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Makro-Ausblick: Das Ende des Zinseszins

12.05.15 12:00 Uhr

Makro-Ausblick: Das Ende des Zinseszins | finanzen.net

Der Ölpreisrutsch und die Liquiditätsschwemme der Notenbanken im Euroraum und in Japan sorgten für einen weiteren Rückgang der Renditen bei Staatsanleihen. Für renditeorientierte Investoren bedeutet dies, dass sie auf Aktien und höherverzinsliche Unternehmensanleihen ausweichen müssen.

"Bei einer Anleiherendite von 5 % verdoppelte sich das Kapital innerhalb von 15 Jahren. Bei dem heutigen Renditeniveau von 0,35 % dauert eine Kapitalverdoppelung 200 Jahre. Wir erleben damit nicht nur das Ende des sicheren Zinses sondern auch das Ende des Zinseszinses." Asoka Wöhrmann, Chief Investment Officer und Mitglied des Deutsche AWM Executive Committee

Comeback des Greenback

Die USA führen unter den großen Industrieländern die wirtschaftliche Erholung an. Dies stärkt den US-Dollar. Die Wirtschaft in der Eurozone und in Japan dürfte dies beschwingen, die US-Wirtschaft allerdings etwas belasten. Die Fed muss entsprechend vorsichtig agieren.

Über die Leitwährung zu verfügen, bietet den USA einen großen Vorteil. Das macht sich derzeit wieder bemerkbar: Da die US-Dollar als Währungsreserve gehortet werden, sind sie international begehrt. Das gibt den USA die Möglichkeit, sich fast unbegrenzt und zu günstigen Konditionen im Ausland in einer Währung zu verschulden, die sie im Notfall sogar selbst drucken können. Und die Möglichkeit, sich im Ausland zu verschulden, nutzen die Vereinigten Staaten seit 2011 auch wieder. Dadurch stiegen die Verbindlichkeiten der USA weit schneller als die Forderungen gegenüber dem Ausland.

Unmittelbar nach dem Ausbruch der Finanzkrise reduzierten die USA ihren Schuldensaldo gegenüber dem Ausland. Doch dies war nur eine kurze Episode. Mit der wirtschaftlichen Erholung setzte wieder ein rasanter Schuldenanstieg ein. Im Saldo, also nach Abzug der ausländischen Vermögenswerte, stehen die USA mittlerweile mit 6,2 Billionen US-Dollar, oder 35% gemessen am Bruttoinlandsprodukt, beim Ausland in der Kreide. Selbst niedrige Zinsen von unter drei Prozent für zehnjährige Anleihen ab Mitte 2011 schreckten die internationalen Investoren nicht ab, die US-Dollaranleihen zu kaufen. Sie setzen damit trotz der Verschlechterung der US-Nettoauslandsposition - also der Auslandsforderungen minus der Auslandsschulden - auf den US-Dollar und trieben damit den handelsgewichteten US-Dollar-Index nach oben. Auch gegenüber dem Euro konnte der US-Dollar seit Mitte 2014 deutlich zulegen, obwohl die Eurozone sowohl bei der Nettoauslandsposition als auch beim Leistungsbilanzsaldo die USA aussticht (s. Charts).

Es muss also ein anderer Faktor sein, der den US-Dollar maßgeblich bewegt. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es ab den 80er Jahren drei Phasen gab, in denen der US-Dollar gegenüber den Auslandswährungen kräftig an Wert gewann. Erstmals war eine solche Entwicklung in den Jahren von 1981 bis 1985 unter US-Präsident Ronald Reagan zu beobachten. Er brachte die US-Wirtschaft durch ein großes Aufrüstungsprogramm und Steuersenkungen wieder in Schwung. Die zweite Phase der Dollarstärke war in den Jahren von 1992 bis 2000 zu beobachten. Im Glauben, dass die New Economy für einen nachhaltigen Wachstumsboom sorgt, erhöhten die US-Verbraucher ihre Konsumausgaben und senkten damit gleichzeitig ihre Sparquote. Die Kombination aus höherem Konsum und steigenden Investitionsausgaben der Unternehmen sorgten damals ebenfalls für eine Beschleunigung des US-Wirtschaftswachstums. Die dritten Phase der Dollarstärke ist seit Mitte 2011 zu beobachten. Antriebsfaktoren sind eine Wachstumsbeschleunigung in den USA und eine geringe Wachstumsdynamik im Rest der Welt.

Antriebsfaktor für den US-Dollar

In beiden Zeitperioden war gleichzeitig auch zu beobachten, dass die US-Wirtschaft in Relation zum Ausland auf Aufholjagd ging. Während der Zeit von Reaganomics wuchs die US-Wirtschaft deutlich schneller als der Rest der Welt ohne die USA (in Grafik: Zeitreihe "Wachstumsdifferenz"). In den 90er Jahren sorgten die Schwellenländer für eine Beschleunigung des Weltwirtschaftswachstums. Die US-Wirtschaft wuchs deutlich langsamer, konnte aber ab 1992 ihre negative Wachstumsdifferenz zur Welt ex USA deutlich abbauen. Die Annäherung der Wachstumsdifferenz an die Nulllinie ließ den Greenback erstarken. Und auch in den Vorjahren holte die US-Wirtschaft deutlich auf.

Für dieses Jahr erwarten wir, dass die US-Wirtschaft real um 3,2 Prozent wächst. Die Weltwirtschaft dürfte insgesamt um 3,4 Prozent zulegen. Damit dürfte die US-Wirtschaft ihre Wachstumsdifferenz zum Rest der Welt noch einmal deutlich verringern. Dies spricht dafür, dass die Dollarstärke in diesem Jahr weiter anhält. Dass die USA dabei in punkto Wachstumsdynamik wie Anfang der 80er Jahre den Rest der Welt ohne die USA überholen, ist allerdings nicht zu erwarten. Deshalb gehen wir davon aus, dass sich das Tempo des Anstiegs beim handelsgewichteten US-Dollar-Index verlangsamen wird.

Der Grund dafür ist im asiatischen Raum zu finden, der sich dynamisch entwickelt. Die Asean-5-Länder, also Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Thailand und Vietnam, dürften 2015 ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent erreichen. Zwischen China und Indien zeichnet sich ein Favoritenwechsel ab. Indiens Wirtschaft dürfte dank marktwirtschaftlicher Reformen und Infrastrukturinvestitionen der neuen Regierung von Narendra Modi um 7,5 Prozent wachsen. Chinas Volkswirtschaft dürfte in diesem Jahr mit 6,8 Prozent etwas langsamer zulegen.

Über eine restriktivere Geld- und Fiskalpolitik sorgte die Regierung in Peking in den Vorjahren für eine höhere Effizienz bei den Investitionen. Die Auswirkungen zeigen sich jetzt. Sich abschwächende Investitionen in Kombination mit einer weiterhin hohen Sparquote führten zu einer geringeren Wachstumsdynamik. Eine expansiver werdende Geldpolitik der People‘s Bank of China (PBoC) sowie neue Infrastrukturprojekte der Regierung dürften dafür sorgen, dass das Land das derzeitige Wachstumstempo aufrechterhalten kann.

Gegenüber Asien können die USA nicht mithalten. Aber gegenüber den großen Industrieländern werden die USA ihren vorderen Platz beim Wachstum verteidigen. Getragen wird der Aufschwung vom Konsum. Die privaten Haushalte haben vom ersten Quartal 2008 bis zum dritten Quartal 2014 ihre Schulden, gemessen am verfügbaren Einkommen, von 129 auf 103 Prozent reduziert.4 Damit haben die US-Privathaushalte mittlerweile wieder einen höheren Ausgabenspielraum.

Ebenfalls positiv auf die Stimmung der Privathaushalte und damit auf den Konsum wirkt, dass die US-Notenbank ihrem Ziel der Vollbeschäftigung trotz des Auslaufens von Quantitative Easing (QE) näher gekommen ist. Die Gründe dafür dürften sein, dass die von der Fed durch QE geschaffene Geldbasis weiterhin großzügig ist und die Leitzinsen niedrig sind. Mit der Aufhellung am Arbeitsmarkt steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Federal Reserve zum Jahresende hin den Leitzins erhöht.

Im Gegensatz dazu kommt Japan nicht in Schwung. Die Privathaushalte halten sich beim Konsum zurück. So sparten die Haushalte ihre Boni, die sie zum Jahresende erhalten haben. Aufgrund politischer Widerstände kommt zudem die Regierung unter Shinzo Abe bei den Strukturreformen nur langsam voran. Als Antriebsfaktor für die Wirtschaft verbleibt die ultralockere Geldpolitik. Durch Quantitative Easing soll die Währung weiter geschwächt, die Inflation angehoben und der Exportwirtschaft Impulse gegeben werden. Für einen kräftigen, lang anhaltenden Aufschwung reicht dies allerdings nicht.

In diesem Jahr dürfte das Wirtschaftswachstum in der gesamten Eurozone mit 1,3 Prozent um 0,2 Prozentpunkte besser ausfallen als 2014. Der Ölpreisverfall dürfte die Konsumentenpreise im Jahresdurchschnitt auf etwa 0% drücken.5 Die fallenden Preise sind allerdings keine Folge einer gesamtwirtschaftlichen Nachfrageschwäche, sondern ein Resultat eines temporär wirkenden positiven Angebotsschocks. Gleichzeitig ist derzeit auch ein Anziehen der Löhne zu beobachten. Die steigende Kaufkraft könnte zu mehr privatem Konsum und damit einer wirtschaftlichen Beschleunigung führen. In den Vorjahren hat die restriktive Fiskalpolitik zu einer Gesundung der staatlichen Budgets in vielen Ländern geführt. Die wachstumshemmenden Sparmaßnahmen dürften damit auslaufen. Zudem zeichnet sich bei der Kreditnachfrage der Unternehmen nach rund zwei Jahren der Abstinenz eine Erholung ab.

Notenbanken im Vergleich

Die unterschiedlichen Wachstumstrends führen zu Divergenzen in der Geldpolitik. Die Bank of Japan führt QE fort. Als Ziel hat sie den Kauf von Wertpapieren in Höhe von 80 Billionen Yen (rund 620 Milliarden US-Dollar) jährlich definiert. Die Europäische Zentralbank hat im März dieses Jahres ihr QE-Programm gestartet. Sie will monatlich Wertpapiere im Umfang von 60 Milliarden Euro kaufen. Ein Teil davon dürfte auf Anleihen von staatlichen Agenturen und auf besicherte Schuldverschreibungen und Asset Backed Securities entfallen. Da jedoch diese Marktsegmente klein sind, werden schwerpunktmäßig Staatsanleihen im Wert von rund 40 bis 50 Milliarden Euro jeden Monat auf der Kaufliste der EZB zu finden sein.

Das Bruttoangebot an Anleihen, das die Refinanzierung alter Schulden und die Finanzierung von Haushaltsdefiziten beinhaltet, dürfte bei 939 Milliarden Euro in diesem Jahr liegen. Die EZB wird damit bei einem Kaufvolumen von rund 450 Milliarden Euro in diesem Jahr zu einem bedeutenden Nachfrager auf dem Markt für Staatsanleihen. Die laufenden QE-Programme der Bank of Japan und der EZB dürften verhindern, dass die Renditen der Yen- und Euro-Staatsanleihen in den nächsten zwölf Monaten anziehen. Im Gegensatz dazu hat die US-Notenbank Quantitative Easing im Oktober 2014 abgeschlossen. Dies führte bereits zu einer kräftigen Ausweitung der Renditedifferenz zwischen Staatsanleihen aus den USA, Deutschland und Japan. Diese Differenz dürfte weiter bestehen.

Die Frage lautet nun, wann das Federal Open Market Committee unter Leitung von Janet Yellen die Leitzinsen erhöht. Die Entwicklung der Inflation und die Lage am Arbeitsmarkt dürften bei dieser Entscheidung eine zentrale Rolle spielen. Der Preisrutsch beim Öl hat zu einem Rückgang der Inflationsraten in den Industrieländern geführt. Dadurch dürfte sich der Zeitpunkt der Zinserhöhung nach hinten verlagern. Doch die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt lässt vermuten, dass mit einem ersten Zinsschritt der Fed im dritten Quartal 2015 zu rechnen ist. Ein Blick in die Historie lässt erwarten, dass eine Zinsanhebung zu einer höheren Volatilität an den Kapitalmärkten führt. Aufgrund des weiterhin sehr tiefen Leitzinsniveaus dürften sich die Märkte aber schnell wieder beruhigen.

Aktien im Aufwind

Bereits einmal in der Geschichte, im Jahr 1993, gewann der US-Dollar an Stärke und die US-Notenbank dachte über Zinserhöhungen nach. In den USA beschleunigte sich damals das Wachstum, während Deutschland und Japan eine geringere wirtschaftliche Dynamik zeigten. Die Deutsche Bundesbank und die Bank of Japan senkten in den Jahren von 1993 bis 1996 ihre Leitzinsen. Die US-Notenbank begann dagegen im Jahr 1994 mit einer Erhöhung ihrer Fed Funds Rate. Genau wie heute lief auch damals der Notenbankzyklus auseinander.

Der starke US-Dollar als Resultat dieser wirtschaftlichen und geldpolitischen Divergenzen hielt die Inflation in den USA im Zaum. Dies hinderte wiederum die Fed, eine allzu restriktive Geldpolitik zu betreiben. Zudem sorgte die expansive Geldpolitik in Deutschland und Japan für ein niedrigeres Zinsniveau bei den US-Treasuries. Niedrige und tendenziell fallende Anleihezinsen sorgten wiederum in den Jahren von 1993 bis 1999 für gute Stimmung an den Aktienmärkten. Die vielen Übereinstimmungen zwischen der wirtschaftlichen Situation ab 1993 und der Situation heute sprechen dafür, dass die Aktienmärkte weiter laufen. Mittelfristig könnte damit die Möglichkeit einer Überhitzung bestehen.

Aber auch der Blick auf die Unterschiede zwischen damals und heute ist wichtig. Damals konnten die Bundesbank und die Bank of Japan ihre Leitzinsen noch senken. Heute - bei Leitzinsen nahe der Nulllinie - ist dies nicht mehr möglich. An die Stelle von Leitzinssenkungen ist allerdings im Euroraum und in Japan QE getreten. Der Kauf von Anleihen durch die EZB und die Bank of Japan sorgt zum einen für niedrige Zinsen bei längerfristigen Anleihen und zum anderen für eine Zunahme der Liquidität - beides Antriebsfaktoren für die Aktien.

Ein solides US-Wachstum und eine mögliche Wachstumsbeschleunigung im Euroraum sollten den Dividendenpapieren zusätzlichen Auftrieb verleihen. Der Unternehmenssektor innerhalb des Euroraums zählt zu den Profiteuren des starken US-Dollar und des sich langsam abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwungs im Euroraum. Das spricht für Aktien aus dem gemeinsamen Währungsraum. Als Risikofaktoren verbleiben allerdings eine Verschärfung des Konflikts in der Ukraine und ein möglicher Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone. Die Eintrittswahrscheinlichkeiten stufen wir derzeit aber als gering ein.

Staatsanleihen auf Rekordhoch

Genau wie der Aktienmarkt liebt auch der Anleihemarkt die Liquidität. Und für diese sorgen die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan. Mit ihren Anleihekäufen halten die Notenbanken die Anleihekurse auf historischen Rekordhochs. Entsprechend bieten zehnjährige deutsche und japanische Staatsanleihen mittlerweile nur noch Renditen weit unter 0,5 Prozent. Anleger müssen entsprechend auf Hochzinsanleihen und Peripherieanleihen aus dem Euroraum ausweichen, um eine nennenswerte Renditechance zu erhalten.

In einer Welt, in der solide Anleihen keinen Zins bieten, sind Risikoprämien der neue Zins. Auch die geldpolitische Divergenz zwischen der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank können Investoren nutzen. Das Ende von QE in den USA und der Start von QE im Euroraum haben zu einer erheblichen Ausweitung der Rendite zwischen US-Treasuries und Bundesanleihen geführt. Beim Kauf von US-Staatsanleihen müssen Investoren allerdings ein Währungsrisiko eingehen. Doch dieses Risiko stellt auch eine Chance auf Wechselkursgewinne dar.

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*Quelle: BVI, Stand 31. Mai 2013, inkl. DB-Produkte

**Stand: 30. Juni 2013

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