Aktienmarkt: Banger Blick auf Schwellenländer
Die angespannte Lage in Ländern wie der Türkei, Argentinien oder Südafrika hält Anleger ebenso auf Trab wie eine mögliche Eskalation des Handelsstreits.
von W. Ehrensberger, Euro am Sonntag
Neue Drohungen von Präsident Donald Trump im Handelsstreit mit China, die sich jetzt offenbar auch gegen Japan richten, sowie Probleme mehrerer Schwellenländer lassen derzeit den Aktienkursen wenig Luft. Bis Redaktionsschluss zeichnete sich zudem noch keine Einigung im Ringen der USA und Kanada um ein Nordamerika-Handelsabkommen ab. Der deutsche Leitindex DAX kämpft bereits seit Donnerstag mit der Marke von 12.000 Punkten.
"Die Gefahr einer weiteren Eskalation im bereits entfachten Handelskrieg ist hoch", erläutert Donner & Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm. Er rechnet allerdings damit, dass für Trump bald die Wahlen Anfang November in den Blick rücken: "Dann könnte die Stimmung umschlagen. Trump könnte im Herbst gesprächsbereiter werden, um Erfolge im Sinne neuer Handelsvereinbarungen vorweisen zu können."
Probleme bereitet aber auch die Lage in mehreren Schwellenländern wie der Türkei mit ihrem Lira-Verfall, dem mit einer Schuldenkrise kämpfenden Argentinien oder Südafrika, dessen Wirtschaft gerade in die Rezession abgeglitten ist. Vor allem die stark gestiegene Auslandsverschuldung in vielen dieser Länder bereitet zunehmend Sorgen. Die Währungen haben teilweise deutlich abgewertet, die Wirtschaft gerät zunehmend unter Druck.
Die Commerzbank hat die Lage in den wichtigsten Krisenländern analysiert und kommt zu einem differenzierten Ergebnis. Demnach erreicht die Auslandsverschuldung beispielsweise in der Türkei und Südafrika bereits die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung, in Indien zum Vergleich dagegen nur rund ein Fünftel. Riskant ist aber speziell der Anteil der Schulden in Fremdwährung, vor allem wenn die eigene Währung kräftig abwertet. Hier sieht es für die Türkei wesentlich düsterer aus als etwa für Südafrika, wo die Schulden größtenteils auf Rand lauten.
Risikodämpfend wirkt zudem eine starke Exportwirtschaft. "So betrachtet, erscheinen die Fremdwährungsschulden in Indien, Russland oder Südafrika moderat, in der Türkei, Brasilien und vor allem Argentinien dagegen exzessiv", so die Commerzbank. Auch die Laufzeit der Schulden ging in die Untersuchung ein, ebenso das Nettoauslandsvermögen. Die größten Risiken (hohe Verschuldung in Fremdwährung bei kurzen Laufzeiten und relativ niedrigen Exporteinnahmen) weisen unterm Strich die Türkei und Argentinien auf, während Länder wie Südafrika oder Russland relativ stabil wirken. "Nimmt man noch Faktoren hinzu wie die Glaubwürdigkeit der Notenbanken, so dürfte die Krise im Wesentlichen auf die Türkei und Argentinien begrenzt bleiben und sich nicht zu einer allgemeinen Emerging-Markets-Krise auswachsen", lautet das Fazit der Commerzbank-Analyse.
"Es gibt auch die Good Boys"
"In puncto Schwellenländer gibt es sicher ein paar Bad Boys, die meinen, wirtschaftliche Naturgesetze aushebeln zu können", bringt es Aktienstratege Robert Halver von der Baader Bank auf den Punkt. "Aber es gibt auch die Good Boys, die finanziell, wirtschaftlich und währungsseitig gut dastehen. Warum sollte Kapital aus diesen attraktiven Ländern flüchten?"
Nicht zuletzt bremse die moderate Zinspolitik der US-Notenbank Fed die Anziehungskraft Amerikas als Fluchthafen für Kapital. Halvers Fazit: "Höhere Schwankungen bei Aktien sind zwar einzukalkulieren, aber kein Crash. Auch dieser Herbst kann noch schöne Aktientage haben."
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