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Paul Allen: Der Visionär in Bill Gates Schatten

28.10.18 01:00 Uhr

Paul Allen: Der Visionär in Bill Gates Schatten | finanzen.net

Der Microsoft-Mitgründer und Softwarepionier, der in der Nacht zum Dienstag einem Krebsleiden erlag, war eine schillernde Figur - nicht nur in der Technologiebranche.

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von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Die globale IT-Elite reagierte mit Bestürzung auf den Tod von Paul Allen und überbot sich mit Elogen. Ohne ihn gäbe es heute keine Personal Computer, schrieb Bill Gates. Paul Allen habe die Welt verändert, so Microsoft-Chef Satya Nadella, "ich habe so viel von ihm gelernt". Und Tim Cook, Chef des Microsoft-Rivalen Apple, twitterte: "Unsere Branche hat einen Pionier verloren und unsere Welt eine Kraft für das Gute." Paul Allen - dieser Mann war vieles in einer Person: Softwarepionier, In­vestor, Sportmäzen, Philanthrop, Rock­gitarrist, Kunstsammler, Science-­Fiction-Fan. "Dieser Mann war Rock ’n’ Roll", urteilt "Der Spiegel".



Paul Allen und Bill Gates - das war ein geniales Duo, das die Computerwelt ­revolutionierte. Allen war der kreative Träumer, Gates der eiskalte Pragmatiker. Die beiden hatten sich bereits als Teenager in der Lakeside School, einer privaten Eliteschule in Seattle, kennengelernt. Allen war schon als Siebenjähriger ein Bücherwurm: "Ich versuchte zu verstehen, wie die Dinge funktionierten und wie sie zusammengesetzt waren. Ich interessierte mich für alles, von Flugzeugtriebwerken bis zu Raketen oder Atomkraftwerken."

Aufgrund einer Grasallergie durfte er keinen Sport treiben. In der Schule saß Allen meist in der letzten Reihe. Und nachdem er mit Bill Gates den brandneuen Computerraum der Schule entdeckt hatte, tauchte er kaum mehr im Unterricht auf. Beide waren Computerfreaks und programmierten zusammen ein Tic-Tac-Toe-Spiel für den Schulcomputer. Allen war, wie Gates, hochintelligent. Beim Aufnahmetest an der Universität schnitt er sogar besser ab als sein Freund. Aber der junge Paul hatte ein breiteres Inte­ressenspektrum als Bill Gates. Er interessierte sich schon früh für Rock­musik, entdeckte mit 14 Jimi Hendrix und lernte Gitarre spielen. Er trat mit seiner Band Grown Men auf Partys auf und nahm 2014 sogar ein Solo­album auf, begleitet von Stars wie Joe Walsh von den Eagles.

Die Klitsche Microsoft

Aber sein Hauptinteresse galt schon bald der IT. 1972 gründete er zusammen mit Bill Gates eine Firma. Ihr einziges Produkt: eine Software zur Auswertung von Verkehrsdaten. Paul Allen war da gerade mal 19, Bill Gates erst 17.

Nachher trennten sich ihre Wege. Paul Allen studierte an der Washington State University, Bill Gates ging nach Harvard. Aber nach zwei Jahren brach Allen sein Studium ab, um als Programmierer in Boston zu arbeiten, und er überzeugte seinen Freund Gates, vom Harvard College abzugehen und mit ihm zusammen in Albuquerque, New Mexico, eine neue Firma zu gründen.



Das war die Geburtsstunde von Microsoft. Der Name, ursprünglich Micro-Soft, war eine Kombination aus "Microcomputer" und "Software". Allen hatte damals den ersten Personal Computer auf dem Titelblatt einer ob­skuren Zeitschrift gesehen, er erahnte das Potenzial dieses Geräts und drängte Gates, eine Betriebssoftware für diesen PC zu entwickeln. Das war 1975.

Gates bekam 65 Prozent, Allen 35 Prozent der Microsoft-Anteile. Gates habe damals argumentiert, so Paul Allen in seiner Autobiografie "Idea Man", dass er sein Studium für die Firma aufgegeben und an Microsofts erstem Erfolgsmodell Basic mehr gearbeitet habe als Paul und deshalb einen höheren Anteil verdiene. Microsoft war damals kaum mehr als eine kleine Programmierer­klitsche. Eine von vielen. Allen und ­Gates programmierten Software für Rechner mit den ersten Intel-Chips und entwickelten Versionen der Programmiersprache Basic. 1978 lag der Jahresumsatz der Firma bei rund einer Million Dollar.

"Unser Managementstil war am Anfang etwas locker", erinnerte sich Allen später. "Wir haben alle Entscheidungen zusammen getroffen, und es ist schwer, sich zu erinnern, wer was gemacht hat." Probleme zwischen den beiden Gründern gab es keine. Bis auf eine Ausnahme: "Ich musste Paul immer morgens anrufen und ihm sagen, dass es Zeit sei, zur Arbeit zu kommen. Er hat sogar länger geschlafen als ich", so Bill Gates. Paul Allen rechtfertigte sich damit, dass sie immer bis tief in die Nacht gearbeitet hätten. "Du hast immer unter dem Schreibtisch geschlafen", erinnerte er seinen Kumpel Gates.

Der Durchbruch kam 1980 mit dem Auftrag von IBM, ein Betriebssystem für den ersten PC zu entwickeln. Gates und Allen hatten günstig das Betriebssystem 86-DOS gekauft, es etwas umgebaut und es schließlich als MS-DOS an IBM lizenziert. Die damit bestückten PCs wurden ein Riesenerfolg, MS-DOS die Grundlage für die ersten Windows-Versionen.

Allen und Gates hatten eine Geld­maschine geschaffen, die bis heute läuft. Dieses Geschäft machte Microsoft plötzlich zum ernst zu nehmenden Player, das Unternehmen entwickelte sich in den folgenden Jahren zum weltumspannenden Konzern. Der Börsengang von Microsoft im Jahr 1986 machte beide Freunde sagenhaft reich. Bill Gates’ Vermögen wird heute von "Forbes" auf 96,7 Milliarden Dollar geschätzt, Paul Allen besaß zuletzt 20 Milliarden Dollar.

Reichtum war für Paul Allen allerdings nie wichtig gewesen. Bis zum Börsengang hatten sich die beiden Gründer nur 36.000 Dollar Jahresgehalt überwiesen. "Wir haben nie wirklich daran gedacht, unsere Pennys zu zählen", gestand er "Forbes". "Erfolg war für uns, das Geld gleich wieder zu investieren und das Geschäft weiterzuentwickeln." Bill Gates würdigte später Paul Allens Anteil am Erfolg von Microsoft: "Diese Firma haben zwei Freunde gegründet, die zusammen 18 Stunden täglich gearbeitet und Computer entdeckt haben. Ohne die Brillanz von Pauls Verstand wäre das nicht passiert." 1983 schied Allen bei Microsoft aus. Er war an Lymphdrüsenkrebs erkrankt (ein sogenanntes Non-Hodgkin-Lymphom), der aber erfolgreich behandelt werden konnte. Eine Rückkehr zu Microsoft wäre pro­blematisch gewesen - ein Gründer könne in seinem Unternehmen nicht in Teilzeit arbeiten. In diesem Punkt waren sich Allen und Gates einig.

Aber wie war das Verhältnis zwischen den beiden wirklich? In seiner Auto­biografie ließ Allen seinen Freund nicht besonders gut aussehen. "Allen warf seinem Mitgründer vor, ihn um die verdiente Anerkennung seiner Leistung bei Microsoft gebracht zu haben", schrieb die "Frankfurter Allgemeine". "Er beschrieb eine Episode, als er wenige Monate nach seiner Diagnose eine Unterhaltung zwischen Gates und dem späteren Microsoft-Vorstandschef Steve Ballmer mitgehört habe, in der die beiden Männer über seine nachlassende Produktivität geklagt und eine Verwässerung seines Anteils am Unternehmen diskutiert hätten."

Investments in Milliardenhöhe

Allen schlug nun Zug um Zug seine Aktien los, gründete 1986 die Beteiligungsgesellschaft Vulcan Ventures, um eigene Investitionen zu finanzieren. Er kaufte sich ein Firmenimperium zusammen, investierte in über 140 Unternehmen, finanzierte alles, was ihn persönlich interessierte. Für 200 Millionen Dollar kaufte er das Football-Team ­Seattle Seahawks und für 70 Millionen Dollar die Portland Trail Blazers, eine Basketball-Profimannschaft. Seinem Idol Jimi Hendrix (er kaufte die Gitarre, auf der dieser beim Woodstock-Fes­tival gespielt hatte) ließ er von Star­architekt Frank O. Gehry in Seattle für 240 Millionen Dollar ein Rock-’n’-Roll-Museum bauen.

Er besaß ein Luftfahrtmuseum und mehrere Science-Fiction-Museen, er hatte eine der weltweit größten privaten Gemäldesammlungen mit Werken von Cézanne, Degas, Gauguin, Picasso, Renoir, van Gogh, Rothko und Lichtenstein. Und er war Eigner einer der größten Privatjachten der Welt, der 126 Meter langen "Octopus" (mit eigenem U-Boot und zwei Hubschraubern), sowie der kleineren, 92 Meter langen "Tatoosh". 2015 suchte und fand er mithilfe der "Octopus" das Wrack des 1944 vor der philippinischen Küste von der US-Flugwaffe versenkten japanischen Schlachtschiffs "Musashi".

Allen investierte Hunderte Millionen Dollar in die Hirn- und Krebsforschung, in die Rettung der Menschenaffen im Kongo, in den Kampf gegen Ebola und in die Erforschung extraterrestrischer Intelligenz. Und er unterzeichnete auch das Giving Pledge, jenes Versprechen, den Großteil seines Vermögens nach seinem Tod zu spenden, - eine Initiative von Bill Gates, der sich in den USA viele prominente Superreiche angeschlossen haben.

Vor allem aber beteiligte sich Allen in den 90er-Jahren an Unternehmen und Start-ups, die seiner Vision einer "vernetzten Welt" entsprachen. Er glaubte daran, dass Computer, Home Entertainment, TV und das Internet eines Tages zu einer Einheit verschmelzen würden. Schon 1974 hatte er Bill Gates vorgeschwärmt, dass Menschen eines Tages per Computer einkaufen und Informationen austauschen würden. Also kaufte er Satelliten-TV-Anbieter, ersteigerte Mobilfunklizenzen und investierte seit 1998 neun Milliarden Dollar in Kabel­unternehmen. Unter anderem beteiligte er sich am Start-up Metricom, das große US-Städte mit einem drahtlosen Netzwerk überziehen wollte. Er investierte, erfolglos allerdings, in ein Internetportal sowie in einen privaten Thinktank.

An der Wall Street hatte Allen noch jahrelang einen Microsoft-Bonus. Die Ankündigung, dass Vulcan Ventures in eine Firma investierte, konnte deren Aktienkurs durchaus schon mal verdoppeln. Aber die vernetzte Welt wurde nicht so schnell Wirklichkeit, wie Allen sich das erträumt hatte. Bill Gates kommentierte Allens Investitionen 2004 in "Business Week" so: "Er war brillant, naiv und zu früh dabei."

Zwölf Milliarden Dollar sollen Allen seine Investitionen in die vernetzte Welt gekostet haben. Angesichts der Miss­erfolge verhöhnte das US-Magazin "­Wired" Allen 1994 als "Milliardär aus Zufall", aus dem Artikel wurde sogar eine Biografie mit demselben Titel: Die Journalistin Laura Rich entwarf 2003 in dem Buch das Bild eines Möchtegernvisionärs, eines Don Quichotte der IT-Branche, der seiner Vision einer "­Wired World" nachjage, dabei jedoch ständig vom cleveren Gates übertrumpft werde.

Und das "Manager Magazin" urteilte: "Während die Welt Bill Gates als weitsichtigen Unternehmenslenker feiert, wurde Allen zu einem der ‚schlechtesten Manager des Jahres‘ ernannt. Nach dem Geniestreich Microsoft produzierte er nur noch Flops. Mit seiner Risiko­kapitalfirma Vulcan Ventures hat er so viele erfolglose Start-ups gefördert, dass man ihm fast schon eine Mitschuld an der Dotcom-Katastrophe geben kann."

Aber Allen hatte auch Erfolge als ­Investor zu verzeichnen. Er verdiente 100 Millionen Dollar mit AOL, einige hundert Millionen Dollar mit Ticketmaster, auch seine 500-Millionen-­Dollar-Beteiligung am Hollywoodstudio Dreamworks erwies sich als lukrativ. Später wollte Paul Allen sogar den Weltraum erschließen. Sein Unternehmen Stratolaunch Systems plante den Bau des größten Flugzeugs der Welt - als Startrampe für mehrstufige Trägerraketen, die Satelliten, Raumfahrzeuge oder Fracht in den Weltraum transportieren sollten. Für dieses Jahr waren eigentlich die ersten Testflüge geplant.

Die Maschine besitzt zwei parallele Rümpfe, die durch ein Tragflächenmittelstück miteinander verbunden sind. Sie wird von sechs Boeing-747-Turbinen angetrieben, die Flügelspannweite beträgt unglaubliche 117 Meter, das sind 40 Prozent mehr als beim derzeit größten Passagierflugzeug, beim Airbus A 380.

Paul Allen genoss in den USA den Ruf als Gastgeber extravaganter Partys. "Der Maskenball, zu dem er seine Gäste 1997 nach Venedig einlud, gilt in der Szene noch heute als legendär", schrieb das "Manager Magazin" und zitierte einen Hollywoodproduzenten, der Allen mit dem Prädikat "wie ein Medici" adelte.

Kurzvita

Paul Allen wurde am 21. Januar 1953 in Seattle als Sohn ­eines Universitätsprofessors und einer Grundschullehrerin geboren. Schon als Schüler freundete er sich mit Bill Gates an. Mit ihm gründete er 1975 Microsoft und entwickelte die erste Betriebssoftware für PCs. 1983 verließ er Microsoft. In der Folge beteiligte er sich an rund 140 Unternehmen - zumeist erfolglos. Am 15. Oktober 2018 erlag Allen einem Krebsleiden.





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