Dollar Tree: Alles für 1 Dollar - und noch viel mehr

von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Auf dem blank polierten PVC-Boden spiegelt sich das kühle Licht der Neonröhren. Die Ware ist in Stahlregale einsortiert oder in bunten Kartons gestapelt. Wohlfühlatmosphäre? Fehlanzeige. Doch das Konzept des US-Discounters Dollar Tree funktioniert seit Jahrzehnten. Das Geheimnis: Alles kostet einen Dollar - egal ob Batterien, Plüschtiere oder Tiefkühlpizza.

Es sind nicht nur einkommensschwache Familien, die das Angebot nutzen. Insbesondere in wirtschaftlich unsicheren Zeiten kaufen auch viele besser verdienende Kunden bei Dollar Tree ein. So florierte in der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 das Geschäft. Doch auch heute haben viele Menschen in der weltgrößten Volkswirtschaft Angst vor Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen. Das kurbelt den Umsatz des Billigheimers an. "Wir sind im mit Abstand attraktivsten Einzelhandelssegment tätig", behauptet Chef Bob Sasser, der seit 2004 an der Spitze des Discounters steht.

Expansionsdrang

Der 63-Jährige setzt seit jeher auf Expansion, sowohl durch Neueröffnungen von Filialen als auch durch Übernahmen. Seit seinem Dienstantritt wuchs das Filialnetz von 2.500 auf fast 14.000 Läden. Die Erlöse verfünffachten sich. Der Umsatzsprung auf über 15 Milliarden Dollar im vergangenen Geschäftsjahr ging einher mit der Übernahme des größeren Rivalen Family Dollar, mit der das Unternehmen zur Nummer 1 im US-Discountermarkt aufstieg.

Sasser verspricht sich vom neun Milliarden Dollar teuren Zukauf Synergien von mindestens 300 Millionen Dollar pro Jahr - intern werden höhere Zahlen genannt. Der Chef will mit Family Dollar neue Märkte erschließen und neue Kundenschichten gewinnen: Der Zukauf ist nicht an die Preisgrenze von einem Dollar gebunden.

Mit der Übernahme hat sich Sasser aber auch Herausforderungen ins Haus geholt. Zum einen konkurriert die neue Tochter nicht nur mit Rivalen innerhalb des Billigstsegments wie dem Discounter Dollar General.Auch mit den Riesen im US-Einzelhandel, etwa den Konzernen Target und Walmart, steht der Händler jetzt im Wettbewerb.

Vor der Übernahme kämpfte Family Dollar überdies mit rückläufigen Umsätzen auf vergleichbarer Verkaufsfläche - eine der wichtigsten Kennzahlen im Einzelhandel. Hohe Kosten drückten zudem die Margen.

Erste Erfolge

An der Börse sorgte der Deal deshalb zunächst für Unmut. Inzwischen stellen sich aber erste Erfolge ein. Nach Jahren mit schrumpfendem Umsatz verzeichnete Family Dollar in den vergangenen drei Quartalen Zuwächse, weil das Sortiment angepasst und der Kundenservice verbessert wurde.

Sasser zufolge ist die Integration von Family Dollar voll im Plan. Weitere Sparmaßnahmen und höhere Produktivität stehen ganz oben auf der Agenda. Die finanziellen Spielräume will Sasser an die Kunden weiterreichen und Family Dollar im dem wettbewerbsintensiven Markt wieder schlagkräftiger machen. Dass dies gelingt, daran zweifelt in der Branche kaum jemand. Sasser stemmt sich erfolgreich gegen den Trend: Während viele Einzelhändler mit rückläufigen Umsätzen auf vergleichbarer Fläche kämpfen, meldet Dollar Tree hier seit 33 Quartalen Zuwächse.

Investor-Info

Dollar Tree
Starkes Wachstum

Die Übernahme von Family Dollar katapultiert Dollar Tree in eine neue Umsatzregion. Für das laufende Geschäftsjahr rechnen Analysten mit einem Umsatzanstieg um 35 Prozent auf 21 Milliarden Dollar. Der bereinigte Nettogewinn dürfte um 70 Prozent auf 890 Millionen Dollar steigen. Im Jahr darauf verdient der Konzern bereits 1,1 Milliarden Dollar, prognostizieren Analysten. Gelingt die Integration von Family Dollar wie geplant, steht ­höheren Kursen nichts im Weg. Spekulativ.