SAP: Die Walldorfer Wolkenstürmer
Der SAP-Konzern schockt mit einer Gewinnwarnung, kassiert zugleich die Mittelfristprognose. Hinter dem Börseneklat steckt operative Schwäche - aber auch ein entschlossener Schwenk in Richtung Cloud.
von Stephan Bauer, Euro am Sonntag
Als die Amerikanerin Jennifer Morgan im April das Führungsduo bei SAP verließ, hieß es, Gründer Hasso Plattner habe sich auch wegen der Corona-Krise im Sinne schneller Entscheidungen für eine Einzellösung an der Spitze ausgesprochen - zugunsten von Christian Klein. Nach der jüngsten Gewinnwarnung samt 20-Prozent- Absturz des Aktienkurses steht der 40-Jährige, der in der Nähe der SAP-Firmenzentrale im Kraichgau aufwuchs und intern zum Vorstand aufstieg, allein vor seiner größten Aufgabe.
SAP schockte die Märkte mit schwachen Zahlen für die Monate Juli bis September: Der Umsatz sank um knapp vier Prozent, das Betriebsergebnis brach um über zwölf Prozent zum Vorjahreszeitraum ein. Klein strich zudem die von Vorgänger Bill McDermott veröffentlichte Mittelfristprognose. Der Konzern wird demnach 2023 eine um vier bis fünf Prozentpunkte niedrigere operative Marge verdienen. McDermott versprach im Mai 2019, mit einer Renditeoffensive die Marktkapitalisierung auf 300 Milliarden Dollar zu verdreifachen. Soeben ist der Börsenwert des größten DAX-Konzerns um 30 Milliarden Euro gesunken.
Was ist los in Walldorf? Keine Frage, im Geschäft gibt es teils handfeste Probleme, etwa beim Verkauf von Softwarelizenzen oder Diensten der Reiseplattform Concur. Kunden fragen die Dienste für Reisebuchungen in der Pandemie lange nicht mehr so intensiv nach.
Corona beschleunigt Trends
Hinter dem Börseneklat steckt aber auch ein Strategieschwenk. Klein will den Weltmarktführer bei Betriebswirtschafts-Software noch schneller auf die Cloud ausrichten. In diesem Bereich stieg der Umsatz im Quartal um elf Prozent. Das Virus beschleunigt den Trend zur Digitalisierung, viele Unternehmen binden ihre Mitarbeiter im Homeoffice an die Unternehmens-IT an. Überdies brummt der Onlinehandel, und Firmenkunden wollen direkte Verbindung von Angeboten etwa in Onlineshops und Lagerbeständen, um Verbrauchern möglichst exakte Lieferfristen zu nennen.
Dazu braucht es Systeme, die in der Cloud reibungslos kommunizieren. Allerdings ist SAP nicht so weit, dass alle Komponenten fehlerfrei sowohl in Rechenzentren von Kunden, in der Cloud sowie in Mischlösungen, der sogenannten hybriden Cloud, funktionieren.
Um dahin zu kommen, will Klein investieren. "Wir machen gerade Hausaufgaben bezüglich der Integration unserer Lösungen, damit wir durchgängige Prozesse in der Cloud anbieten können", sagte er in einem Interview. Die Investitionen werden deshalb in den kommenden Jahren höher ausfallen als geplant, auch aus diesem Grund sind die Mittelfristziele, die vor allem Investoren genau im Blick hatten, obsolet. Kleins Vorgabe: SAP soll 22 Milliarden von 36 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2025 in der Cloud erzielen und dann ein Betriebsergebnis von über 11,5 Milliarden Euro erreichen. 2020 sollen es jetzt 8,1 bis 8,5 Milliarden statt zuvor angepeilter 8,1 bis 8,7 Milliarden Euro werden. Zum Vergleich: Anfang des Jahres wurde noch mit einem Korridor von 8,9 bis 9,3 Milliarden Euro geplant.
Ein Restrukturierungsprogramm sei nicht geplant, so der Chef. Man habe zuletzt 2.000 Entwickler eingestellt, um die Aufgaben zu bewältigen. Insider glauben offenbar an den Schwenk: Neben Klein, der für gut 200.000 Euro kaufte, investierte Finanzchef Luka Mucic rund 75.000 Euro in SAP-Aktien. Gründer Hasso Plattner erhöhte seinen Anteil für fast eine Viertelmilliarde Euro.
Chance: Der Softwarekonzern ist
im Markt hervorragend positioniert, die Cloud ein Wachstumssegment. Kaufgelegenheit.
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Bildquellen: Cineberg / Shutterstock.com, Gil C / Shutterstock.com
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