Euro am Sonntag-Ausland

China: Unberechenbares Terrain für Anleger

28.10.17 12:00 Uhr

China: Unberechenbares Terrain für Anleger | finanzen.net

Personalfragen dominieren den 19. Parteitag der Kommunistischen Partei. Wirtschaftsreformen werden darüber vernachlässigt - mit womöglich schweren Folgen.

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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag

Wenn alle fünf Jahre Chinas Kommunistische Partei (KP) zu ihrem Parteitag zusammenkommt, dann gleicht dies einer Mischung aus Olympischen Spielen und Papstwahl: Peking - gehüllt in rote Nationalflaggen - ist bemüht, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen und Tausende Freiwillige sorgen für einen reibungslosen Ablauf, unzählige Feierlichkeiten begleiten das Spektakel.



Diskutiert und entschieden wird jedoch weitestgehend hinter verschlossenen Türen. Würde - wie im Vatikan - bei Beschlüssen weißer Rauch aufsteigen, man könnte ihn im sonst so von Smog geplagten Peking wahrscheinlich sogar sehen: Seit Anfang Oktober sind Tausende Fabriken in und um die Hauptstadt geschlossen worden, um die Luftqualität in der Region zu verbessern. Die chinesische Staatsführung will nichts dem Zufall überlassen, nicht den blauen Himmel über Peking und erst recht nicht die Entwicklung des Landes.

Enttäuschte Hoffnungen

In der vergangenen Woche tagten fast 2.300 Delegierte der KP, um den politischen und wirtschaftlichen Kurs für die kommenden fünf Jahre abzustecken. Erwartet wurden erhebliche personelle Änderungen und ein Ausbau der Macht von Staats­chef Xi Jinping. Auf ökonomischer Seite droht hingegen Stillstand. Zwar kündigte Xi in seiner Eröffnungsrede an, das Land weiter zu öffnen, Reformvorhaben oder gar Lösungsvorschläge für die drängendsten Probleme blieben jedoch aus.



Als Xi vor fünf Jahren zum General­sekretär der KP ernannt wurde, keimte noch Hoffnung auf einen Wandel auf. Der heute 64-Jährige galt als Reformer. Unter seiner Führung sollten das freie Unternehmertum gestärkt werden, die Märkte eine zentralere Rolle spielen und das Land für fremde Kapitalgeber geöffnet werden. Tatsächlich hat sich einiges getan: China machte schrittweise seinen Aktienmarkt für ausländische Investoren zugänglich, es trieb die Internationalisierung der Landeswährung Renminbi voran und bekämpfte Korruption so rigoros, dass Kritiker Xi Jinping nicht ohne Grund vorwarfen, seine Anti-Korruptionskampagne auch dazu zu nutzen, unliebsame Gegner loszuwerden.

Darüber hinaus investierte das Land Billionen Dollar in Infrastrukturprojekte - vorwiegend in anderen Ländern. Das jüngste Vorhaben ist der Ausbau der alten Seidenstraße als neuer Handelsweg zwischen Asien und Europa für 900 Milliarden Dollar. Preiswerter, aber ebenso prestigeträchtig ist der geplante neue Flughafen von Peking mit einem vorgesehenen Passagieraufkommen von 100 Millionen Menschen pro Jahr.


Es war dieser Investitionshunger, der die Wirtschaft in der Vergangenheit Jahr für Jahr kräftig wachsen ließ, wenn auch mit sinkendem Tempo. Diese Verlangsamung wird häufig mit Sorge betrachtet, auch im Hinblick auf die Weltwirtschaft. Tatsächlich geht die Gefahr aber von der Art aus, wie dieses investitionsbasierte Wachstum finanziert wurde, nämlich über Schulden. In den letzten zehn Jahren hat sich der private und öffentliche Verschuldungsgrad nahezu verdoppelt (siehe Investor-Info) und beträgt mittlerweile fast das Dreifache des Bruttoinlandsprodukts.

Wachstumsmodell ist überholt

Den Großteil der Schulden halten die zumeist staatseigenen, oft ineffizienten Betriebe. Um die Wachstumsdynamik aufrechtzuerhalten und möglichen Marktturbulenzen, die sich aus der Schieflage von Firmen ergeben könnten, vorzubeugen, werden sie mit Krediten gepäppelt - und produzieren Waren auf Halde. Zwar versucht die Regierung, das Problem in den Griff zu bekommen, aber einige Märkte, etwa der Stahlsektor, ächzen nach wie vor unter den Überkapazitäten.

"Das investitionsbasierte Wachstumsmodell in China hat seine Grenzen erreicht", fasst Emil Wolter, Fondsmanager bei der Vermögensverwaltung Comgest, die Situation zusammen. Das Land müsse seine Produktivität anheizen, und diese wiederum solle in Zukunft zunehmend durch Innovationen angetrieben werden.

Tatsächlich hat China diesbezüglich schon erste Schritte in die richtige Richtung unternommen. Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten vervierfacht. Zudem sind im Land zuletzt zahlreiche innovative Unternehmen entstanden. "Die Kommunistische Partei muss alles tun, um diesen Innovationsmotor am Laufen zu halten", meint Wolter.

Für eine langfristig gesündere Entwicklung muss das Land auf das starke Wachstum verzichten. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Weil die Exportnation vom globalen Aufschwung profitiert und das BIP kräftiger zulegt als erwartet, könnte der Übergang weniger schmerzhaft werden.

Ob tatsächlich wirtschaftspolitische Weichen auf dem Kongress gestellt werden, bleibt abzuwarten. Bisher dominieren Personalfragen den Parteitag. Fünf der sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros, des obersten Führungsgremiums Chinas, gehen in Ruhestand. Treue und wohlgesonnene Wegbegleiter Xis werden folgen. Zudem wird fast die Hälfte des Politbüros selbst nächsten Monat getauscht. Während die einen frischen Wind und die Chance auf einen Wechsel erwarten, fürchten andere Stillstand, vor allem in Wirtschaftsfragen. Viele Beobachter rechnen damit, dass einschlägige Reformen, wenn überhaupt, erst im März 2018, wenn der Nationale Volkskongress tagt, beschlossen werden.

Risikoreiche Investments

Für Anleger bleibt China unberechenbares Terrain. Da der Kauf chinesischer Aktien für Privatinvestoren ohnehin schwierig ist, empfehlen sich Fonds­lösungen. Bei der Titelauswahl werden Probleme wie die hohe Verschuldung vieler Unternehmen berücksichtigt. Zudem haben Fondsmanager die Möglichkeit, Währungsrisiken abzusichern.

Beim Renminbi könnte das nötig sein: Ein schwacher Dollar, besser als erwartete Wirtschaftsdaten und die nach wie vor strengen Kapitalkontrollen haben 2017 dafür gesorgt, dass die chinesische Währung seit Jahresbeginn mehr als vier Prozent aufgewertet hat. "Mittelfristig dürfte sich der Trend aber umkehren, weil sich das chinesische Wachstum langsam abschwächt", sagt Jeik Sohn, Investmentdirektor beim Vermögensverwalter M & G in Hongkong. Auch eine mögliche weitere Öffnung der Finanzmärkte könnte den Renminbi unter Druck setzen, weil die Chinesen ihr Geld lieber im Ausland anlegen. Trotz Internetsperren, Medienzensur und Schönwetter-Dramaturgie rund um den Parteitag ist vielen sehr wohl bewusst, auf welche Gefahren das Land zusteuert.

Investor-Info

Verschuldung
Kreditwachstum als Risiko

Das starke Wirtschaftswachstum Chinas ist vor allem auf staatliche Stützungsmaßnahmen und Kreditwachstum zurückzuführen. Dies birgt die Gefahr von Preisblasen - im ­Immobiliensektor, aber auch an den Börsen. Deshalb wurde in China begonnen, die Geldpolitik zu straffen und auch die Anreize zum Immobilienerwerb zu verringern.

COMGEST GROWTH GR. CHINA
Attraktive Einzelauswahl

Bei der Titelauswahl weicht das Fonds­management vom Vergleichsindex ab: Konsumgüter sind stark übergewichtet, Finanz­titel untergewichtet. Aktien aus risikoreichen Branchen wie Immobilien oder Rohstoffe werden gemieden. Mit rund 30 Prozent bilden IT-Titel das Schwergewicht des Fonds. Während der Vergleichsindex in den vergangenen zwölf Monaten etwas besser lief, spricht die langfristige Entwicklung für den Fonds.

ETFS Short CNY Long USD
Wette auf Yuan-Schwäche

Die chinesische Währung könnte mittelfristig schwächeln. Zum einen, weil der Dollar bei weiteren geldpolitischen Straffungsschritten der Fed aufwerten dürfte, zum anderen wegen des sich möglicherweise weiter abschwächenden Wirtschaftswachstums. Von der in der Folge wohl abwertenden China-Währung können mutige Anleger mit einem Short­papier auf den Renminbi (Yuan) profitieren.

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