Ende der Dominanz

Wende für Wachstumsaktien? Was für Value spricht

13.02.22 17:04 Uhr

Wende für Wachstumsaktien? Was für Value spricht | finanzen.net

Die Pandemie und die Inflation haben das Umfeld für die Kapitalmärkte verändert. An der Börse büßen die wachstumsstarken Lieblinge der Anleger ihren Vorsprung ein, während die Chancen bei substanzstarken Aktien steigen.

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von Michael Herzum, Gastautor von Euro am Sonntag

Der Jahresauftakt hatte es für wachstumsstarke US-Aktien wie Alphabet, Netflix oder Tesla in sich. Ihre Kurse sanken deutlich, während sich Industrie- und Energiekonzerne sowie Finanzdienstleister dem Abwärtstrend entziehen konnten. Der Grund für diese Rotation zwischen Wachstums- und Value-Aktien? Das kräftige Wachstum der US-Wirtschaft, die längst das Vorkrisenniveau hinter sich gelassen hat, sowie eine gestiegene Inflation. Dies veranlasst die US-Notenbank Federal Reserve (Fed), schneller als ursprünglich geplant und entschiedener die geldpolitische Normalisierung einzuläuten.

Für Aktienanleger ist diese Rotationsbewegung ein Fingerzeig, auf den sie reagieren sollten. In den breiten US-Börsenindizes haben Wachstumstitel durch ihre außergewöhnliche Wertentwicklung der vergangenen Jahre deutlich mehr Gewicht erlangt. Ihre Bewertungen stiegen immer stärker an. Diese Entwicklung erfolgte vor dem Hintergrund einer Art säkularen Stagnation, also einem jahrelang schwachen Wirtschaftswachstum bei rückläufiger Teuerung und fallenden Zinsen. Besonders die Zeit nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 war dadurch geprägt.

Das Ende der chronisch niedrigen Inflation

Mit der Corona-Pandemie haben sich Trends beschleunigt, die der Weltwirtschaft helfen, das schwache Wachstum und eine chronisch zu niedrige Inflation hinter sich zu lassen. Ein schneller werdender technologischer Wandel und eine investitionsfreudigere Wirtschaftspolitik in den USA und Europa beschleunigen das Wachstum und unterstützen wieder "normalere" Inflationsraten bei oder etwas oberhalb von zwei Prozent in den nächsten fünf bis zehn Jahren.

Im Ergebnis bedeutet dies ein höheres nominales Wirtschaftswachstum und strukturell auch wieder höhere Zinsen. Die allgemein erwartete erste Zinserhöhung der US-amerikanischen Fed im März ist also nicht nur der Start in einen neuen Zinserhöhungszyklus. Es ist auch der Beginn einer Reise in Richtung eines höheren "normalen" Zinsniveaus.

Das alles sorgt für Gegenwind bei Growth-Titeln. Denn bei Wachstumsaktien nimmt die Bewertung viel künftiges Gewinnwachstum vorweg. Steigen die Zinsen, sind zukünftige Gewinne schon heute weniger wert. Das belastet an den Börsen die Kurse von Wachstumsaktien. Es gibt aber noch einen zweiten Faktor, der zu den Turbulenzen bei Growth-Titeln führt. Die Anleger waren nach der Finanzmarktkrise lange bereit, in dem Umfeld von geringem Wachstum eine Prämie für mehr Wachstum zu bezahlen. Wenn es aber wieder strukturell höheres nominales Wirtschaftswachstum gibt, wie wir dies erwarten, schaffen es mehr Unternehmen, auskömmlich zu wachsen. Die Knappheit des Faktors Wachstum nimmt also ab, und damit ist eine Bewertungsprämie weniger gerechtfertigt. Auch waren Growth-Titel in den vergangenen Jahren gleichzusetzen mit Aktien aus dem Technologiesektor. Mit der zunehmenden digitalen Durchdringung anderer Branchen verschwimmt jedoch dieses Alleinstellungsmerkmal.

Wir gehen deshalb von dem Ende der langjährigen Growth-Dominanz an den Aktienmärkten aus. Aber es ist noch nicht die komplette Wende. Anleger sollten Wachstumstitel nicht voreilig abschreiben, da ihre Geschäftsmodelle und Gewinnaussichten grundsätzlich weiterhin sehr gut sind. Zudem gibt es auch Belastungsfaktoren für die derzeit besonders gefragten Value-Unternehmen. So spüren zum Beispiel Finanzunternehmen den zunehmenden Wettbewerb durch Fintechs, also junge Unternehmen, die mithilfe technologiebasierter Systeme spezialisierte und besonders kundenorientierte Finanzdienstleistungen anbieten.

Das Ende der Dominanz von Wachstumswerten

Statt für eine weitere Growth-Dominanz spricht aktuell mehr für eine gleichförmigere Wertentwicklung von Value und Growth im neuen Post-Corona-Makroregime. Anleger dürften besser fahren, wenn sie in den kommenden Jahren eine ausgeglichenere Beteiligung an Wachstums- und Value-Titeln halten. Wir raten deshalb, Übergewichte in Growth-Aktien und den Vereinigten Staaten zu reduzieren und dafür Value-Aktien sowie insbesondere Europas Aktienmärkte als Region mit einem hohen Anteil an Value-Titeln wieder stärker in Betracht zu ziehen. Bei den Sektoren dürften aufgrund des Zinsanstiegs Banken und durch die anziehende Investitionsdynamik auch Unternehmen aus der Branche der Grundstoffgüter profitieren.


Michael Herzum
Leiter Macro & Strategy bei Union Investment

Herzum leitet seit dem Jahr 2018 im Portfoliomanagement von Union Investment die Abteilung Macro & Strategy des Bereichs Research & Investment Strategy.

Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell rund 370 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.










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Bildquellen: Carsten Lerp/Union Invest, Number1411 / Shutterstock.com

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