Technische Analyse: Dem Trend auf der Spur

Die Charttechnik hilft, Trends zu lesen und Trendwenden zu erkennen. Wie Anleger mit dieser Methode eine erfolgreiche Aktienauswahl treffen.
von Karen Szola, Euro am Sonntag
Eine grundlegende Frage bei der Aktienanlage ist, nach welchen Kriterien Anleger ihre Investments aussuchen. Sind es heiße Tipps von Freunden oder vermeintliche Insiderinformationen etwa aus einem Börsenbrief? Nur zu oft erweisen sich solche Empfehlungen als Rohrkrepierer. Anleger begehen auch oft den Fehler, sich in Aktien zu verlieben, und halten daran fest, auch wenn sie damit bereits kräftige Verluste eingefahren haben. Eine bewährte Methode, um die Aktienauswahl erfolgreich zu treffen, ist die Technische Analyse. Bereits Basiskenntnisse helfen weiter.
Doch was ist das genau? Die Anhänger der Technischen Analyse, auch bekannt unter dem Begriff Charttechnik, gehen davon aus, dass im historischen Kursverlauf des betrachteten Basiswerts, beispielsweise einer Aktie, alle relevanten Informationen und Daten enthalten sind. Fundamentale Betrachtungen sind dabei nebensächlich, denn der Ansatz lautet: Der Markt weiß alles! Und: Bei der Charttechnik spielt die Psychologie der Anleger die Hauptrolle.
Übersteigt die Nachfrage nach einer Aktie das Angebot, so steigt in der Regel der Preis. Steigende Kurse wiederum führen oft zu einem Dominoeffekt. Andere Investoren werden auf die Bewegung aufmerksam und kaufen ebenfalls. Die Aktie steigt weiter, ein Trend entsteht. Diese Trends können hartnäckig sein und sich manchmal über Jahre fortsetzen. Das Ermitteln von Trends hat historische Wurzeln: Schon um das Jahr 1900 stellte der Wirtschaftsjournalist Charles Dow in Anlehnung an die Physik fest, dass Kurse oft einem übergeordneten Trend folgen. Und bevor dieser endet, gibt es eindeutige Signale, die dessen Bruch ankündigen.
Die meisten erfolgreichen Handelsstrategien nutzen das aus, sie weisen einen trendfolgenden Charakter auf: Anleger setzen hier auf bestehende Bewegungen, indem sie konform investieren, also mit dem Trend gehen. Diese Strategien funktionieren natürlich auch in der umgekehrten Richtung, wenn die Kurse fallen und neue Tiefs markiert werden.
Trends clever nutzen
Die Anleger haben demnach zwei Möglichkeiten, in den Markt einzusteigen: Sobald der Kurs beispielsweise auf ein neues Hoch ausbricht, wird gekauft. Häufig kündigt etwa der Ausbruch über eine Widerstandslinie oder der Spurt auf ein neues Jahreshoch oder gar Allzeithoch weitere Kursgewinne an. Die zweite Möglichkeit eines Einstiegs eröffnet sich bei einem sogenannten Pullback. Damit ist gemeint, dass der Kurs nach einem starken initialen Anstieg über einen massiven Widerstand oftmals einen Rücksetzer macht, um anschließend wieder zu steigen. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile.
In der ersten Variante, dem Ausbruch, ist der Trader sofort dabei, wenn der Trend startet, er partizipiert an schnellen Aufwärtsbewegungen. Der Nachteil: Der Ausbruch könnte sich als sogenanntes Fehlsignal entpuppen, die Kurse könnten wieder in die ehemalige Seitwärtsbewegung zurückrutschen.
Bei der zweiten Variante, dem Pullback, ist dieses Risiko vermindert. Hier wird die Tatsache genutzt, dass bei einem Ausbruch oft zunächst ein Rückschlag auf das Ausbruchsniveau erfolgt, der Kurs danach aber nach oben strebt. Zu einer guten Strategie gehört auch, den möglichen Misserfolg von Anfang an mit einzukalkulieren. Deshalb sollten Trader immer mit Stoppkursen arbeiten, die dann vor Verlusten schützten, wenn sich die Aktie in die falsche Richtung bewegt. Wo der Stopp platziert wird, hängt von der Risikoneigung und dem Anlagehorizont ab. Hilfsmittel sind markante Chartmarken wie Unterstützungen (Englisch: Supports). Es hat sich bewährt, die Stopps leicht unterhalb dieser Marken zu setzen.
Unterstützung und Widerstand
Oft lässt sich im Chartverlauf ein Phänomen beobachten: Auf einem bestimmten Niveau prallen die Kurse immer wieder ab. Je nach Kursrichtung werden diese Zonen als Unterstützung oder als Widerstand bezeichnet.
Gelingt dem Kurs - oft erst nach mehreren Anläufen - der Sprung über einen Widerstand, gilt dies als Kaufsignal. Unterschreitet der Kurs eine Unterstützung, stellt das ein Verkaufssignal dar. Nachdem eine Unterstützung oder ein Widerstand nachhaltig durchbrochen wurde, übernimmt diese Marke dann jeweils die umgekehrte Funktion - aus dem Widerstand etwa wird eine Unterstützung.
Multitalent Kerzenchart
Die grafische Darstellung des Kursverlaufs ist die Basis jeder Analyse. Im Gegensatz zu den einfachen Linien- oder Balkencharts bieten Kerzencharts, auch Candlestick-Charts genannt, eine Menge Zusatzinformationen. Jede Kerze besteht aus einem Kerzenkörper, einem Docht und einer Lunte. Die gesamte Länge der Kerze bildet die Handelsspanne des jeweiligen Zeitraums. Das kann eine Minute, eine Stunde, ein Tag, ein Monat sein. Endete der Handelstag mit Gewinnen, ist der Kerzenkörper grün - der Schlusskurs lag über dem Eröffnungskurs. Lag der Schlusskurs unter dem Eröffnungskurs, ist der Kerzenkörper rot gefärbt. So wird im farbigen Kerzenchart auf den ersten Blick sichtbar, ob Kaufinteresse oder Abgabedruck dominierte.
Formationen richtig deuten
Die Technische Analyse unterscheidet zwei Gruppen von Chartformationen: zum einen Konsolidierungsformationen wie Dreiecke, Wimpel, Keile, Rechtecke. So bildet sich im Aufwärtstrend etwa ein Dreieck, wenn Käufer pausieren. Alte Hochs werden nicht mehr erreicht, neue Tiefs liegen jedoch immer etwas höher als die vorigen. Wird dann das so gebildete Dreieck nach oben verlassen, ist die Konsolidierung beendet und der Aufwärtstrend setzt sich fort.
Zum anderen gibt es Trendwendeformationen wie das Doppeltop, das eine Wende nach unten andeutet, oder das Doppeltief, das eine Wende nach oben indiziert.
_____________________________
Weitere News
Bildquellen: INDRANIL MUKHERJEE/AFP/Getty Images, Brian A. Jackson / Shutterstock.com