Pharmaindustrie: Was Investoren jetzt wissen müssen
Die Medikamentenhersteller stehen unter großem Druck. Welche Unternehmen von der seit Monaten andauernden Restrukturierungs- und Übernahmewelle am meisten profitieren können.
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von Julia Groß, Euro am Sonntag
Den "lächelnden Killer", so hatten Gewerkschaftler Chris Viehbacher getauft, weil er scheinbar ohne Bedauern die Entlassung Tausender Mitarbeiter beim Pharmakonzern Sanofi verkündete. Jetzt muss der Deutschkanadier selbst seine Sachen packen. Nach einem seifenopernwürdigen Vorspiel mit einem der Presse zugespielten Bittbrief Viehbachers und halbgaren Dementi votierte der Verwaltungsrat in der letzten Oktober-Woche einstimmig für die Ablösung des Vorstandschefs.
Im Vordergrund stand bei dem Rauswurf, dass Viehbacher mit seiner wenig diplomatischen Art und dem angelsächsischen Managementstil bei den Franzosen aneckte. Unter anderem hatte er den Verwaltungsrat nicht über seine Idee informiert, ein rund sechseinhalb Milliarden Euro schweres Portfolio älterer Medikamente zu verkaufen.
Doch die am Tag vor Viehbachers Abgang verkündeten Quartalszahlen deuten auch auf andere Probleme hin: Sanofi erwartet im kommenden Jahr kein Wachstum in der Diabetessparte. Allein das Insulin Lantus macht jedoch knapp 20 Prozent des Konzernumsatzes aus. Der Grund für die schlechte Entwicklung: zunehmender Preisdruck ausgerechnet in den USA, dem wichtigsten Absatzmarkt überhaupt.
Diese Entwicklung ist symptomatisch für die Branche, und weit schlimmer: Sie ist erst der Anfang. Der gesamte Sektor gerät bei der Frage der Preisgestaltung für seine Medikamente zunehmend unter Druck. Weltweit gelten in vielen Ländern seit Langem verpflichtende Rabattregeln, in den USA jedoch waren die Firmen weitgehend frei von solchen Vorschriften. Diese Zeit scheint dem Ende zuzugehen.
Schrumpfende Margen
Neben Sanofi meldete auch der britische Pharmariese GlaxoSmithKline einen 20-prozentigen Umsatzeinbruch bei seinem Asthmamedikament Advair in den USA. "Advair und Lantus bilden mit 4,3 beziehungsweise fünf Milliarden US-Dollar Umsatz einen erheblichen Teil der gesamten US-Medikamentenkosten", sagt Alistair Campbell, Pharma-Analyst der Berenberg Bank. "Das macht sie zu offensichtlichen Zielen für Kostenträger." Pharmacy Benefit Manager, die für Versicherungen in den USA die Versorgung der Kunden mit Arzneimitteln verwalten, spielen konkurrierende Anbieter gegeneinander aus. Dass die Gesundheitsreform des US-Präsidenten Millionen neue Kunden in die Krankenversicherungen brachte, stärkt ihre Verhandlungsmacht. Die Folge: Pharmakonzerne müssen empfindliche Margenrückgänge hinnehmen.
Eine Umfrage der Investmentbank UBS unter Vorstandschefs der Branche ergab unisono "Preisdruck" als größtes Problem der kommenden drei bis fünf Jahre. "Viele Pharmageschäftsmodelle, die im vergangenen Jahrzehnt funktionierten, müssen sich ändern", konstatiert Mike Ball, Chef des US-Spezialpharmaziekonzerns Hospira.
Die Botschaft ist angekommen, so viel lässt sich sagen. Seit Monaten überschlagen sich die Nachrichten von immer neuen Spartenverkäufen, Joint Ventures, Übernahmeversuchen, IPO-Plänen und Steuersparmodellen. Es ist ein unübersichtliches Geflecht. Doch bei genauer Analyse stechen drei grundverschiedene Strategien heraus, wie Pharmakonzerne die Herausforderung bewältigen wollen. Die Unternehmen, die ihren Lösungsansatz am besten umsetzen, dürften auch an der Börse am meisten profitieren.
Eine schnelle Medizin versprechen Übernahmen. Für US-Firmen spielt dabei die Möglichkeit zur "Tax Inversion" eine besondere Rolle: Verlegen sie die Konzernzentrale in das Land ihres Übernahmeziels, können sie unter bestimmten Bedingungen dem hohen Unternehmensteuersatz der USA entfliehen. Auch die Rückführung von im Ausland erzielten Gewinnen ohne den Zugriff der amerikanischen Finanzbehörden wird dadurch möglich. Das wollte AbbVie, Nummer 12 der umsatzstärksten Pharmaunternehmen, mit dem Kauf der irischen Shire ausnutzen. Die Amerikaner bliesen die 44 Milliarden Euro schwere Transaktion jedoch ab, weil die USA das Gesetzesschlupfloch Tax Inversion stopfen wollen.
Bereits im Sommer startete der zweitgrößte Pharmakonzern der Welt, Pfizer, einen Überraschungsangriff auf die britisch-schwedische AstraZeneca. Auch hier war Steuern sparen ein wichtiges Motiv. Astra konnte das Übernahmeangebot mit Mühe abwenden. Ab dem 26. November darf Pfizer allerdings gemäß britischem Gesetz einen neuen Versuch starten. Dass die Amerikaner eine große Übernahme anstreben, hat Vorstandschef Ian Read in den vergangenen Monaten mehr als deutlich gemacht. "Die eigene Pipeline von Pfizer reicht gerade aus, um das Umsatzwachstum der kommenden Jahre konstant zu halten", sagt Ashtyn Evans von der Investmentbank Edward Jones. Selbst für eine spätere Aufspaltung Pfizers in mehrere Unternehmen, wie sie die Amerikaner anstreben, muss der Konzernkoloss sich erst mit externen Mitteln aufpeppen.
AstraZeneca bleibt dabei das am besten zu Pfizer passende Ziel. Allenfalls Actavis käme als Alternative infrage, meinen die Analysten von JP Morgan. Aufgrund der Größe der Unternehmen sei eine Tax Inversion wohl in beiden Fällen trotz neuer Regeln möglich.
Schwerpunkte neu ausrichten
Statt auf Mega-Merger setzen viele andere Großkonzerne auf eine Fokussierung durch den Kauf und Verkauf einzelner Sparten. Hier ist die Schweizer Novartis der Vorreiter, die innerhalb eines guten Jahres einen umfassenden Unternehmensumbau gestemmt hat. Die zukunftsträchtige Krebsmedizin wurde verstärkt, margenschwache Impfstoffe und Tiergesundheit abgestoßen. Wie er die Briten bei GlaxoSmithKline überzeugt hat, ihm die gesamte Onkologiepipeline zu überlassen und dafür die allseits ungeliebten Impfstoffe abzukaufen, weiß wohl nur Novartis-Boss Joe Jimenez. Novartis kann jedenfalls für sich verbuchen, weit vor vielen Wettbewerbern einen strategisch überzeugenden Umbau vollendet zu haben.
Nicht ganz so enthusiastisch, weil teuer erkauft, begrüßten Investoren Bayers Übernahme der rezeptfreien Arzneimittel von Merck & Co. Als Verlierer darf sich vorerst GlaxoSmithKline sehen, wo der Stuhl von CEO Andrew Witty wackelt.
Eine dritte Gruppe von Firmen, namentlich Roche, Novo Nordisk und Bristol-Myers Squibb, hält sich im großen Dealkarussell auffallend zurück. Die Unternehmen verfügen durch die Bank über eine hervorragende hauseigene Forschungspipeline und haben sich explizit gegen große Fusionen ausgesprochen. Auch das gefällt den Anlegern. Sogar ausgesprochen gut. Unter den großen Pharmaunternehmen sind diese drei Aktien die teuersten. Bristol-Myers wird mit einem 2015er-KGV von über 30 inzwischen sogar wie ein Biotechunternehmen gehandelt. Für den Einstieg ist das - leider - zu teuer.
Investor-Info
Novartis
Schon fertig
Die Schweizer haben ihren Konzern konsequent umgebaut. Mehr Konzentration auf die lukrative Krebsmedizin, weg mit den schwächeren Sparten Impfstoffe und Tiergesundheit. Ein vielversprechendes neues Herzmedikament könnte sich mit Spitzenumsätzen von fünf Milliarden Euro pro Jahr zu Novartis’ neuem Wachstumsmotor entwickeln. Kaufen.
Pfizer
Auf der Suche
Der Konzern wächst zu wenig. Doch die fusionsreiche Geschichte des Unternehmens lässt kaum einen Zweifel daran, dass die Amerikaner das Problem auch diesmal mit einer Übernahme sehr gut lösen werden. Das sollte auch der Aktie wieder ordentlich Auftrieb geben, die mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 13 deutlich unterbewertet ist.
AstraZeneca
Berechtigter Höhenflug
Galt über Jahre als Schlusslicht der Branche. Erst Pfizers Übernahmeversuch brachte ans Licht, dass die Briten über eine der besten Pipelines weit und breit verfügen. Vergangene Woche erhöhten sie zum zweiten Mal die Prognose für 2014. Der Titel ist nicht günstig, hat aber Substanz und die Aussicht auf einen kräftigen Sprung, falls Pfizer es erneut versucht.
Sanofi
Tief gefallen
Ja, Investoren liebten Chris Viehbacher. Und der frei gewordene Chefposten plus die schwachen Diabetesumsätze sorgen für Unsicherheit. Aber deshalb gleich 14 Prozent des Börsenwerts vernichten? Geduldige Anleger nutzen die Gelegenheit, Sanofi-Aktien günstig einzusammeln, und wetten auf ein Comeback.
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Bildquellen: Javier Correa / Shutterstock.com, Lucky Business / Shutterstock.com
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