Netflix-Aktie: Der entscheidende Schachzug

von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Elizabeth Harmon wächst in einem Waisenhaus in der amerikanischen Provinz auf und entdeckt ein ganz besonders Talent: Schachspielen. Ihr Kampf gegen die von Männern dominierte Welt der 1960er ist im Lockdown der Gegenwart zu einem unerwarteten Quotenhit geworden: 62 Millionen Abonnenten haben die Serie innerhalb der ersten 28 Tage auf Netflix gesehen. Eigenproduktionen wie die Verfilmung des Romans "Das Damengambit" und die Sondersituation der Pandemie haben das Geschäft des Medienkonzerns aus Kalifornien in neue Dimensionen getrieben.

Erstmals hat Netflix die Zahl seiner Abonnenten auf mehr als 200 Millionen gesteigert. Aus Sicht der Aktienmärkte noch wichtiger ist eine andere Nachricht: Im neuen Jahr will Netflix beim Free Cashflow den roten Bereich verlassen. Das bedeutet: Netflix kann sich selbst finanzieren und ist nicht auf Geldgeber angewiesen.

Bislang war Netflix wie ein Film mit zwei verschiedenen Drehbüchern: Viele Börsianer feierten das rasante Wachstum. Früher als der Rest der Medienwelt hatte Firmenchef Reed Hastings die Möglichkeiten des Internets erkannt. Den einstigen DVD-Verleiher baute er zu einem Streamingdienst um, der zunehmend auch eigene Serien und Filme in Auftrag gab. Die Zahl der Kunden wuchs rasant, die Investitionen in Technologie und Inhalte aber waren teuer. Regelmäßig verbrannte das Unternehmen Geld. Im Jahr 2019 wies die Bilanz beim Free Cashflow sogar ein Minus von 3,3 Milliarden Dollar aus. Je nach Perspektive war Netflix also eine grandiose Wachstumsstory oder ein Katastrophenfilm.

Die Corona-Pandemie brachte unerwartete Dramaturgie: Viele Menschen verschanzen sich in ihren Wohnungen und vertreiben sich die Zeit vor dem TV-Gerät oder am Computer. Die Zahl der Netflix-Abonnenten schoss 2020 um 37 Millionen nach oben, und das trotz neuer Konkurrenz etwa durch Disneys Streamingportal.

Der Unterhaltungswert der Netflix-Aktie bleibt hoch: Das Wachstumstempo bei den Abos wird deutlich abflachen, Skaleneffekte aber dürften den Gewinn antreiben. Analysten kalkulieren, dass der bereinigte Gewinn je Aktie über die kommenden drei Jahre im Schnitt um knapp 30 Prozent zulegt. Die Erfolgsstory dürfte also etliche Fortsetzungen haben.

Filmreif: Das noch immer starke Wachstum rechtfertigt weitere Kurssteigerungen. Aktie attackiert Allzeithoch. Für Risikobereite.








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