen mehr als 6000 Mitarbeitern kräftig umkrempeln.

€uro am Sonntag: Seit dem 1. Juli 2016 sind Sie Vorstandschef der Aurubis. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Jürgen Schachler: Ich bin sehr positiv aufgenommen worden, obwohl ich ja nicht aus der Kupfer-, sondern der Stahlbranche komme. Ich habe ein freundliches, sehr gutes und ambitioniertes Team vorgefunden, das motiviert ist, das ohnehin schon gut performende und finanziell sehr starke Unternehmen weiter voranzubringen.

Veränderung ist das Stichwort. Sie haben auf der Hauptversammlung Anfang März eine neue Vision 2025 vorgestellt. Was sind die wichtigsten Inhalte?
Sie werden darin nicht mehr explizit das Wort Kupfer finden. Wir wollen uns in Richtung Hightech-Metalle weiterentwickeln. Wir betreiben Metallextraktion als hohe Schule. Diesen Wissensstand werden wir weiter ausbauen und damit ein Geschäft erschließen, das es bisher bei uns noch nicht gibt. Durch internes und externes Wachstum wollen wir die Ertragskraft nicht nur stabilisieren, sondern auch deutlich stärken.

Aurubis wird dem Kupfer untreu?
Es wird weiterhin einer der Hauptträger unseres Geschäfts sein. Aber nicht mehr der einzige.

Stattdessen?
Wir werden sicher nicht in den Aluminium- oder den Stahlbereich expandieren. Diese Branchen verhalten sich wie Kupfer und die meisten anderen Metalle zyklisch. Was wir suchen, ist zu Kupfer antizyklisches Verhalten von Metallen, die wir aber trotzdem mit unseren Prozessen kombinieren können und so Synergien erzeugen.

Also zum Beispiel Elektronikmetalle, die für Kommunikation und Digitalisierung benötigt werden?
Urban Mining ist für uns sehr interessant, also die Extrahierung wertvoller Metalle aus dem Elektroschrott. Dort gibt es ein hohes Wachstumspotenzial. Die Lebensdauer eines modernen Mobiltelefons, das einen hohen Anteil solcher werthaltigen Metalle enthält, wird immer kürzer. Die Volumina nehmen entsprechend zu. Die Metalle sind zwar nicht einfach zu extrahieren, aber wir sind dafür Spezialist. Und bisher gibt es erst wenige, die das als Geschäft betreiben. Heute werden in Europa gerade erst etwa 30 Prozent des Aufkommens an Elektroschrott gesammelt und recycelt. Die EU-Kommission und andere Regierungen streben mindestens eine Verdoppelung dieser Quote an. Die Rückgewinnung wertvoller Stoffe wird zu einem ganz wichtigen Thema.

Müssten Sie dafür Aufbereitungsanlagen zukaufen?
Nein, an unserem auf Recycling spezialisierten Standort in Lünen besteht noch Entwicklungspotenzial.

Aber Ihre Multi-Metall-Strategie fußt nicht nur auf Recycling.
Es geht um zwei Routen. Zum einen noch mehr aus dem rauszuholen, was wir heute als Rohstoffe zur Verfügung haben. Das gilt sowohl für Kupfer als auch für die Metalle, die wir heute schon in unseren Prozessen aus den Kupferkonzentraten gewinnen, wie Gold, Silber und Selen. Es kann aber auch sein, dass wir andere Erze erwerben, die weniger Kupfer, dafür aber andere Metalle in höherer Konzentration enthalten, zum Beispiel Nickel oder Zinn.

Wenn es um neue Metalle geht, können Sie aber nicht mehr intern verarbeiten.
Nein, das würden wir dann über externes Wachstum realisieren.

Das heißt Zukäufe. Sind Sie bereit Milliarden für Übernahmen auszugeben?
(Schachler denkt nach:) Das kann sein. Auch wenn ich glaube, dass es eher kleine und mittlere Beträge sein werden, die wir für das externe Wachstum einsetzen, will ich nicht ausschließen, dass auch ein sehr großes Unternehmen zu uns passen könnte. Aber je größer, desto schwieriger ist es, sinnvoll zu integrieren und Synergien zu entdecken. Dagegen sehe ich viele kleinere Zukaufsmöglichkeiten, mit denen wir um unseren Kern herum Wachstum vorantreiben können.

Wie finanzieren Sie etwaige Über­nahmen?
Es steht ein großer Betrag zur Verfügung. Wir sind ja quasi schuldenfrei. Zum Ende des letzten Geschäftsjahres betrug die Nettoverschuldung 23 Millionen Euro. Das ist eigentlich nichts bei einer Gruppe, die zehn Milliarden Umsatz macht. Zum Jahresende werden auch die abgebaut sein - trotz Dividendenzahlungen und den bisher geplanten Investitionen.

Denken Sie auch an Minenbeteiligung?
Wir sind kein Minenbetreiber, und ich glaube nicht, dass wir jemals einer werden. Das ist nicht unsere Kernkompetenz. Das Risiko ist sehr hoch, die Kosten auch. Ich will das nicht machen. Genauso wenig wie die Weiterverarbeitung zu Produkten.

Was aber dann?
Neben dem Urban Mining sehen wir bei der Minenextraktion Potenzial. Wir kaufen ja mit den Kupferkonzentraten ein fertiges Produkt ein. Auf dem Weg von den Erzen zu den Konzentraten kommt es bei den Minen zu relativ hohen Metallverlusten. Wir entwickeln Prozesse, mit denen wir diese Metallverluste reduzieren können. Wir könnten also künftig eine Technologie anbieten, die die Ausbeute erhöht, wobei wir uns den Gewinn mit den Minenbetreibern teilen könnten. Bisher macht das noch keiner.

Das heißt, die Minen arbeiten verschwenderisch?
Viele Minen sind an Standorten, an denen es schwierig ist, kompetentes Personal zu bekommen, ausreichend Energie, Wasser, oder wo andere Beschränkungen vorliegen. Viele Minen haben gerade in der jüngeren Vergangenheit, als die Kupferpreise sehr niedrig gewesen sind, beschränkte liquide Mittel gehabt. Sie investieren vornehmlich in die Extraktion, also das "Buddeln". Das ist für sie deutlich profitabler als alles, was dann später kommt, wie etwa die Aufbereitung. Hier könnten wir ins Spiel kommen.

Kritische Aktionäre fordern eine stärkere Berücksichtigung von Menschenrechtsfragen an den Minen. Hätte ein zertifiziertes Kupfer mit Herkunftsnachweisen Potenzial?
Wir nehmen das Thema zur Beachtung der Menschenrechte entlang der Lieferkette und damit der Minen sehr ernst. Wir haben in den vergangenen Jahren ein Business-Partner-Screening aufgesetzt, mit dem Lieferanten auf mögliche Risiken, unter anderem Menschenrechtsfragen, geprüft werden. So sind wir in der Lage, auf identifizierte Risiken entsprechend zu reagieren. Ich glaube, wir sind eines der Unternehmen, die damit am transparentesten umgehen, auch wenn wir zur Wahrung unserer Geschäftsgeheimnisse nicht die Minen veröffentlichen, aus denen wir beziehen. Anderswo in der Branche ist das immer noch kein Thema. Deshalb ist die Zeit für zertifiziertes Kupfer wohl noch nicht reif, aber es kann zukünftig durchaus einen Markt dafür geben.

Ihr Aufsichtsratschef und Vorstandsvorsitzender des Großaktionärs Salz­gitter Stahl, Heinz Jörg Fuhrmann, lieb­äugelt mit einer gemeinsamen Multi-­Metall-Gesellschaft. Halten auch Sie als ehemaliger Stahlmanager ein Zusammenrücken von Salzgitter und Aurubis für sinnvoll?
Die Unterschiede zwischen der Stahl- und unserer Industrie sind trotz aller Überschneidungen gravierend. Die Märkte sind sehr unterschiedlich, die Prozesse auch, sodass ich keine riesigen Synergien sehe.

Sie bleiben lieber eigenständig?
Ich glaube, dass Aurubis gezeigt hat, dass es in der Eigenständigkeit und in seinem eigenen Marktsegment in der Vergangenheit sehr erfolgreich gewesen ist, und ich bin der festen Überzeugung, dass es in der Zukunft sehr erfolgreich weiter eigenständig bleiben kann. Gleichzeitig arbeiten wir aber auch mit unserem Ankeraktionär Salzgitter sehr gut zusammen und fühlen uns verstanden und positiv begleitet.

Dennoch haben Sie angekündigt, dass sich Aurubis verändern muss. Betrifft das auch den Standort Deutschland?
Wir planen keinen Personalabbau, aber eine Erhöhung der Effizienz im ganzen Konzern. Dafür haben wir ein Verbesserungsprogramm eingeleitet, das uns ab 2019/20 gegenüber heute eine Ergebnissteigerung um mehr als 200 Millionen Euro bringen soll - und das bei notwendigen Investitionen von nur 20 Millionen Euro. Das kostet vor allem Schweiß. Es geht um die Optimierung der Prozesse, Standardisierung und Harmonisierung, IT und Automatisierung.

Ist es trotzdem nicht Zeit, dem ­Hochkostenland Deutschland in der Produktion den Rücken zu kehren?
Wahrscheinlich würde man heute eine neue Kupferhütte nicht mehr in Hamburg bauen. Es gibt Kostennachteile. Wir werden aber sicher nicht umziehen. Denn es gibt auch Vorteile. Wir finden hier das hoch qualifizierte Personal, das für die Erarbeitung und Umsetzung unserer Effizienzpläne nötig ist. Wichtiger als die Kosten ist das Ergebnis, das ein Unternehmen bringt. Und hier ist die Effizienz, die wir bisher erwirtschaftet haben und in Zukunft noch erwirtschaften werden, außerordentlich hoch.

Ist die neue Strategie auch eine Antwort auf die volatilen Preise?
Die Metallpreise haben auf unser Geschäft nur eine minimale Wirkung. Wir kaufen und verkaufen immer gleichzeitig zu aktuellen Börsenpreisen, die Metallpreise sind quasi durchlaufende Posten. Es kann lediglich zu temporären Effekten bei der Bewertung der Kupfervorräte kommen, wenn die Preise im kurzen Zeitraum stark steigen oder fallen. Das war im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres der Fall, als dieser Effekt das Ergebnis mit 26 Millionen Euro belastete. Das wird sich aber im Jahresverlauf wieder ausgleichen.

Das Quartal war nicht berauschend.
Unser erstes Quartal ist saisonal immer etwas schlechter, denn es ist ja bei unserem Geschäftsjahr das vierte Kalenderquartal, in dem viele Kunden zurückhaltend bestellen, um keine hohen Lagerbestände zum Ende des Kalenderjahres zu haben. Dazu kam der planmäßige Wartungsstillstand in Hamburg, der 15 Millionen Euro Ergebnis gekostet hat.

Schon das letzte Geschäftsjahr war nicht zufriedenstellend. Wie wollen Sie es schaffen, in diesem Jahr den Gewinn wie geplant zu verbessern? Ihre Schmelz- und Kathodenprämie, also die Leistung, die Sie für die Kupferaufbereitung bekommen, sind ja gesunken.
Es gab im letzten Jahr negative Effekte, die sich in diesem Jahr nicht wiederholen werden, wie der Stillstand unserer Produktion in Bulgarien. Dazu kommt, dass unsere Produktion immer effizienter arbeitet und wir aus unserem 200-Millionen-Euro-Verbesserungsprogramm schon in diesem Jahr erste positive Ergebnisbeiträge erwarten. Zwar werden wir durch die gesunkenen Schmelzlöhne tatsächlich sechs Millionen Euro weniger vereinnahmen als im Vorjahr. Doch wenn wir ein Ergebnis von rund 280 Millionen Euro machen wollen, wie von Analysten erwartet, sind sechs Millionen in Relation dazu nicht viel.

Was macht Sie außerdem optimistisch?
Das Recyclinggeschäft läuft sehr gut. Wir müssen zwar wegen der gestiegenen Kupferpreise mehr für Altkupfer bezahlen. Aber das geben wir weiter. Der Markt für Altkupfer hat sich verglichen zum letzten Jahr deutlich erholt.

Ihre Dividende schwankte in den letzten Jahren. Können sich Aktionäre auf steigende Ausschüttungen freuen?
Unser Ziel ist, 50 Prozent des Gewinns der AG auszuschütten, und das haben wir in den vergangenen Jahren im Durchschnitt auch getan. Da wir Ergebnisse steigern wollen, wird auch die Dividende ansteigen.

Kurzvita

Jürgen Schachler
Nach dem Studium der Wirtschafts­wissenschaften an der Universität Hannover war Jürgen Schachler, der heute in Hamburg lebt, bei der Deutschen ­Solvay Werke GmbH tätig. 1993 wechselte er zum heutigen Stahlkonzern ArcelorMittal Luxemburg. Seit dem 1. Juli 2016 ist der 1954 geborene Schachler Vorstandsvorsitzender der Aurubis AG.

Aurubis-Kurs auf das Allzeithoch
Die Aktie des Spezialisten für die Aufbereitung von Kupfer und Spezialmetallen hat seit Juni in der Spitze um knapp 50 Prozent zugelegt. Das Allzeithoch bei 62 Euro ist nahe. Für das laufende Geschäftsjahr (bis Ende September) erwarten Analysten knapp ein Viertel mehr Gewinn, für die folgenden beiden Jahre jeweils acht Prozent. Anleger sollten Kursrücksetzer zum Kauf nutzen.

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Bildquellen: Sascha Schuermann/Getty Images, Thies Raetzke/Aurubis AG

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