Euro am Sonntag

Biotech & Pharma: Hillary's ungewohnter Stoff

14.10.15 03:00 Uhr

Biotech & Pharma: Hillary's ungewohnter Stoff | finanzen.net

Die Diskussion um hohe Medikamentenpreise in den USA setzt den Sektor erheblich unter Druck. Was wirklich dahintersteckt und wie Anleger reagieren sollten.

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Nur 22 Wörter lang, aber hoch explosiv: Eine Kurznachricht von ­Hillary Clinton auf Twitter hat Aktien von Biotech- und Pharmaunternehmen den schlimmsten Ausverkauf seit vier Jahren beschert.



"Eine Preisabzocke wie die im Spezialpharmamarkt ist skandalös. Morgen werde ich meinen Plan dagegen vorlegen", schrieb die Bewerberin für die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten Ende September und deutete damit Preiskontrollen auf dem US-Medikamentenmarkt an. Doch dessen liberale Preisgestaltung ist die Basis für die hohen Gewinnmargen der Branche. In der darauffolgenden Woche gab der Nasdaq Biotechnology ­Index (NBI) um fast 15 Prozent nach. Die gesamten Gewinne dieses Jahres - im Juli notierte der NBI noch 30 Prozent im Plus - sind mittlerweile ausradiert.

Flucht auf breiter Front

Anleger sind verunsichert. Jahrelang schienen die Kurse in dem Sektor nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Jetzt flüchten Investoren nicht nur aus einzelnen Werten, sondern auf breiter Front. Fakt ist: An der guten fundamentalen Situation der Unternehmen hat sich nichts geändert. Und objektiv betrachtet ist die Angst um Preiskontrollen stark übertrieben. Dennoch trifft das Thema einen Nerv. Anleger müssen sich deshalb wohl auf eine Phase mit stärkeren Kursschwankungen einstellen.

Auslöser für Clintons Em­pörung war das vom Ex-Hedgefondsmanager Martin Shkreli gegründete Start-up Turing Pharmaceuticals. Die Firma hat die Rechte an einem jahrzehnte­alten Medikament gegen Toxoplasmose gekauft, einer Para­sitenerkrankung, die vor allem Aids-Patienten und Schwangere gefährdet. Im August erhöhte Shkreli den Preis für eine Ta­blette von 13,50 auf 750 Dollar. Zum Vergleich: In Deutschland kostet das Mittel, Daraprim, 92 Euro-Cent pro Pille.


Der 5.500-Prozent-Aufschlag und das wenig diplomatische Verhalten des 32-jährigen Shkreli erzürnen seitdem die amerikanische Nation. Bereits vor einigen Monaten war die ­Debatte um Arzneimittelpreise hochgekocht, als es um eine rund 80.000 Dollar teure Hepatitis-C-Behandlung und die Kosten neuer Krebstherapien ging. Doch dabei handelte es sich, anders als bei dem vor 62 Jahren entwickelten Daraprim, um aktuelle Innovationen, in die Hersteller viel investiert haben.

Kein Wunder, dass die Branche schlecht auf Shkreli zu sprechen ist. Turing Pharmaceuticals wurde kurzerhand aus dem mächtigen Industrieverband BIO geworfen. Biotech-CEOs und institutionelle Investoren schimpfen ihn unter der Hand einen "Spinner" und "eine Schande für den Sektor".


Doch die öffentliche Reaktion auf den Fall berührt einen wunden Punkt: "An den positiven Aussichten für die Biotechbranche besteht kein Zweifel. Dass sie ihre Preisgestaltungsmacht einbüßen könnte, ist unsere einzige Sorge", erklärt Rudi van den Eynde, Manager des Candriam Biotechnology Fund.

Dass es wirklich so weit kommt, glauben indes weder van den Eynde noch seine Kollegen. Hillary Clinton müsste nicht nur zur Präsidentschaftskandidatin gekürt und dann Ende 2016 auch gewählt werden. Die Demokraten bräuchten die Mehrheit in beiden Kongresskammern, um entsprechende Maßnahmen durchzusetzen. Speziell Letzteres gilt als höchst unwahrscheinlich.

Trotzdem könnte die Diskussion die Branche bis zur Präsidentenwahl begleiten. "Jetzt im Vorwahlkampf sind die Medi­kamentenpreise ein populäres Thema unter den demokratischen Kandidaten, um die linke Wählerbasis anzusprechen", sagt Christian Koch vom Managementteam der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech. "Später wird der Ton vermutlich gemäßigter ausfallen, weil dann die breite Wählerschaft gewonnen werden muss." Dazu kommt: Veränderungen am Gesundheitssystem laufen erfahrungsgemäß der Mentalität vieler Amerikaner zuwider - siehe Obamas Probleme mit der Ver­sicherungsreform. "Viele von Clintons Plänen zirkulieren seit Langem und sind zumeist an der Umsetzung im Kongress gescheitert", sagt Koch.

Bekenntnis zu Innovation

Clinton selbst machte kurz nach ihrer Twitter-Nachricht deutlich, dass sie keineswegs Unternehmen treffen wolle, die in Forschung investieren und wirkliche Innovationen entwickeln - so, wie es das Gros der Branche tut. Dadurch rückte aber der Konzern Valeant ins Rampenlicht: Der Liebling vieler Investoren wächst quasi nur durch Zukäufe und weit überdurchschnittliche Preiserhöhungen. Jetzt verlangen die Demokraten im US-Kongress eine Untersuchung, Valeant droht damit zum Bauernopfer des gesamten Aufruhrs zu werden (siehe Investor-Info).

Wie sollen Anleger also auf den Ausverkauf reagieren? Wer schon länger investiert ist und Volatilität vermeiden will, tut durchaus gut daran, Gewinne zu realisieren. Analysten und Fondsmanager sehen in der Situation natürlich eine Kaufgelegenheit. "Es ist eigentlich unerhört, dass die Bewertung des Biotechsektors trotz stabiler Perspektiven und eines pro­gnostizierten Gewinnwachstums von 20 Prozent pro Jahr beinahe auf den Aktienmarktdurchschnitt gefallen ist", sagt Stephan Patton von der auf Gesundheit spezialisierten Vermögensverwaltung Sectoral.

Die meisten Fonds und die ­Beteiligungsgesellschaft BB Biotech investieren ohnehin nur in die klaren Innovatoren der Branche, denen weniger Gefahr durch eventuelle Maßnahmen droht. Eine Alternative für risikobereite Anleger sind Einzel­titel von als besonders innovativ geltenden Firmen wie Incyte, Biomarin oder die Gentherapie-Spezialisten Bluebird Bio und Juno Therapeutics.

Investor-Info

Biotech-Brancheninvestments
Momentan angeschlagen

Wer den Rückschlag zum Kauf nutzen möchte, sollte am besten über die kommenden Wochen in mehreren Schritten einsteigen, da die Korrektur womöglich noch nicht zu Ende ist. Diese vier bewährten Investments setzen auf innovationsstarke Firmen, für die die Preisdebatte kaum Zündstoff birgt.

Name ISIN Perf.1) Perf.2)
BB Biotech CH 003 838 999 2 441 % 19 %
Candr. Biot. LU 010 845 904 0 277 % 4 %
DWS Biot. DE 000 976 997 6 280 % 2 %
ESPA S. Biot. AT 000 074 675 5 317 % 5 %
1) Performance seit fünf Jahren (Euro-Basis); 2) Performance seit 1.1.15 (Euro-Basis); Quelle: Bloomberg

Einzeltitel
Die Innovationselite

Entwickler besonders innovativer Therapien werden auch in Zukunft hohe Preise durchsetzen können. Beispiel Incyte: Die Amerikaner sind bei der zweiten Welle der Krebs-Immuntherapeutika ganz vorn dabei, könnten deshalb auch übernommen werden. Biomarin ist einer der erfolgreichsten Hersteller von Medikamenten gegen seltene Krankheiten. Juno und Bluebird Bio gelten als Vorreiter bei neuen Formen der Gentherapie.

Name ISIN Perf.1) Perf.2)
Biomarin US 090 61G 101 3 367 % 13 %
Bluebird Bio US 096 09G 100 4 - 3 %
Juno Therap. US 482 05A 109 7 - -7 %
Incyte US 453 37C 102 7 548 % 49 %
1) Performance seit fünf Jahren (Dollar-Basis); 2) Performance seit 1.1.15 (Dollar-Basis)Quelle: Bloomberg

Valeant
Strategie steht auf der Kippe

Auch ohne staatliche Kontrolle wird Valeant es fortan schwerer haben, Preissprünge durchzusetzen. Das stellt aber die gesamte Strategie infrage: Das Wachstum speist sich nur aus Zukäufen und Preiserhöhungen. 2014 gab Valeant nur drei Prozent des Umsatzes für Forschung aus - üblich sind 15 bis 20 Prozent -, verlangte aber im Durchschnitt 50 Prozent mehr für seine Medikamente als im Vorjahr. Dazu kommen 30 Milliarden Dollar Schulden und Ärger mit dem Kongress. Meiden.

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Bildquellen: JStone / Shutterstock.com, PhotoStock10 / Shutterstock.com

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