Euro am Sonntag

Börsengänge: Mit viel Power aufs Parkett

29.12.18 08:00 Uhr

Börsengänge: Mit viel Power aufs Parkett | finanzen.net

Die Mobilitätsdienstleister Uber und Lyft wollen an die Wall Street, der Lasterkonzern Traton in Frankfurt aufs Parkett. 2019 könnte ein spektakuläres Jahr werden - wenn das Umfeld passt.

von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Vor dem Debüt begehrt und deshalb mehrfach überzeichnet - dennoch floppte Japans größter Börsengang aller Zeiten am vergangenen Mittwoch. An der Börse in Tokio rutschte der Aktienkurs von Softbank Corp bis zu 15 Prozent ins Minus. Mit 23,5 Milliarden Dollar Emissionsvolumen lag das Börsendebüt des japanischen Mobilfunkers aus dem Portfolio des Beteiligungskonzerns Softbank Group knapp hinter dem größten Börsengang aller Zeiten. 2014 hatte der chinesische Internetriese Alibaba rund 25 Milliarden Dollar eingesammelt.

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Mit seinem Faible für Technologien und besten Kontakten zu finanzkräftigen Investoren wurde Softbank-Group- Gründer Masayoshi Son Japans reichster Bürger. Und auch wenn der Mobilfunker erst mal enttäuschte, könnte die Krönung 2019 kommen - mit dem avisierten Börsengang des Mobilitätsdienstleisters Uber. Sons Softbank Group ist mit 27,5 Prozent der Anteile mit Abstand größter Eigner, neben weiteren prominenten Investoren, zu denen auch Autobauer Toyota gehört.

Rekord-IPO an der Wall Street

Der Führungsanspruch der Firma aus San Francisco steckt bereits in ihrem Namen: Uber ist das ins Englische übertragene deutsche "über". Aktuell sind die Über-Kalifornier 76 Milliarden Dollar wert und damit das teuerste Start-up der Welt. Wird es mit dem bei der US-Börsenaufsicht angemeldeten Initial Public Offering, kurz IPO, 2019 konkret, könnten daraus geschätzte 120 Milliarden Dollar werden. Rund 21 Prozent der Aktien sollen via Börsengang angeboten werden. Mit über 25 Milliarden Euro Erlös wäre Uber noch vor Alibaba das größte IPO aller Zeiten.

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Softbank ist bei den über die ganze Welt verstreuten Uber-Konkurrenten Grab, Didi Chuxing, Ola Cabs und 99 Taxi an Bord. Son und sein Netzwerk aus Investoren, deren Kapital in Softbanks milliardenschwerem Vision- Fonds gebündelt ist, setzen klar auf den Megatrend Mobilitätsdienste. Firmen wie Uber bieten hier über Softwareplattformen zahlreiche Dienste an.

Die Konkurrenz, das sind zunächst herkömmliche Taxi- und Chauffeurfirmen, ist alarmiert. Mit einem eigenen Fuhrpark und oft auch Angestellten haben sie viel höhere Kosten als die Herausforderer aus dem Web. Die digitalen Taxidienste stellen nur ihre Plattform zur Verfügung und arbeiten meist mit selbstständigen Fahrern. Damit sind langfristig hohe Renditen möglich. Anders als bei herkömmlichen Taxifirmen ist das Geschäftsmodell auch leicht skalierbar. Die Margen steigen somit durch starkes Wachstum. Das macht die Debütanten bei Investoren begehrt.
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Auch die Automobilkonzerne sind längst auf die neue Branche aufmerksam geworden. General Motors ist bei Uber-Konkurrent Lyft an Bord. Daimler kaufte den App-Anbieter MyTaxi und hält Anteile am Uber-Rivalen Taxify aus Estland. VW stieg beim israelischen Anbieter Gett ein. Wie ernst deutsche Autokonzerne Uber nehmen, zeigt die laut "Handelsblatt" geplante Kooperation von Daimler und BMW bei Assistenzsystemen und Technologien für autonomes Fahren. Beide wollen hier einen Industriestandard entwickeln - im Idealfall mit VW. Das wäre dann auch ein Standard für den Massenmarkt.

Schließlich ist allen klar: Bei internetbasierten Geschäftsmodellen dominiert gewöhnlich der Anbieter mit der größten Plattform und fährt nachhaltige Gewinne ein. Von schwarzen Zahlen ist Marktführer Uber mit zuletzt drei Milliarden Dollar Umsatz und 1,1 Milliarden Verlust im Quartal jedoch meilenweit entfernt. Hohe Kosten für Marketing und Lobbyarbeit sowie Strafzahlungen, die Ubers aggressiven Wettbewerbsmethoden geschuldet sind, bleiben eine Bürde. Schaffen es die Kalifornier an der Börse nicht, regelmäßig ihre Ziele zu erreichen, dürfte der Rekordfirmenwert rapide schrumpfen.

Auch Lyft will 2019 aufs Parkett. Gelingen die beiden IPOs, wird das weitere milliardenschwere Start-up-Firmen anlocken. Insidern zufolge plant auch das soziale Netzwerk Pinterest sein Debüt für Anfang 2019. Währenddessen wird auch in der Zentrale von Traton, der in München angesiedelten Bus- und Lkw-Sparte von VW, mit Hochdruck am für 2019 geplanten Börsengang gearbeitet. Bis Sommer will Traton mit seinen Marken MAN aus München, Scania aus dem schwedischen Södertälje und VW Caminhões e Ônibus aus Brasilien an die Börse.

Mit Truck und Bus an die Börse

Nächster Schritt soll eine Barofferte an die verbliebenen MAN-Streubesitzaktionäre sein. Starten kann das für Anfang des Jahres geplante Gebot aber erst, wenn das Ende des Gewinnabführungsvertrags mit MAN im Handelsregister vermerkt ist. Dann sollen den Eignern von 13,13 Prozent an MAN zwei Monate lang 90,29 Euro je Aktie angeboten werden.

In der Lkw-Branche ist Traton gemessen an der Anzahl der verkauften schweren Trucks weltweit die Nummer 7. In China haben die Münchner eine Beteiligung an Sinotruk, in den USA an Navistar. In dieser Aufstellung will Traton nach dem Börsengang Gas geben, um den Abstand auf den globalen Branchenprimus Daimler zu verkürzen. Die Stuttgarter können ihre Nutzfahrzeuge frühestens 2020 an die Börse bringen.

Währenddessen kann Traton mit einer geschätzten Bewertung von über 24 Milliarden Euro und rund sechs Milliarden Euro Emissionserlös 2019 in Frankfurt den größten IPO liefern. Was die Münchner und die anderen Debütanten nervös macht, sind die Sorgen der Investoren vor einer Eskalation der Zollfehde zwischen den USA und China und anderen Belastungsfaktoren wie einem harten Brexit. Bei IPOs in Europa und Deutschland erwartet der Leiter des Aktienkapitalmarktgeschäfts der Bank Credit Suisse in Deutschland und Nordeuropa Joachim von der Goltz, ein verhaltenes Jahr: "Die Zahl der IPOs und auch das Emissionsvolumen werden voraussichtlich geringer sein als 2018".

Bestes Jahr seit 2000

Das auslaufende Jahr war eines der besten überhaupt. Mit 11,3 Milliarden Euro Emissionsvolumen aus 16 Debüts markiert es die Spitze seit dem Hoch im Jahr 2000, als die Euphorie um den Neuen Markt ihren Höhepunkt erreichte und zahlreiche Nebenwerte die Gunst der Stunde für ein IPO nutzten.

Dank Traton und anderen Debüts könnte auch 2019 ein gutes Jahr werden. Ausfälle bei Zeichnern der Börsengänge könnte es twa bei Hedgefonds geben. Viele gerieten während der Kursturbulenzen im Herbst unter die Räder. Aktuell sei es schwer, die für erfolgreiche Zeichnungen notwendigen Anker-Orders zu organisieren, berichtet von der Goltz. Anker-Order sind Mandate von Investoren wie Hedgefonds oder Anlegern wie Blackrock oder DWS, die gewöhnlich bei IPOs mindestens ein Zehntel des Volumens zeichnen. Aktuell werden hier Firmen mit soliden Bilanzen und starken Mittelzuflüssen für hohe Dividenden bevorzugt. Für Debütanten mit geringer Profitabilität und zyklischen Geschäftsmodellen dürfte der Markt herausfordernd werden, glaubt von der Goltz.

Zu den mit Spannung und Interesse verfolgten Premieren 2019 zählt auch Powertrain, die Antriebssparte des Autozulieferers Continental. Sie vereint alle Antriebstechnologien einschließlich des Know-hows für Batterien unter einem Dach. Bei den Antrieben erwartet Conti während der nächsten 15 bis 20 Jahre den größten Umbruch. Der Börsengang soll Powertrain größtmögliche Freiheiten geben. Geplant ist das Debüt für die zweite Jahreshälfte 2019.

Sowohl VW als auch Continental wollen bei ihren börsennotierten Töchtern als Großaktionäre langfristig an Bord bleiben. Ein Börsenerfolg wertet somit auch die Mutterkonzerne auf, ähnlich wie bei der Medizintechnik-Tochter Healthineers von Siemens. Die weiteren IPO-Kandidaten sind deutlich kleiner. Der Tübinger Biotech- Firma Curevac, die ein Debüt für 2019 oder 2020 avisiert, dürfte dennoch Aufmerksamkeit garantiert sein. Das Unternehmen entwickelt Medikamente zur Krebsbehandlung auf Basis von DNA und stammt aus dem Portfolio von SAP- Gründer Dietmar Hopp. Zweiter prominenter Großaktionär ist die Stiftung von Bill und Melinda Gates. IPO-Kandidaten aus dem Biotech-Sektor sind in Frankfurt bisher selten. Ein Erfolg von Curevac könnte das langfristig ändern.

Ausgewählte Börsendebüts 2018 (pdf)

Investor-Info

Gritstone Oncology
Personalisierte Therapien

Forschungsgebiet des Biotech-Börsenneulings aus Kalifornien sind Arzneien, die das Immunsystem der Patienten nutzen, um Krebs zu behandeln. Das Immunsystem soll sogenannte Tumor-Antigene erkennen, um sie anschließend zu zerstören. Mit Granite- 001 hat die Firma ihr erstes Produkt in klinischen Testphasen. Partner von Gritstone sind die Pharmaunternehmen Bluebird.bio und Bristol Myers Squibb. Depotbeimischung für Risikofreudige. Spekulativ. Mit Limit ordern.

Salmones Camanchaca
Wachstum mit Lachsen

Für 2019 stellte der chilenische Betreiber von Aquakulturen für Pazifiklachse jüngst Lieferungen von 55 000 Tonnen Fisch in Aussicht, fast 15 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Als Lebensmittel ist Lachs weltweit begehrt und wird von zahlreichen Firmen geliefert, die wie Salmones Camanchaca meist an der Börse im norwegischen Oslo notiert sind. Gemessen an den erwarteten zweistelligen Wachstumsraten beim Gewinn - 46 Prozent für 2019 und mehr als zehn Prozent für 2020 - ist die Aktie des Börsenneulings noch günstig.

Siemens Healthineers
Höhere Margen in Aussicht

Das Diagnosegeschäft des Medizintechnikkonzerns zieht weiter an. Healthineers bietet hier klinisch-chemische Analysesysteme, Probenmanagement und Planungssoftware für große Labore an. Ziel für das laufende Geschäftsjahr bis Ende September ist es, 3200 bis 3500 Atellica-Geräte zu installieren. Das sollte zu schaffen sein. Die Geräte tragen dazu bei, in der Diagnostiksparte bis 2022 operative Margen von mindestens 16 Prozent zu erreichen. Attraktiver Dividendentitel.


Bildquellen: HstrongART / Shutterstock.com, KenDrysdale / Shutterstock.com