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IBM: Das sieht nach einem Turnaround aus!

25.09.17 03:00 Uhr

IBM: Das sieht nach einem Turnaround aus! | finanzen.net

Einst war Big Blue eine Macht in der Computerwelt. Wegen des Trends zur Cloud schrumpft das Geschäft von IBM seit Jahren, die Aktie hinkt der Wall Street hinterher. Das könnte sich nun ändern.

von Nele Husmann, Euro am Sonntag

Virginia Rometty - kurz Ginni - liebt das Boxen. Täglich findet die 60-jährige Managerin Zeit für eine kurze Sparringsrunde mit ihrem Trainer. Die Grundregel beim sportlichen Zweikampf: "Er schlägt nicht nach mir, sondern nur ich haue ihn", lacht Rometty.



Wenn sich doch auch im Berufsleben alles so einfach regeln ließe. Auf die Chefin des US- Techriesen IBM trommeln die Hiebe nur so ein. Seit 22 Quartalen schrumpft der Umsatz. In 16 Geschäftsjahresvierteln enttäuschte das Unternehmen die Wall Street dabei so sehr, dass es bei Bekanntgabe der Ergebnisse zu einem Tagesabsturz der Aktie um im Schnitt 4,5 Prozent kam. Großinvestor Warren Buffett verlor im Frühjahr die Geduld und verkaufte fast ein Drittel seines Pakets.

Auch andere Anleger werden nervös. Unter Romettys knapp sechsjähriger Ägide fiel der Aktienkurs um 17 Prozent. Das klingt noch moderat. Doch in der gleichen Zeitspanne stieg der Vergleichsindex, der Dow Jones, um gut 80 Prozent. Jeder andere Vorstandschef wäre angesichts der schlechten Performance schon k. o. gegangen.


Aber Rometty steht noch - und das Blatt könnte sich für sie und IBM wenden. Die langfristig ausgerichtete Kehrtwende weg vom Verkauf von Hardware hin zu Software und IT-Diensten greift allmählich. Das Jahr 2017 markiert wohl den Tiefpunkt, künftig wächst laut Analysten der Umsatz wieder. "Der Turn­around trägt Früchte", sagt Katy Huberty, Technologieanalystin von Morgan Stanley.

Trend verpennt

Der 106 Jahre alte Technologiekonzern wuchs mit Großrechnern für Unternehmenskunden zum ersten globalen IT-Riesen heran. Allerdings erkannte IBM den Trend hin zur Cloud recht spät. Inzwischen speichern viele Unternehmen ihre Daten nicht mehr auf eigenen Servern, sondern im Web. Der Trend ließ nicht nur das angestammte Hardwaregeschäft einbrechen, sondern schröpfte auch die lukrativen Pfründe bei Wartung und Nachrüstung.



Ein Drama, doch Rometty zieht einen ähnlich dramatischen Turnaround durch. 2013 kaufte sie für zwei Milliarden Dollar den Cloud-Anbieter Soft Layer. Insgesamt investierte sie über 30 Milliarden Dollar in neue strategische Geschäftszweige wie die Cloud, künstliche Intelligenz, die revolutionäre Blockchain-Technologie sowie in Schutzprogramme vor Hackerangriffen.

Die neuen Geschäfte legen jährlich um zehn bis elf Prozent zu und sorgten zuletzt für 43 Prozent des Umsatzes. Noch schrumpft das traditionelle Geschäft schneller, als das neue an Fahrt aufnimmt. Doch der Big Blue genannte Konzern ist noch immer hochprofitabel: 2016 erwirtschaftete IBM bei einem Umsatz von 79,9 Milliarden Dollar 13 Milliarden Gewinn.

Der Tiefpunkt dürfte bald erreicht sein. 2017 sollen die neuen Geschäfte erstmals mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes ausmachen. Und der Umsatz soll laut Schätzungen bis 2020 auf gut 84 Milliarden Dollar steigen. Investoren brauchen aber weiter Geduld: Bleibt es bei diesem Tempo, würde IBM erst 2026 den Spitzenumsatz des Jahres 2011 erreichen - des Jahres vor Amtsantritt von Rometty.

Eine Schlüsselrolle nimmt dabei das Computersystem Watson ein. 2011 verblüffte die nach IBMs erstem CEO benannte künstliche Intelligenz die Welt, als sie sich gegen zwei frühere Gewinner der TV-Ratesendung "Jeopardy" durchsetzte.

Die Kommerzialisierung der medial bestens inszenierten Computerdenkkraft aber verlief schleppender als erwartet. Bis 2013 dauerte es, Watson zu einem kommerziellen Produkt in der Cloud zu machen. Zwei weitere Jahre brauchte IBM, um Watson Health zu starten. Künstliche Intelligenz unterstützt Ärzte etwa beim Verordnen von Krebsmedikamenten. Noch wird der Bits-and-Bytes-Doktor vorwiegend in Schwellenländern eingesetzt. Idealerweise wertet Watson die Daten aus, die Kunden in die IBM-Cloud hochladen. "Wir versuchen, die 80 Prozent aller Daten weltweit zu erschließen, die sich hinter den Firewalls der Unternehmen befinden - da steckt der wahre Wert", sagt Rometty.

Noch hat IBM einen Vorsprung, wenn es um die Analyse von Daten in der Cloud geht. ­Allerdings droht Big Blue Konkurrenz etwa von Google oder Microsoft, die ebenfalls Maschinen das Lernen beibringen.

Spitze bei Blockchain

In der Blockchain-Technologie ist IBM führend. Die Architektur digitaler Protokolle, auf die alle Transaktionspartner zugreifen können - ursprünglich für die Digitalwährung Bitcoin erfunden - revolutioniert auch die Buchführung in Handel und Transport. Gerade erhielt IBM den Auftrag, als Partner für Lebensmittelunternehmen und Supermärkte ein Blockchain- Netzwerk aufzubauen, das Rückrufe im Fall von Krankheitserregern vereinfacht.

Die eigentliche Stärke von IBM ist die Summe all dieser Dienste. "Wir glauben an das breit aufgestellte Produktportfolio, das die Kundendollars besser an sich bindet als die Angebote von Konkurrenten wie HP", sagt Mor­gan-Stanley-Analystin Huberty. Viele Anleger aber messen IBM allein an der Cloud. Trotz 15 Prozent jährlichen Wachstums liegt Big Blue da mit nur vier Prozent Weltmarktanteil weit hinter dem Wettbewerb.

Langjährige Konzernkenner haben eine weitere Kennziffer im Blick. Ab dem vierten Quartal weist IBM zum ersten Mal seit fünf Jahren wachsende Bruttogewinne aus. Dass die Erträge aus den IT-Dienstleistungen vor Abzug der Konzern-Verwaltungskosten im Aufwind sind, interpretieren manche so, dass IBM weit besser dasteht, als die Wall Street glaubt. Geht das Kalkül auf, zeigt Ginni Börsianern bald, was ein Haken ist.

Investor-Info

Künstliche Intelligenz
Computerdoktor Watson

Watson Health ist ein Beispiel für die kommerzielle Nutzung künstlicher Intelligenz: Das Programm Watson nimmt hier Daten wie Alter der Patienten, Krankengeschichte und genetische Merkmale etwa eines Tumors auf und gleicht sie mit der medizinischen Literatur ab. Dann schlägt das System Therapien vor und gibt eine Bewertung, wie hoch die Chance für deren Wirksamkeit ist. Das geht bedeutend schneller, als es Ärzte sonst leisten könnten - und Zeit ist ein wichtiger Faktor bei der Krebsbekämpfung.

Geschäftsentwicklung
Gewinn schon gedreht

In der Spitze kam der traditionsreiche amerikanische Technologiekonzern auf weit über 100 Milliarden Dollar Umsatz - dank eines damals noch florierenden Hardwaregeschäfts. Dann setzte der Trend zur Cloud ein, der Speicherung von Daten im Web. Seitdem ist der Umsatz von IBM stark rückläufig. Die Umsatzwende dürfte wegen großer Investitionen in wachstumsträchtige Zukunftsfelder wie künstliche Intelligenz oder die Blockchain- Technologie bevorstehen. Dank umfangreicher Sparmaßnahmen ist die Wende beim Gewinn jüngst erfolgt.

Aktie
Günstiger Techriese

Das Papier von Big Blue hat die monatelange Rally an der Wall Street nicht mitgemacht. Kennziffern wie die Bruttomarge deuten auf ein gesundes operatives Geschäft. IBM sollte auch vom schwächeren Dollar profitieren, der wie ein Exportturbo wirkt. 2014 und 2015 verlor IBM mehr als 1,1 Milliarden Dollar durch Währungseffekte. Die Aktie ist im Branchenvergleich sehr günstig und bietet neben der kursrelevanten Turnaroundchance eine solide Dividendenrendite (Steuern beachten).

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Bildquellen: JuliusKielaitis / Shutterstock.com, Gil C / Shutterstock.com

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