Infineon-Aktie dennoch tiefer: Infineon erhöht Prognose nach gutem Jahresauftakt leicht - Knappheit bei Chips für Autobranche bleibt
Der Chiphersteller Infineon hat nach einem guten Jahresauftakt die Prognose für das laufende Geschäftsjahr leicht erhöht.
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Der Konzern profitiert dabei nicht nur von einem verbesserten wirtschaftlichen Umfeld, sondern auch von einem Digitalisierungs-Schub. Konzernchef Reinhard Ploss kündigte am Donnerstag in Neubiberg an, die Fertigungskapazitäten zu erhöhen und den Start der neuen Halbleiterfabrik im österreichischen Villach vorzuziehen: "Halbleiter werden mehr denn je gebraucht."
Derzeit herrscht in vielen Bereichen ein Mangel an Halbleitern, so etwa in der Auto- und der Unterhaltungsindustrie. Der weltweite Automarkt hat sich nach dem Corona-Einbruch im vergangenen Frühjahr schneller erholt als gedacht. Hinzu kommt der beschleunigte strukturelle Wandel hin zur Elektromobilität, insbesondere in Europa. "Viele Kunden unterschätzen die Komplexität der Fertigung", sagte Ploss in einer Telefonkonferenz. So dauere etwa die Produktion bei Microcontrollern, die derzeit besonders von Engpässen betroffen sind, bis zu einem halben Jahr, erläuterte er. Infineon geht dabei nicht von einer schnellen Beseitigung der Lieferprobleme aus, sondern von einer Normalisierung zu Jahresende.
Im Geschäftsjahr 2020/2021 (30. September) soll der Umsatz um mehr als zwei Milliarden auf 10,8 Milliarden Euro, plus oder minus 5 Prozent, steigen. Bislang war Infineon von 10,5 Milliarden ausgegangen. Auch die Marge auf Basis Segmentergebnisses soll mit 17,5 (Vorjahr: 13,7) Prozent in der Mitte der Umsatzspanne besser ausfallen als mit zunächst 16,5 Prozent geplant. Dies ergibt rechnerisch einen operativen Gewinn von knapp 1,9 Milliarden Euro und damit deutlich mehr als im von der Corona-Pandemie beeinträchtigten Vorjahr. Die Zahlen sind wegen der milliardenschweren Übernahme des US-Konzerns Cypress jedoch nur bedingt vergleichbar.
Die geplanten Investitionen erhöhte Infineon auf 1,6 Milliarden Euro. Zuvor war eine Spanne von rund 1,4 bis 1,5 Milliarden angegeben worden. So soll die neue Fabrik in Villach bereits im letzten Quartal des laufenden Geschäftsjahres an den Start gehen. Bislang hatte Infineon das Ende des Kalenderjahres anvisiert.
Infineon verzeichne "dynamisch anziehende Auftragseingänge", erläuterte Ploss die höhere Prognose. Zudem sei die Fertigungen in weiten Teilen gut gefüllt. Vor allem das Geschäft mit der Autoindustrie, sowie die Sparte Power & Sensor Systems (PSS), in der unter anderem das Geschäft mit Chips für die Stromversorgung sowie für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets gebündelt ist, dürften sich insbesondere in der zweiten Geschäftsjahreshälfte weiter dynamisch entwickeln. Anhaltende Risiken, etwa im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, habe man "im Blick", so Ploss.
Im bis Ende Dezember laufenden ersten Quartal setzte sich die Erholung der Geschäfte im Vergleich zum Vorquartal fort. Wachstumstreiber war dabei das Automobilgeschäft, das den Löwenanteil zum Infineon-Geschäft beiträgt. Aber auch PSS sowie der Bereich Industriehalbleiter wuchsen. Die Sparte Connected Secure Systems war dabei durch Lieferengpässe bei Auftragsfertigern belastet. In dem Bereich wird unter anderem das Geschäft mit Chips für das kontaktlose Bezahlen oder Spielekonsolen gebündelt, das derzeit boomt. Dazu kommt das von der Pandemie getroffene Ticketing sowie das Geschäft mit Ausweisdokumenten.
Der Konzernumsatz nahm im Vergleich zum Vorquartal um sechs Prozent auf 2,6 Milliarden Euro zu, das Segmentergebnis stieg um fast 30 Prozent auf 489 Millionen Euro, die Marge verbesserte sich auf 18,6 Prozent. Analysten hatten hier weniger erwartet. Infineon selbst war von einem Umsatz zwischen 2,4 und 2,7 Milliarden und einer Segmentergebnismarge in der Mitte der Spanne von etwa 16 Prozent ausgegangen. Gegenwind lieferte der schwache US-Dollar.
Unter dem Strich verdiente der Chiphersteller mit 256 Millionen Euro ebenfalls deutlich mehr als die 109 Millionen im Vorquartal. Dabei fielen die Kosten im Zusammenhang mit der Cypress-Übernahme niedriger aus als im Vorquartal. Auch zum Vorjahr konnte Infineon bei Umsatz und Ergebnis deutlich zulegen. Allerdings sind die Zahlen kaum vergleichbar, da die Cypress-Übernahme erst im vergangenen April abgeschlossen wurde.
Für das zweite Quartal zeigte sich Infineon vorsichtig und erwartet einen Umsatz von 2,5 bis 2,8 Milliarden Euro. Die Segmentergebnis-Marge wird in der Mitte der Spanne bei 16,5 Prozent gesehen. Die geringere Margen-Erwartungen im Vergleich zum Vorquartal begründete Infineon mit der neuen Preisrunde. So hat Infineon langfristige Lieferverträge abgeschlossen, die abgestuft Preissenkungen beinhalten. Zudem hatte Infineon zum Jahresauftakt von Sondereffekten profitiert.
Problem der Knappheit bei Chips für Autobranche bleibt
Die aktuell massiven Engpässe bei der Belieferung der Autobranche mit Halbleitern werden sich nach Einschätzung von Infineon-Vertriebsvorstand Helmut Gassel zunächst noch fortsetzen. Eine Erholung der Nachfragesituation sei frühestens im zweiten Halbjahr zu erwarten, sagte der Manager in einer Telefonpressekonferenz. Nach Schätzungen können im ersten Quartal weltweit rund 600.000 Autos nicht gebaut werden, weil die nötigen Chips fehlen.
Infineon selbst kann gegenwärtig die Nachfrage nach Microcontrollern nicht vollständig befriedigen, die etwa in Steuergeräten für ABS, Airbag oder Motoren zum Einsatz kommen. Hier ist der Konzern selbst in hohem Maße von Zulieferern abhängig. Bei Leistungshalbleitern gebe es hingegen keine Verzögerungen bei der Lieferung.
Konzernchef Reinhald Ploss sagte, Infineon tue alles, um die Autobranche zu unterstützen. Bei Durchlaufzeiten von drei bis sechs Monaten für einen Chip könne die Produktion aber nicht so schnell hochgefahren werden, wie dies die aktuelle Dynamik auf dem Fahrzeugmarkt erfordere. Infineon zieht angesichts der starken Nachfrage die Inbetriebnahme seiner neuen Fabrik in Villach um gut ein Quartal auf den Sommer vor und baut auch am Standort Dresden seine Kapazitäten aus. Lieferungen von beiden Werken erreichen den Markt aber nicht vor 2022.
Ein Grund für den Engpass von Halbleitern für die Autobranche ist nach Darstellung von Ploss auch die ungewöhnlich starke Nachfrage, die es gegenwärtig aus allen übrigen Halbleiter-Abnehmerbranchen gibt. Besonders die Mobilfunkbranche nehme sehr viele Chips ab. Dagegen sei der Marktanteil der Autobranche mit 8 Prozent nicht besonders groß. Nach Expertenschätzungen braucht allein iPhone-Hersteller Apple so viele Chips wie die gesamte Autoindustrie weltweit.
Überdies seien einige Chipfertiger in China aufgrund der politischen Spannungen vom Markt ausgeschlossen. Kritisches Element sei aktuell die hohe Abhängigkeit der Halbleiterbranche von Auftragsfertigern wie TSMC in Taiwan. Ploss äußerte die Überzeugung, dass es nach den jüngsten Erfahrungen zu einer Umstellung der Lieferketten kommen werde. Aber das brauche Zeit und koste Geld.
"Wir werden mit der Autoindustrie darüber reden, wie wir die Resilienz erhöhen können", kündigte Ploss an.
So reagieren die Infineon-Aktien
Die neuen Prognosen des Unternehmens liegen nur etwas über den bisherigen Schätzungen der Analysten. Insofern lösten die neuen Ziele keine Begeisterung bei Anlegern aus, zumal die Aktien in den vergangenen Monaten zu den größten Gewinnern im DAX zählten. Die Papiere des Chipherstellers machten am Vormittag Verluste aus dem frühen Handel von bis zu 2,6 Prozent wett und drehten zwischenzeitlich in die Gewinnzone, aktuell geben sie jedoch erneut um 2,32 Prozent auf 33,05 Euro ab.
Die Quartalszahlen kamen bei den Experten gut an: Die Resultate seien besser als erwartet ausgefallen, schrieb etwa Analyst Sandeep Deshpande von der US-Bank JPMorgan. Dazu habe unter anderem die starke Nachfrage aus der Autoindustrie beigetragen. Der weltweite Automarkt hat sich nach dem Corona-Einbruch im Frühjahr 2020 schneller erholt als allgemein gedacht.
Der Experte Malte Schaumann vom Analysehaus Warburg Research ergänzte, Infineon habe insgesamt in puncto Profitabilität die Erwartungen deutlich übertroffen. Laut dem Fachmann David Mulholland von der Schweizer Großbank UBS könnten nun die Markterwartungen steigen.
Die Aktien von Infineon hatten den Corona-Kurseinbruch bereits Anfang Juni wettgemacht. Von da an ging es fast wie am Lineal gezogen weiter nach oben bis auf rund 36 Euro Ende Januar. Dies war der höchste Stand seit 2001. Das Rekordhoch aus der Zeit der Dotcom-Blase stammt vom Juni 2000 und liegt bei 93,60 Euro.
(dpa-AFX / Dow Jones)
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