Euro am Sonntag

Frankreich: French Open zwischen Macron und Le Pen

23.04.22 01:00 Uhr

Frankreich: French Open zwischen Macron und Le Pen | finanzen.net

Warum Präsident Macron der Favorit der Investoren bei der bevorstehenden Stichwahl ist und Konkurrentin Le Pen die Kurse abstürzen lässt.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Vor fünf Jahren hatte Marine Le Pen keine Chance. Emmanuel Macron zog mit großem Vorsprung in den Élysée-Palast ein. Seinerzeit reagierten die Marktteilnehmer erleichtert - die Rechtspopulistin hätte die EU kurz nach dem Brexit- Entscheid der Briten erneut in eine schwere Krise gestürzt.

Die Unsicherheit ist zurück. Zwar schnitt Macron in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen rund vier Prozentpunkte besser ab als Le Pen. "Doch noch ist nichts entschieden", warnt Macron seine Anhänger. Die Entscheidung, ob der Amtsinhaber oder Le Pen in den kommenden fünf Jahren das Land regiert, fällt am 24. April. Bis dahin wird der Wahlkampf intensiv geführt. Sollten die Wähler der in der ersten Runde unterlegenen rechts-konservativen Kandidaten sich für die Parteivorsitzende des Rassemblement National entscheiden, kann es für Macron noch einmal eng werden.

Schon im Vorfeld der ersten Runde der Präsidentenwahl hatte die Aufholjagd Le Pens in den Meinungsumfragen Kursverluste an der Euronext Paris ausgelöst. Bluechip-Werte und insbesondere Banken wurden verkauft.

Die Sorge der Anleger vor einer Zeitenwende in der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU ließ sich auch an der zehnjährigen Staatsanleihe ablesen. Das Papier wies gegenüber der Bundesanleihe zuletzt einen Renditeaufschlag von 0,56 Prozentpunkten auf.

Zwar strebt Le Pen nicht mehr den Austritt Frankreichs aus der EU an. Auch ihre Vorbehalte gegen die Gemeinschaftswährung hat sie abgelegt. Doch Le Pen warnt weiterhin eindringlich vor dem "Brüsseler Diktat". Statt wie Macron eine Vertiefung der Staatengemeinschaft anzustreben, will sie die EU zu einer Vereinigung freier Nationen machen und den Einfluss der EU-Kommission auf die französische Politik zurückfahren.

Starke Zustimmung von den Wählern erfährt Le Pen vor allem aber durch die Konzentration ihrer Kampagne auf das Thema Verlust der Kaufkraft. Wie in anderen Staaten ziehen auch in Frankreich die Preise an. Im März betrug die Teuerung im Vergleich zum Vorjahresmonat 4,5 Prozent. Die Inflationsrate liegt damit zwar deutlich unter EU-Schnitt, dennoch macht sie den Bürgern zu schaffen. Le Pen verspricht Entlastung und kündigt eine kräftige Senkung der Mehrwertsteuer an.

Auch ihre geplanten Eingriffe in die Wirtschaft kommen bei den Bürgern gut an, machen aber Investoren nervös. Le Pen will Frankreichs Autobahnen wieder verstaatlichen und die Mautgebühren deutlich reduzieren. Darunter würde vor allem Vinci (WKN: 867 475) leiden. Der Konzern hält über 50 Prozent aller Autobahnkonzessionen. Setzt Le Pen ihre Pläne um, dürfte die Aktie noch einmal kräftig korrigieren. In den vergangenen drei Monaten gab der Titel schon sechs Prozent ab.

Le Pen wirbt auch um die Stimmen künftiger Senioren. Aktuell liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Le Pen möchte es wieder auf 60 Jahre senken und gleichzeitig die Beiträge erhöhen. "Ich werde die Präsidentin des Alltags und aller Franzosen sein", sagt Le Pen und verspricht zudem: "Ich mache keine Politik zugunsten der Aktienmärkte."

Unternehmen entlasten

Macron dagegen, früher einmal Investmentbanker bei Rothschild & Cie. ist der klare Favorit der Anleger - aus mehreren Gründen. Erst mit 65 Jahren will der Präsident die Bürger in Rente gehen lassen. "Wir können uns keinen Sozial- und Wohlfahrtsstaat leisten", rechtfertigt er sein wichtigstes innenpolitisches Reformanliegen. Frankreich ist mit deutlich über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet und verfehlt damit die Maastricht-Regel von 60 Prozent weit. Nur wenn die Franzosen länger arbeiten, hält Macron sein Ziel Vollbeschäftigung für erreichbar. Und nur dann ist seiner Meinung nach der Staat in der Lage, Schulden abzubauen und Bürger sowie Unternehmen steuerlich zu entlasten.

Eine höhere Erwerbsquote, solide Finanzpolitik, mehr Kaufkraft für die Konsumenten, geringere Belastungen für die Unternehmen und ein klarer Pro-EU-Kurs - das sind gute Rahmenbedingungen für Börsengewinne. Sollte Emmanuel Macron die Stichwahl am 24. April gewinnen, dürften die Aktienkurse in Paris nachhaltig nach oben gehen. Mit dem iShares MSCI France ETF können Investoren breit diversifiziert daran partizipieren. Der Exchange Traded Fund umfasst 70 französische Unternehmen insbesondere aus den Bereichen Konsum, Industrie und Finanzen.

Aus Macrons Wahlprogramm leiten sich zudem Chancen für Einzelwerte ab. So will er erneuerbaren Energien - wozu der französische Staatspräsident auch die Atomkraft rechnet - massiv ausbauen. Das spricht für den Kauf von Totalenergies. Der Konzern profitiert bereits jetzt von den steigenden Ölpreisen. Das Management will das Unternehmen aber auch als führenden Anbieter von erneuerbaren Energien und alternativen Kraftstoffen etablieren. Bis zum Jahr 2030 sollen die Einnahmen aus Öl von derzeit 55 auf 30 Prozent sinken. Die Einnahmen aus dem Verkauf alternativer Energien sollen dagegen kräftig steigen. Noch dazu lockt die Totalenergies-Aktie mit einer Dividendenrendite von 5,9 Prozent. Le Pen möchte dagegen den Bau von Windkraftanlagen stoppen und bestehende Parks wieder abbauen.

Viel Geld will Macron auch in die Verteidigung stecken. Daher erscheint auch Thales als aussichtsreich. Das Unternehmen produziert Militärtechnik und ist in den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Sicherheit und Mobilität tätig. Geld verdient der Konzern zudem mit Cyber-Security-Lösungen. Eigenen Angaben zufolge sichert Thales rund 80 Prozent aller Onlinetransaktionen weltweit. In den vergangenen drei Monaten legte der Titel um 54 Prozent zu. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von um die 17 erscheint die Aktie noch nicht zu teuer.

Sollte Macron die zweite Wahlrunde für sich entscheiden, dürften auch Bankwerte wieder verstärkt ins Visier der Anleger rücken. Die Institute profitieren jedoch nicht nur von der Aussicht auf eine Fortsetzung der bislang wachstumsfreundlichen Politik. Auch die näher rückenden Zinswende im Euroraum sorgt für Fantasie. Die Institute können dann Kredite zu höheren Konditionen vergeben. Der Zeitpunkt zum Einstieg ist günstig. Mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von um die sechs sind BNP Paribas, Société Générale und Crédit Agricole noch niedrig bewertet.

Frankreich-ETF

Konsum, Kosmetik, Kapital

Der von iShares aufgelegte MSCI France ETF bildet die Wertentwicklung von 70 französischen Aktien ab. Hoch gewichtet sind der Luxusgüterriese LVMH sowie der Kosmetikkonzern L’Oréal. Unter den Top-Ten-Werten finden sich zudem Schneider Electric und Airbus. Auf Finanzwerte wie AXA oder BNP Paribas entfallen rund zehn Prozent der Mittel. In den vergangenen drei Jahren legte der ETF 26 Prozent zu, seit Jahresanfang weist er noch ein Minus von über acht Prozent auf.

Thales

Rüstungsoffensive

Als Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine erhöhen viele Staaten ihre Verteidigungsausgaben. Davon profitiert Thales. Der französische Konzern produziert Geräte, Systeme und Dienstleistungen zum militärischen Einsatz in der Luft, auf See und am Boden. Zudem bietet das Unternehmen weltweit Systeme zum Schutz sensibler Daten an. Die Aktie ist schon gut gelaufen, hat aber weiter Kurspotenzial.

Europ. Nebenwerte-Fonds

Klein und renditestark

Der Mandarin Unique Small & Midcaps Europe eignet sich für Anleger, die sich in französischen Nebenwerten, zur Diversifikation aber auch in Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung aus anderen EU-Ländern positionieren wollen. Französische Titel wie der Textil- und Hygiene-Dienstleister Elis sind mit 18 Prozent gewichtet. Auf Sicht von zehn Jahren erzielte der Fonds 115 Prozent. Innerhalb eines Monats legte er zehn Prozent zu.




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Bildquellen: LEWEB/Flickr/CC BY 2.0, Guillaume Destombes / Shutterstock.com

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