IT-Branche: Kleine TecDAX-Aktien mit großer Wirkung
Pfiffige Dienstleister setzen neue Standards oder ebnen den Großen der Tech-Branche den Weg zum lukrativen Mittelstand. Bei ihnen lohnt sich der Einstieg trotz der langen Rally im TecDAX noch.
Werte in diesem Artikel
von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Fast 650 Prozent Wertzuwachs in fünf Jahren: Damit dürfen sich langjährige Aktionäre des IT-Dienstleisters All for One Steeb aus Filderstadt bei Stuttgart fast wie Könige fühlen. Ähnlich geht es auch Anteilseignern von anderen mittelständisch geprägten IT-Spezialisten, deren Börsenwerte in fünf Jahren deutlich stärker zugelegt haben als MDAX und TecDAX.
Was zu diesem Erfolg auf dem Parkett führt: Unternehmen wie die im Prime- Standard notierte All for One Steeb verschaffen kleinen und mittelgroßen Unternehmen zahlreicher Branchen Zugang zur Technologie global aufgestellter IT-Konzerne. Für Riesen wie SAP, Microsoft oder Amazon, die Nummer 1 im boomenden Cloud-Geschäft, wären direkte Kontakte zu kleinen Mittelständlern aufwendig und teuer.
Dienstleister wie All for One Steeb oder IT-Systemhäuser wie Bechtle und Cancom, die sich inzwischen auch als regional gut aufgestellte Cloud-Anbieter etabliert haben, sind für SAP und Co deshalb wertvolle Türöffner zum Mittelstand. Die IT-Zwerge profitieren von dieser Rolle gleich doppelt. Denn auch mittelgroße Firmen, die hierzulande in ihren Nischenmärkten oft weltweit vorn liegen, suchen den Zugang zu den Großen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
All for One Steeb mit 1.300 Mitarbeitern im deutschsprachigen Europa passt die Programme von SAP den Bedürfnissen von Mittelständlern verschiedener Industriezweige an. Zugang bekommen die Firmenkunden auch zu SAPs neuer Produktplattform Hana. Dort werden Daten nicht auf Festplatten der Computer, sondern im Arbeitsspeicher abgelegt und sehr viel schneller verarbeitet.
Auf dem Parkett ist der IT-Dienstleister aus dem Schwäbischen mit 310 Millionen Euro Börsenwert noch ein Leichtgewicht, als Partner von SAP liegt er gemessen an der Anzahl der Kunden jedoch vorn.
In der Kundenkartei stehen 2.000 Firmen, überwiegend mit Umsätzen zwischen 50 Millionen und drei Milliarden Euro, etwa aus dem Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der für All for One Steeb relevante Markt wird auf 12.000 Firmen geschätzt, Platz genug für Expansion.
Mit Zukäufen weiten die IT- Partner ihr Portfolio und die regionale Präsenz beständig aus. So erwarb All for One Steeb jüngst den Oldenburger Unternehmensberater Inside. Der Münchner Cloud-Anbieter Cancom schnappte sich Synax in Aachen, einen Spezialisten für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen.
An der Börse heiß gelaufen
Auf dem Parkett hat die globale Euphorie der Investoren für Unternehmen aus dem Technologiesektor auch die heimischen Stars erfasst. Für die vergangenen zwölf Monate liegt der TecDAX mit knapp 40 Prozent Kursgewinn klar vor DAX und MDAX.
Die jüngsten weltweiten Gewinnmitnahmen bei Techwerten, ausgelöst durch die sehr hohen Bewertungen, haben daran wenig geändert. Einige der Überflieger bei deutschen Nebenwerten im IT-Sektor sind weiterhin teuer (siehe Tabelle unten). Das erhöht das Risiko von plötzlichen breiten Gewinnmitnahmen. Dennoch sollten Anleger auch diese Firmen im Auge behalten, um sie später günstiger zu erwerben. Die Aussichten der Unternehmen sind intakt.
Zu den Stars unter Deutschlands Nebenwerten im IT-Segment gehören nicht nur pfiffige Dienstleister mit Zugängen zu Mittelständlern, sondern auch Firmen, die selbst Standards setzen.
Pioniere dieser Art sind bei Software für Baukonzerne und Architekturbüros zu finden. Bisher hat die Baubranche hierzulande vergleichsweise wenig in Digitalisierung investiert. Zum Vergleich: In der Automobilbranche sind es im Durchschnitt 6,9 Prozent des IT-Budgets, bei großen Baufirmen bisher nur 1,2 Prozent. Durch den jüngst europaweit eingeführten Digitalisierungsstandard BIM sollte sich das am Bau während der nächsten Jahre ändern - Aufwind für Softwareentwickler.
Innovative Wegbereiter
Die Münchner Nemetschek schreibt Programme, mit denen sich Architekten und Bauingenieure digital vernetzen, um Änderungen sofort umzusetzen, wenn Gebäude, Brücken oder Tunnel am Computer geplant, gebaut und getestet werden. Mit der Digitalisierung können im Vergleich zu herkömmlichen Bauprojekten 30 bis 50 Prozent der Kosten eingespart werden. Nemetschek ist mit mehr als 340 Millionen Euro Umsatz Europas Nummer 1 in diesem Segment.
RIB Software in Stuttgart liefert Programme zur Berechnung von Arbeitszeiten und -kosten: "Bauprojekte lassen sich ähnlich simulieren, wie es im Automobilbau seit Jahren üblich ist", wirbt RIB-Chef Thomas Wolf. Um international zu expandieren, hat die Firma mit dem US-Konzern Flextronics, einem der weltweit größten Dienstleister für Produktion und Lieferketten, die digitale Plattform Ytwo ins Netz gestellt. Mit dem chinesischen Immobilien- und Städteentwickler Myhome wurde der erste Kunde im größten Markt für Infrastruktur und Immobilienprojekte gewonnen. Myhome will auf Ytwo 100 Projekte im Gesamtwert von 4,4 Milliarden Dollar entwickeln.
Sollten auf der Plattform während der nächsten Jahre fünf Prozent des globalen Bauvolumens geplant werden, rechnet RIB mit jährlichen Einnahmen von 800 Millionen Euro. Ein kühnes Ziel: Im laufenden Jahr soll der Umsatz bei etwa 108 Millionen Euro liegen.
Favoriten auf den Kauflisten von Börsianern sind auch IT-Firmen im Gesundheitssektor. Krankenhäuser verwalten Patientendaten und archivieren Röntgenaufnahmen mit Software von Nexus. Mit den Programmen werden auch Befunde aus der Endoskopie und Kardiologie erfasst. Allerdings muss sich das Unternehmen mit Sitz in Villingen-Schwenningen im stark fragmentierten Markt auch gegenüber viel größeren Konkurrenten behaupten, wie etwa dem Branchenriesen Cerner aus den USA.
Bei der Digitalisierung des Gesundheitssektors durch die Gesundheitskarte ist Compugroup Medical auf der Überholspur. Bis Juli 2018 sollen alle 240.000 Apotheken und Praxen hierzulande mit Software und Lesegeräten ausgestattet sein. Die Deutsche Telekom, Konkurrent der Koblenzer, hat Probleme mit der Auslieferung ihrer Systeme - Vorteil Compugroup.
Deutsche IT-Stars im Bewertungsvergleich (pdf)
Investor-Info
Cancom
Noch günstig
Der IT-Dienstleister bleibt auf Einkaufstour. Für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag wird die Synaix-Gruppe in Aachen übernommen. Obwohl der Deal auch über neue Aktien finanziert wird, legte der Kurs zu. Gemessen am KGV ist Cancom, auch im Vergleich zum größeren Konkurrenten Bechtle, günstig bewertet. Das Cloud-Geschäft ist ein wichtiger Faktor für profitables Wachstum. Bis 2020 erwarten Analysten jährlich zweistellige Gewinnzuwächse.
All For One Steeb
Viel Potenzial in Nischen
Mit einem deutlich dreistelligen Wertzuwachs in fünf Jahren ist der IT-Dienstleister eine der Topaktien im Nebenwertesegment. Besonders günstig sind die Papiere deshalb inzwischen nicht mehr. Der Kauf des Oldenburger Unternehmensberaters Inside stärkt den Bereich Personalwirtschaft. Beim Umsatz erwarten Analysten bis 2019 jährliche Steigerungen von mindestens acht Prozent, beim Gewinn ab 2018 elf sowie 18 Prozent.
Compugroup Medical
Gesundheitskarte treibt an
Mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte fiel der Startschuss zum Aufbau einer digitalen Infrastruktur im deutschen Gesundheitswesen. Dem Marktführer - mit 70 Prozent Anteil bei Apotheken und Arztpraxen in Deutschland - dürfte das 2017 und 2018 Aufwind bescheren. Analysten prognostizieren 16 sowie 22 Prozent mehr Umsatz und beim Gewinn Zuwächse über 30 Prozent.
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: violetkaipa / Shutterstock.com, suphakit73 / Shutterstock.com
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13.11.2024 | Nemetschek SE Reduce | Baader Bank | |
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