Scale: Von Rohrkrepierer bis Durchstarter - alles dabei
Im neuen Nebenwerte-Segment Scale der Deutschen Börse verbergen sich attraktive Aktien. Anleger sollten sich die Geschäftsmodelle aber genau ansehen.
Werte in diesem Artikel
von Birgit Haas, Euro am Sonntag
Der Messtechnikhersteller M-U-T ist ein typischer Mittelständler: Firmensitz im Gewerbegebiet der kleinen Stadt Wedel, Nischenproduzent für die Großindustrie. Der Zulieferer stellt kontaktlose optische Messgeräte etwa für Herz-Lungen-Maschinen, zur Prüfung von Diamanten oder der Qualität von frisch geerntetem Getreide her. Dass M-U-T an der Frankfurter Börse notiert, ist indes untypisch für den Mittelstand.
Ende Februar hat die Deutsche Börse den Entry Standard eingestellt. Scale ist der Nachfolger, hier ist auch M-U-T gelistet. Mit etwas lockereren Veröffentlichungspflichten als in den Segmenten der DAX-Familie macht es die Frankfurter Börse den kleineren Unternehmen leichter. Das bringt naturgemäß Risiken für Anleger mit sich. Scale hat jedoch strengere Aufnahmebedingungen als der Vorgänger, der Entry Standard. Die Firmen müssen einen jährlichen Mindestumsatz von zehn Millionen Euro vorweisen und mit dem jüngsten Jahresabschluss belegen, dass das Geschäft Gewinn abwirft und eigenkapitalstark ist. Damit will die Deutsche Börse vermeiden, dass sich das Schreckensszenario der frühen 2000er-Jahre wiederholt: der Absturz des Neuen Markts.
Von rund 100 Firmen aus dem Entry Standard haben 46 die Hürde zu Scale genommen. Die Zahl neuer Aspiranten hält sich in Grenzen. Bislang wagten lediglich der Spezialchemiker Ibu-tec und am Freitag Noratis den Gang aufs Parkett.
Das liegt auch daran, dass sich der Börsenbetreiber mit der Vermarktung zurückhält. "Wir sind uns bewusst, dass so ein neues Segment erst einmal kritisch betrachtet wird", sagt Renata Bandov, die bei der Deutschen Börse für Neuzugänge zuständig ist. Mitglieder wie M-U-T spüren indes die Vorteile des neuen Segments: "Sowohl der Kurs als auch die Handelsvolumina haben seit Anfang März deutlich zugenommen", heißt es aus dem Unternehmen.
Das spiegelt sich auch im Scale All Share wider, dem Index des Segments: Seit Anfang März stieg er um 12,5 Prozent. Zum Vergleich: Der DAX legte um fünf Prozent zu. Einzelne Titel haben sich bereits 2016 vervielfacht. Das Papier von M-U-T etwa legte um 130 Prozent zu. Vectron und der Filmvertrieb Pantaleon brachten es auf mehr als 200 Prozent. Ein Grund: Die Minis erfreuen sich steigender Beliebtheit bei professionellen Anlegern. DAX-Werte, so die Sorge vieler Profis, bieten bei den derzeitigen Kursniveaus weniger Gewinnchancen. Ein Beispiel ist Starfondsmanager Henning Gebhardt, der seinen neuen Fonds bei der Privatbank Berenberg so plant: "Basis für die erfolgreiche Investmentphilosophie sind ein hoher Nebenwerteanteil und eine klare Über- oder Untergewichtung bei den größeren Titeln."
In Scale finden sich indes auch Werte, die zuletzt zwar bloß moderate Kursgewinne verzeichneten, aber fundamental gut dastehen: Der Softwareanbieter Mensch und Maschine zählt dazu sowie Datagroup (siehe Investor-Info). Datagroup profitiert davon, dass immer mehr Firmen Daten in die Cloud auslagern. Der Umsatz sprang zuletzt auch wegen der Übernahme des Beratungsgeschäfts von HP um ein Drittel nach oben.
Hohe Chancen, hohe Risiken
Firmen wie M-U-T, Cliq Digital, Vectron und Pantaleon haben bereits starke Ergebnisse geliefert - und bewiesen, dass sie Probleme verschiedener Art meistern können. M-U-T etwa verspielte 2012 und 2014 mit Gewinnwarnungen Investorenvertrauen. Das Management wechselte und hat "die Gruppe von einem schuldenbeladenen und Verluste schreibenden in ein profitables Unternehmen mit einer guten Perspektive gewandelt", finden die Analysten von Edison. Nun soll M-U-T wachsen, der Umsatz soll von knapp 55 Millionen Euro mittelfristig auf 100 Millionen zulegen - auch durch Zukäufe, was der Aktie weitere Impulse geben könnte (siehe unten). Die Gefahr, dass Aufträge wegbrechen, bleibt bestehen - wie bei vielen Mittelständlern.
Risiken begegnen Anleger auch bei anderen Scale-Unternehmen. Pantaleon etwa muss seine Videoplattform Pantaflix auf den Markt bringen - und kooperiert dazu jetzt mit dem chinesischen Medienmogul Bruno Wu. Bislang beruht das Geschäft auf der erfolgsabhängigen Filmproduktion. Die Aktie verdoppelte sich allein seit Anfang Mai. Auch wenn Scale-Anleger grundsätzlich risikobereit sein sollten, hier dürfte etwas zu viel Fantasie im Spiel sein.
Investor-Info
M-U-T
Margenmeister
Für das laufende Jahr hat M-U-T einen Gewinnzuwachs von 15 Prozent prognostiziert. Selbst mit einem erfahrungsgemäß schwächeren zweiten Halbjahr ist das konservativ: Im ersten Quartal steigerten die Wedeler den Nettogewinn um 38 Prozent. Die Marge von 17,7 Prozent ist stark, genauso wie die Eigenkapitalrendite. Zukäufe könnten für weitere Kursimpulse sorgen. Allerdings gibt es keine Dividende, wie bei fast allen Scale-Werten.
Vectron
Kassenschlager
Dank Regulierung verzeichnete Vectron 2016 einen Rekordumsatz von 33,7 Millionen Euro: Die Pflicht zu manipulationssicheren Kassen heizte die Produktion der Münsteraner an. Zudem steht der Verkäufer von Kassen- und Vermarktungssystemen an der Schwelle zu weiterer Industrialisierung. Gemeinsam mit Coca-Cola will Vectron eine Service-App für die Kundenbindung in der Gastronomie global etablieren. Anleger setzen mit einem Investment auch auf den Erfolg der App.
Datagroup
Durchstarter
Nach dem ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2016/17 hat der IT-Dienstleister die Gewinnprognose um fünf Millionen Euro auf bis zu 225 Millionen Euro erhöht. Der Nettogewinn stieg im Zeitraum auf 11,5 Millionen Euro, 92 Prozent mehr als im Vorjahr. Hohe Nachfrage, neue Großaufträge - etwa vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt - und die Aussicht auf profitreiche Übernahmen treiben das Geschäft. Im April haben die Schwaben mit einer Kapitalerhöhung 21,7 Millionen Euro eingesammelt, um zukaufen zu können. Die Aktie ist vergleichsweise günstig zu haben.
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Bildquellen: Deutsche Börse , Ismagilov / Shutterstock.com
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